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Krisentreffen bei der SPD: Sondersitzung des Bundestags angedacht – Brosius-Gersdorf für Gespräch mit Union bereit
Am Freitagabend tagten Parteivorstand und Bundestagsfraktion der SPD gemeinsam, um das weitere Vorgehen nach der gescheiterten Richterwahl zu beraten. Es bleibt bei Brosius-Gersdorf als Kandidatin.
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Nach der gescheiterten Besetzung von drei Posten am Bundesverfassungsgericht ist die Linie der SPD klar: An der Kandidatur von Frauke Brosius-Gersdorf ist nichts zu rütteln. Das hat der Tagesspiegel aus Teilnehmerkreisen einer Krisensitzung erfahren.
Für diese haben sich am Abend der Parteivorstand und die Mitglieder der Bundestagsfraktion virtuell zusammengeschaltet. Eine zweite Sitzung in gleicher Besetzung ist für Montagabend angesetzt.
Wie aus Teilnehmerkreisen zu hören ist, stehe Brosius-Gersdorf bereit für ein offenes und klares Gespräch mit der Spitze der Union.
Die SPD will der Kandidatin demnach keine lange Ungewissheit zumuten. Die Überlegungen gehen in Richtung einer Sondersitzung des Bundestages etwa im August, heißt es.
Es ist aus Sicht der SPD an der Union, in den eigenen Reihen für die verabredete Mehrheit zu sorgen. Entsprechend gibt es in der Sitzung viel Unterstützung für die Entscheidung vom Morgen, eine Aufsplittung des Personalpakets abzulehnen.
Zuvor hat SPD-Fraktionschef Matthias Miersch auch öffentlich angekündigt, weiter an Brosius-Gersdorf festzuhalten. Er schließt eine Lösung über einen Kompromisskandidaten mit der Union praktisch aus: „Für mich ist klar: Wir halten an unseren Kandidatinnen fest. Ich erwarte, dass die Mehrheit steht“, schrieb Miersch in einer persönlichen Erklärung.
Noch deutlicher machte der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD, Dirk Wiese, seinen Unmut: „Es ist kein guter Tag für die Demokratie in diesem Land“, sagte Wiese am Freitag im Bundestag. Er sprach von einer Hetzjagd gegen Frauke Brosius-Gersdorf.
Am Morgen wurde die SPD von der Ankündigung der Union überrascht, die umstrittene Kandidatin, die Potsdamer Juraprofessorin Frauke Brosius-Gersdorf, nicht wählen zu wollen. Diese Entscheidung wurde kurz vor Beginn einer Sondersitzung der Unionsfraktion dem Koalitionspartner übermittelt.
Die Kandidatin war schon in den vergangenen Tagen wegen ihrer Haltung zu Abtreibungen immer stärker kritisiert worden. Am Donnerstagabend kamen Plagiatsvorwürfe hinzu, bei denen noch unklar ist, ob sie Substanz haben. „Ich gehe davon aus, dass die Plagiatsvorwürfe gegen Frau Brosius-Gersdorf sich in Luft auflösen werden“, sagte Dirk Wiese, Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Fraktion, dem Tagesspiegel.
Der heutige Vorgang ist Hinweis auf eine Führungsschwäche von Jens Spahn.
Dirk Wiese, Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Fraktion
Trotz der Uneinigkeit wegen Brosius-Gersdorf wollte die Union die beiden übrigen Richterstellen wie geplant besetzen. Das war aber für die SPD nicht akzeptabel. Auch die Grünen stellten klar, dass eine Wahl für sie nicht infrage käme. Am Ende wurden alle drei Wahlen von der Tagesordnung des Bundestags genommen.
Im Zentrum der Auseinandersetzung zwischen den Koalitionspartnern steht nun die Frage, wie viel Verlass auf Verabredungen noch ist. Im Fokus ist Unions-Fraktionschef Jens Spahn. Nach Darstellung der SPD hatte der Koalitionspartner seine Unterstützung für das gesamte Personalpaket zugesagt.
„Der heutige Vorgang ist Hinweis auf eine Führungsschwäche von Jens Spahn“, sagte Wiese. Im Plenum des Bundestags griff Lars Klingbeil, Vizekanzler und SPD-Vorsitzender, den Koalitionspartner ebenfalls an. „Wenn hier strittige Abstimmungen sind, dann muss es Führung und Verantwortung auch geben“, sagte er.
Spahn selbst hob in der Sondersitzung seiner Fraktion hervor, die Union habe Interesse an einem stabilen Bündnis mit der SPD. Die Union wolle Deutschland gut regieren, der Auftrag gelte unverändert.
Ohne Sondersitzung könnte wegen einer ablaufenden Frist auch der Bundesrat einen der Posten besetzen, nämlich jenen, für den die Union Günter Spinner als Kandidaten nominiert hat.
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