Politik: Krach zur falschen Zeit
Die Union sah sich in NRW auf bestem Wege. Nun fürchtet sie, dass Rot-Grün platzt – und sie über Schwarz-Grün debattieren muss
Jürgen Rüttgers ist auch in normalen Zeiten keiner, der täglich drei Mal vor einer Kameralinse stehen muss. Aber in diesen Tagen ist der CDU-Oppositionsführer in Nordrhein-Westfalen auch für seine Verhältnisse wortkarg. Seit es Ministerpräsident Peer Steinbrück (SPD) in der rot-grünen Landeskoalition krachen lässt, hat sich Rüttgers nur drei Mal zu Wort gemeldet. Zuletzt vorige Woche, als Steinbrück zum Rapport bei Gerhard Schröder in Berlin war. „Schröder hat Steinbrück zurückgepfiffen“, ferndiagnostizierte der CDU-Mann. Es klang erleichtert.
Pech nur für Rüttgers, dass die Diagnose so nicht stimmt. Pech, weil der NRW-CDU Steinbrücks Aufstand gegen die eigene Koalition ungelegen kommt. Die Christdemokraten sahen sich auf dem Weg zur Macht. Bei der Landtagswahl 2000 hatte Helmut Kohls Spendenaffäre Rüttgers um den Sieg gebracht, der nach dem CDU-Triumph bei der Kommunalwahl im Jahr davor sicher schien. Inzwischen setzt sich, vom Bundes-Trend beflügelt, der Überdruss an der Dauerregierungspartei SPD wieder durch. Dazu die Dauerkrise des Bündnisses mit den Grünen und die Tatsache, dass Steinbrück im eigenen Land bis vor kurzem so unbekannt war wie anderswo – ein Regierungswechsel bei der Landtagswahl 2005 schien fast sicher.
Pech nur für die Landes-CDU, dass Steinbrück zum gleichen Schluss gekommen ist. Seither ist in NRW nur noch eins gewiss: So wie bisher wird es nicht weitergehen. In welche Richtung es stattdessen gehen wird, darauf hat die CDU keinen Einfluss. „Wir sind da außen vor“, sagt ein CDU-Mann mit hörbarem Bedauern. So tut Rüttgers das Klügste, was er tun kann: Er fordert Neuwahlen – und bleibt ansonsten unsichtbar.
Aus Sicht der CDU gibt es drei Möglichkeiten. Die eine beherrscht das Wunschdenken vieler in der Landes-Partei: Steinbrück gehe es um PR, er wolle die Grünen ducken, aber das Bündnis letztlich erhalten. Diese Variante hat den Vorzug, dass sie von der CDU keine neue Taktik verlangt.
Die zweite Möglichkeit ist nicht ganz so angenehm: Steinbrück wirft die Grünen hinaus und verbündet sich mit der FDP. Das lässt der CDU zwar immer noch die Chance, 2006 stärkste Fraktion zu werden und die Liberalen dann auf ihre Seite zu ziehen. Aber es würde zugleich eine Debatte über ein schwarz-grünes Bündnis auslösen. Gegen das Bündnis hätte Rüttgers nichts. Gegen die Debatte muss er etwas haben. In der NRW-CDU löst der Gedanke an die Öko-Partei ja keineswegs nur Wohlwollen aus.
Über die dritte Variante haben alle Beteiligten auch schon mal nachgedacht: Steinbrück könnte der CDU eine große Koalition anbieten. Für den SPD-Mann hätte das den Vorzug, dass er seiner Partei nicht die gut gehasste FDP zumuten müsste. Er muss aber damit rechnen, dass die Christdemokraten ihm einen Korb geben – und zusammen mit den ausgebooteten Grünen und der verschmähten FDP Neuwahlen erzwingen. Dafür reicht ein Landtagsbeschluss mit einfacher Mehrheit. Das wäre dann Glück für Rüttgers.