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Oskar Lafontaine und Sahra Wagenknecht beim Gedenken an die ermordeten Kommunistenführer Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht.

© Britta Pedersen/dpa

Linke Sammlungsbewegung: Lafontaine wütet gegen die eigenen Genossen

Seit Herbst kämpfen Oskar Lafontaine und Sahra Wagenknecht für eine linke Sammlungsbewegung. Seine Kritiker kanzelt der Saarländer als "Trottel" ab.

Von Matthias Meisner

Den Chef der Thüringer Staatskanzlei, Benjamin-Immanuel Hoff, traf die volle Breitseite des früheren Linke-Parteichefs Oskar Lafontaine. "Überheblich" würde Hoff auf Arbeiter, Arbeitslose und Gewerkschaftsmitglieder herabblicken, die von den linken Parteien zur AfD abgewandert seien, schrieb der Saarländer auf Facebook. Die Thesen von Hoff, der lange einer der Wortführer des Reformerlagers in der Linkspartei war, kanzelte Lafontaine ab als "reaktionären neoliberalen Mist", wie ihn auch ein Funktionär des Bundesverbandes der Deutschen Industrie "absondern könnte".

Lafontaine warnte: "Die Linke muss achtgeben, dass sie nicht wie andere Parteien des ,linken Lagers' vor lauter postmodernem Geschwätz ihren ursprünglichen Auftrag aus dem Auge verliert und auch noch die Seiten wechselt."

Es war die Reaktion auf mehrere Texte, in denen Hoff klar auf Distanz gegangen war zu Lafontaine, der seit November mit Verve wirbt für eine "linke Sammlungsbewegung", eine neue "Volkspartei". Das alles Seit an Seit mit seiner Ehefrau Sahra Wagenknecht, Chefin der Linken-Bundestagsfraktion.

Unter der Überschrift "Lafontaines Irrtümer" hatte Hoff, einer der der wichtigsten Vertrauten von Thüringens Regierungschef Bodo Ramelow, im "Freitag" den Sammlungsbewegungs-Vorstoß kritisiert. Er wandte sich auch gegen den Versuch von Lafontaine und Wagenknecht, eine rigidere Flüchtlingspolitik durchzusetzen - abweichend von der Programmatik der Partei.

Gemeinsam mit Grünen-Bundesgeschäftsführer Michael Kellner veröffentlichte Hoff in der "taz" einen Gastbeitrag. Der Linke und der Grüne warfen Lafontaine und Wagenknecht vor, eine Sammlungsbewegung "von oben" herbeireden zu wollen. Aus dem Vorstoß spreche "Parteienverachtung". Zur Begründung schrieben Hoff und Kellner: "Der Idee zugrunde liegt die irrige Annahme, alle Parteien – inzwischen offensichtlich auch die Linke – seien ,neoliberaler Einheitsbrei'".

Ramelow: Gefährliches Gerede

Auch Ramelow sprach von einem "gefährlichen Gerede von einer ,Sammlungsbewegung'". Sie könne letztlich nach deutschem Wahlrecht "nur als Partei agieren, um gemeinsame Liste aufstellen und dann erst an Wahlen teilnehmen zu können". Warnend fügte Ramelow, Mitte der Nullerjahre Architekt des Zusammenschlusses von PDS und WASG zur Linkspartei, hinzu: "Dabei würde unsere Partei Die Linke zerstört werden."

Doch trotz der breiten Kritik aus den eigenen Reihen - von den Parteichefs Katja Kipping und Bernd Riexinger bis zu Wagenknechts Ko-Fraktionschef Dietmar Bartsch - halten Wagenknecht und Lafontaine an ihrer Sammlungsbewegungs-Idee fest. Dem "Spiegel" sagte Wagenknecht, sie halte es für eine Illusion, dass ihre bisherige Partei enttäuschte SPD-Wähler für sich gewinnen könne. Sie wolle etwas "Neues", erklärte sie: "Ich will, dass etwas entsteht, das deutlich breiter ist."

Wagenknecht: Idee hat Potential

Auch im Newsletter ihres "Teams Sahra" blieb Wagenknecht am Ball. Sie startete eine Umfrage unter ihren Anhängern und bekam nach eigenen Angaben mehrere tausend Antworten. 95 Prozent fänden eine "Sammlungsbewegung" gut, berichtete sie. 75 Prozent könnten sich vorstellen, sich dabei "aktiv einzubringen". Dass knapp fünf Prozent der Befragten dem Projekt skeptisch oder ablehnend gegenüber stünden, habe nur damit zu tun, dass einige Funktionäre der Linken die Befürchtung anheizen würden, eine Sammlungsbewegung könne zu einer Spaltung der Partei führen. Die Fraktionsvorsitzende schrieb weiter: "Mein Fazit ist somit: die Idee hat Potential! Ich werde weiter dran bleiben."

Auch Lafontaine lässt nicht locker. Im November hatte er die Idee der Sammlungsbewegung erstmals im Interview mit der "Saarbrücker Zeitung" geäußert - damals praktisch ohne Resonanz. Er wiederholt sie seitdem immer wieder, in der nachrichtenarmen Zeit zwischen den Jahren fand er zwar die erwünschte Aufmerksamkeit. Allerdings fehlen prominente Fürsprecher in der eigenen Partei als auch bei SPD oder Grünen.

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Wie tief der Frust des 74-Jährigen über den mangelnden Zuspruch ist, wurde klar, als er gemeinsam mit Wagenknecht beim Neujahrsempfang der saarländischen Linksfraktion auftrat. Dort sagte er, sein Aufruf für eine linke Sammlungsbewegung sei eine Reaktion sowohl auf den Einzug der AfD mit Rassisten und Nazis in "beachtlicher Fraktionsstärke" in den Bundestag als auch auf die Schwäche der SPD. "Und da kann ich mit Sahra nur sagen: Was ist denn das für ein Geschwätz, in der eigenen Partei, aber auch in der Öffentlichkeit, hier sei von Spaltung die Rede. Wer den Unterschied zwischen Sammeln und Spalten nicht kennt, der ist schlicht und einfach ein Trottel." Was die Linkspartei angehe, dies sei tatsächlich eine Sammlungsbewegung gewesen.

In Anspielung auf seinen Konflikt mit den seit 2012 amtierenden Parteichefs Kipping und Riexinger fügte Lafontaine hinzu: "Aber nicht von denen ins Werk gesetzt, die jetzt die Klappe groß aufreißen in der eigenen Partei, sondern von einem ehemaligen SPD-Vorsitzenden. (...) Mir soll man doch nichts erzählen, wie es geht, wenn man etwas Neues auf den Weg bringen will."

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