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Politik: Kurdische Hochzeit

Der Bruder von Öcalan hat geheiratet. Das könnte die PKK spalten und damit radikalisieren – auch in Deutschland

Nach Jahrzehnten des Rebellen-Daseins in den Bergen des türkischen Kurdengebietes und im Nordirak hat Osman Öcalan mit einer eisernen Regel der Guerilla-Gruppe PKK gebrochen: dem Heiratsverbot. Osman Öcalan, der 45-jährige Bruder des inhaftierten PKK-Chefs Abdullah Öcalan, habe eine aus Iran stammende PKK-Kämpferin geheiratet, verlautet aus türkischen Quellen.

Die Hochzeit sei der Tropfen gewesen, der in einem schon länger schwelenden Machtkampf innerhalb der PKK, die sich inzwischen Kurdischer Volkskongress (Kongra-Gel) nennt, das Fass zum Überlaufen brachte, analysierte die türkische Zeitung „Radikal“ am Freitag. 20 Jahre nach Beginn ihres Kampfes gegen den türkischen Staat steht die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) möglicherweise vor der Spaltung. Unbestätigten Berichten zufolge soll sich Osman Öcalan mit einigen Getreuen bereits vom Rest der im Nordirak lagernden PKK-Einheiten abgesetzt haben. Der Machtkampf könnte zur Abspaltung radikaler Gruppen und auch zu neuen Richtungskämpfen in der kurdischen Diaspora in Westeuropa führen – besonders in Deutschland.

Die PKK-Nachfolgeorganisation Kongra-Gel hat nach Schätzungen von Sicherheitsexperten hier zu Lande bis zu 11 000 Anhänger. In deutschen Sicherheitskreisen wird befürchtet, dass sich die Kurdenszene in Deutschland radikalisiert, wenn es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen einzelnen Kurdengruppen in der Türkei und im Nordirak kommt. Vor allem unter jugendlichen Kurden sei schon jetzt eine wachsende Unruhe zu beobachten, heißt es. In der Vergangenheit gab es besonders in Berlin und Hamburg Ausschreitungen junger Kurden.

Seit sich die PKK-Kämpfer 1999 aus der Türkei in die Berge Nordiraks zurückzogen, debattiert die Organisation über ihre Zukunft. Nach wie vor sitzen 5000 bewaffnete PKK-Kämpfer im Nordirak fest. Türkische Beobachter gehen davon aus, dass die „Reformer“ um Osman Öcalan auf eine politische Lösung des Kurdenproblems setzen. Dagegen wollen die Hardliner um Kommandeur Cemil Bayik und auch viele PKK-Auslandsorganisationen in Europa nicht auf den bewaffneten Kampf verzichten.

Der schwelende Konflikt entlud sich bei der Auswahl von pro-kurdischen Kandidaten für die türkischen Kommunalwahlen am 28. März. Die Führung von Kongra-Gel unterstützte den Bewerber der Kurdenpartei Dehap für die Bürgermeisterwahl in der Großstadt Diyarbakir, während Osman Öcalan für den amtierenden Bürgermeister Feridun Celik Partei ergriff.

Damit ist der Bruch vollzogen. Der Vorsitzende von Kongra-Gel, Zübeyir Aydar, bestätigte „Disziplinarverfahren“ gegen einige Mitglieder; nach Angaben aus kurdischen Kreisen sind damit Osman Öcalan und seine Mitstreiter gemeint. Ob es dabei auch um die Heirat Öcalans geht, ist nicht bekannt. Da die PKK Liebesbeziehungen zwischen Kämpfern und Kämpferinnen verbietet und sogar bestraft, sind die Eheschließungen als Abkehr von der PKK-Tradition zu verstehen. Meldungen, wonach die Dissidenten zu den US-Truppen im Irak geflohen seien, wurden von Osman Öcalan indes dementiert. Unbestätigten Berichten zufolge soll sich Öcalan nach Mossul abgesetzt haben.

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