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Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU)

© IMAGO/Bernd Elmenthaler/IMAGO/ESDES.Pictures, Bernd Elmenthaler

Krankenkassen in Not: Gesundheitsministerin auf der Suche nach Milliarden

Die Kosten für die Krankenkassen steigen trotz Beitragserhöhung zum Jahresbeginn immer weiter. Die Ministerin hofft auf frisches Geld, doch der Finanzminister will davon nichts wissen.

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In der hitzigen Debatte um die Stabilisierung der Finanzen der Gesetzlichen Kranken- (GKV) und der Sozialen Pflegeversicherung (SPV) sind die Fronten weiter verhärtet. Während Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) weiterhin auf mehr Steuermittel pocht, um Beiträge stabil halten zu können, zuckt Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) mit den Schultern – höhere Zuschüsse seien nicht drin, überall fehle Geld.

Warken versuchte am Freitag erneut bei der Vorstellung der GKV-Finanzentwicklung im ersten Halbjahr auf die schwierige Finanz-Situation hinzuweisen: „Die GKV steht finanziell massiv unter Druck. Die Ausgaben wachsen weiterhin deutlich stärker als die Einnahmen.“

4,8
Milliarden Euro betragen die Mehrkosten für Krankenhäuser allein im ersten Halbjahr 2025.

Besonders problematisch sind die Krankenhauskosten, die im ersten Halbjahr um 9,6 Prozent beziehungsweise 4,8 Milliarden Euro gestiegen sind. Verantwortlich dafür seien vor allem hohe Vergütungssteigerungen sowie die Refinanzierung bisher nicht abgebildeter Tarifkostensteigerungen aus dem Jahr 2024.

Zwar hätten die Krankenkassen im ersten Halbjahr insgesamt einen Überschuss von 2,8 Milliarden Euro erzielt, doch die Zahlen seien mit großer Vorsicht zu genießen, erklärte Warken. „Er ist nur eine Momentaufnahme und dient lediglich zur Auffüllung der sehr niedrigen Finanzreserven auf das gesetzlich geforderte Mindestniveau“, so Warken. „Bereits 2026 dürften die Beitragssätze wieder unter Druck geraten.“

Eine Deckungslücke von vier Milliarden Euro

Schätzungen des Bundesgesundheitsministeriums zufolge dürfte in der GKV 2026 eine Deckungslücke von vier Milliarden Euro bestehen, in der SPV von zwei Milliarden Euro. Damit drohen letztlich allen gesetzlich Versicherten und ihren Arbeitgebern im kommenden Jahr erneute Beitragssteigerungen.

Andreas Storm, Vorstandsvorsitzender der DAK, ging zuletzt von einer Beitragssteigerung in der SPV um 0,1 oder 0,2 Prozentpunkte aus. „Und in der GKV werden wir damit die 3 vor dem Komma beim durchschnittlichen Zusatzbeitrag bekommen“, so Storm zum Tagesspiegel. Derzeit liegt der reale Durchschnitt bereits bei 2,9 Prozent – obwohl der Schätzerkreis, der jedes Jahr im Herbst eine Prognose zu den Zusatzbeiträgen im darauffolgenden Jahr abgibt, im vergangenen Jahr 2,5 prognostizierte. Zum Vergleich: 2024 lag er noch bei 1,7 Prozent.

Klingbeil scheint sich angesichts dieser Zahlen ungerührt zu geben. Im Haushaltsplan 2025 ist weiterhin nur eine akute Finanzhilfe in Höhe von je 2,3 Milliarden in diesem und im kommenden Jahr für die GKV vorgesehen – und das nur in Form eines Darlehens. Für die SPV sollen dieses und nächstes Jahr insgesamt zwei Milliarden Euro fließen, ebenfalls als Kredit. Warken hofft derweil immer noch auf Änderungen im parlamentarischen Verfahren.

Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) bemüht sich, seinen Haushalt zusammenzuhalten.

© dpa/Kay Nietfeld

Der DAK-Chef geht davon aus, dass der Anstieg durch die geplanten Kredite jetzt zwar erst mal gedämpft werde, 2027 dann aber umso größer ausfallen würde. Er spricht von einem Jojo-Effekt. Das wolle Warken verhindern und sei mit Blick auf den Haushalt 2026 im „engen Austausch“ mit den Koalitionspartnern. Sie erwarte weit vor dem Abschluss des Haushalts 2026 Lösungen – sprich: mehr Geld. Das Prinzip Hoffnung sei zu wenig, meint die Kassen-Seite.

Mit den Darlehen würden die Probleme nur weiter in die Zukunft verlagert, sagt der Vorstandsvorsitzende der größten deutschen Krankenkasse, der Techniker, Jens Baas. Er fordert angesichts der prekären Finanzlage, dass kurzfristig Maßnahmen zur Stabilisierung ergriffen und parallel grundlegende Reformen angegangen werden.

Doch auch hier kritisieren vor allem Kassenvertreter, dass Warken nicht schnell genug handele. Die Bundesgesundheitsministerin betont seit ihrem Amtsantritt, auf Reform-Empfehlungen einer Kommission warten zu wollen. Und auch gestern unterstrich sie wieder, der Kommission nicht vorgreifen zu wollen. Diese soll aber noch in diesem Monat eingesetzt werden und im Frühjahr 2026 erste Vorschläge liefern.

Warken will die Reform der Krankenhausreform

„Parallel werden wir weitere Strukturreformen auf den Weg bringen“, versprach Warken. „Mit der Anpassung der Krankenhausreform sind wir weit fortgeschritten, die Reform des Notfall- und Rettungsdienstes und die Einführung eines Primärarztsystems werden weitere wichtige Maßnahmen sein, um die Effizienz des Systems zu steigern und die Weichen für eine langfristige Stabilisierung der GKV-Finanzen zu stellen.“

Bleibt Warkens Hoffnung, dass 2026 zusätzliche Steuermittel fließen. Genährt wird sie auch aus einer Ankündigung von Unions-Fraktionschef Jens Spahn, der am Donnerstag sagte: „Wir sind uns einig, dass die Sozialversicherungsbeiträge nicht weiter steigen sollen – ein wichtiges Signal für die Versicherten.“ Eine Nachfrage bei der Fraktion, mit welchen konkreten Maßnahmen das erreicht werden soll, blieb unbeantwortet.

Warken erklärte am Freitag auf Nachfrage, dass man erneut über die Refinanzierung versicherungsfremder Leistungen sprechen werden müsse. Dabei geht es in erster Linie um die Ausgaben für Bürgergeldempfänger, für die die Krankenkassen jährlich etwa zehn Milliarden Euro zahlen. Die Berichterstattergespräche für den Haushalt 2026 beginnen am Montag.

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