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Beamte des Zoll kontrollieren einen Bauarbeiter.

© Arne Dedert/dpa

"Das ist verheerend": Kretschmer kritisiert Mindestlohn-Kontrollen mit Waffen

Bei Kontrollen wegen des Mindestlohns tragen Zollbeamte Waffen. So würden Unternehmer wie Betrüger behandelt, kritisiert Sachsens Ministerpräsident Kretschmer.

Der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) hat Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) aufgefordert, die bundesweiten Mindestlohn-Kontrollen des Zolls ab sofort ohne Waffen durchzuführen. „Wenn hier, das ist passiert, der Zoll auf dem Land in einen Bäckerladen mit allem Drum und Dran einmarschiert – von dem Mann braucht niemand mehr etwas zu erwarten, bestenfalls geht er noch zur Wahl“, sagte Kretschmer dem Tagesspiegel. „Der ist Dorfgespräch, egal was gewesen ist, das ist unanständig“, kritisierte Kretschmer. „Die Frage ist: wie tritt der Staat auf? Das ist verheerend.“

Kretschmer kämpft in dem Bundesland gegen eine starke AfD, sie könnte bei der Landtagswahl am 1. September zum großen Gewinner werden. „Mindestlohn-Kontrollen des Zolls in Unternehmen müssen ohne Uniform und Waffen ablaufen. Der Staat kann doch nicht jedem Unternehmer als potentiellen Betrüger begegnen. Es ist doch kein Wunder das die Betroffenen verärgert sind“, sagte der Ministerpräsident.

Kretschmer kritisiert insgesamt eine zu starke Ferne in Berlin zu den Sorgen und Ansichten der Menschen in ländlichen Regionen – so fordert er auch klare Abschussregeln für Schafe reißende Wölfe durch sogenannte Schutzjagden.

Derzeit beträgt der 2015 mit 8,50 Euro pro Stunde eingeführte gesetzliche Mindestlohn 9,19 Euro pro Stunde – immer wieder wird er aber unterlaufen. Das Bundeskabinett hatte am 20. Februar daher einen Gesetzentwurf beschlossen, der die für Schwarzarbeit- und Mindestlohnkontrolle zuständige Sondereinheit beim Zoll deutlich aufrüstet.

Die Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) erhält mehr Befugnisse und Personal. „Damit wird der Zoll in die Lage versetzt, noch besser für Ordnung und Fairness auf dem Arbeitsmarkt zu sorgen“, betonte das Bundesfinanzministerium. In der aktuellen Finanzplanung sei bereits vorgesehen, die FKS von heute rund 7900 bis 2026 auf mehr als 10.000 Stellen aufzustocken. Wegen der zusätzlichen weiteren Kompetenzen für den Zoll etwa bei der Mindestlohnkontrolle sollen perspektivisch weitere 3500 Stellen folgen. Der erhöhte Druck und die schrittweise Ausweitung der Kontrollen hat auch schon Erfolge gezeigt.

Die Zahl der erfassten Verstöße gegen das Mindestlohngesetz stieg dem Ministerium zufolge von 1316 Fällen in 2015 auf 6220 Fälle in 2018, davon waren 2744 Fälle Mindestlohnunterschreitungen – hier wurden entsprechende Ermittlungsverfahren eingeleitet.

Scholz kämpft gegen Missbrauch und Betrug

Scholz geht es darum, Sozialmissbrauch und Steuerbetrug im Arbeitssektor energischer zu bekämpfen. Im Jahr 2018 überprüfte die Finanzkontrolle Schwarzarbeit 53.491 Arbeitgeber und leitete rund 111.000 Strafverfahren ein – vor allem wegen Schwarzarbeit. Für 2017 und 2018 wurde ein Gesamtschaden für den Staat in Höhe von 1,8 Milliarden Euro ermittelt (2017: 967,3

Milliarden; 2018: 834,8 Milliarden). Im Bundesfinanzministerium sieht man bisher keinen Anlass für Änderung bei der Praxis des Auftretens, etwa eine Umstellung auf Kontrollen nur noch in Zivil: „Die Finanzkontrolle Schwarzarbeit führt seit jeher Waffen und verwendet Dienstkleidung.“

Kritik auch aus Gastronomie

Auch die Hauptgeschäftsführerin des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga), Ingrid Hartges, kritisierte, dass die Kontrollen mitunter zu Irritationen führen würden. „So berichteten Unternehmer, dass es Auftritte von Zollbeamten in Uniform und mit Bewaffnung gab, die Gästen wie Mitarbeitern Angst machten und sie verunsicherten“, sagte sie dem Tagesspiegel. Gerade im Hotel- und Gaststättengewerbe wird verschärft kontrolliert, ob der Mindestlohn gezahlt wird. „Keine Frage, die Einhaltung von Gesetzen muss kontrolliert werden“, sagte Hartges. „Wir verstehen auch, dass effektive Kontrollen zu Zeiten stattfinden müssen, zu denen auch große Teile des Personals, insbesondere auch Aushilfen, im Einsatz sind.“

Im Interesse der Branche und ihrer Gäste erwarte der Verband aber ein verhältnismäßiges Vorgehen der Zollbeamten. So könne die Befragung der Mitarbeiter zum Beispiel diskret in einem Nebenraum durchgeführt werden. „Es ist einfach ein Unterschied, ob eine Kontrolle auf dem Bau durchgeführt wird oder in einem voll besetzten Restaurant.“

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