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Rotlicht im Zwielicht. Die Bundesländer sind in ihrer Haltung zum geplanten Prostitutionsgesetz der Bundesregierung gespalten.

© Arne Dedert/dpa

Update

Sexarbeit: Länder-Kritik an neuem Prostitutionsgesetz

Hilfe für Sexarbeiterinnen oder ein faktisches Verbot ihrer Arbeit? Die Länder sind gespalten in ihrer Haltung zum geplanten Prostitutionsgesetz der Bundesregierung.

Die Bundesländer sind unabhängig von der politischen Farbe ihrer Regierungen tief gespalten in der Haltung zum geplanten Prostitutionsgesetz. In einer Umfrage des Tagesspiegels äußerten sich sieben Länder klar gegen den Gesetzentwurf aus Berlin, fünf ebenso deutlich dafür. Berlin, Bayern und Hamburg wollten sich wegen noch laufender Abstimmungen nicht äußern.

Alle wollen mehr Auflagen für Bordelle

Der Entwurf aus dem Haus von Frauenministerin Manuela Schwesig (SPD) soll das seit 2001 gültige Gesetz der rot-grünen Regierung Schröder ablösen, das erstmals in Deutschland die Sittenwidrigkeit von Prostitution aufhob, sie dem Gewerberecht zuordnete und den Lohn für Bezahl-Sex einklagbar machte. Das jetzt geplante "Gesetz zur Regulierung des Prostitutionsgewerbes sowie zum Schutz von in der Prostitution tätigen Personen" führt verpflichtende Besuche bei Amtsärzten wieder ein, macht die Ausübung des Gewerbes von der Anmeldung bei den Behörden abhängig, verhängt eine Kondompflicht und knüpft die Genehmigung von Bordellen daran, dass deren Betreiberinnen keine einschlägigen Vorstrafen haben und ein akzeptables Konzept vorlegen können. Dieser letzte Punkt wird von allen Ländern begrüßt, sowohl von denen, die das Gesetz grundsätzlich ablehnen als auch denen, die es unterstützen.

Grün-rotes Baden-Württemberg will Prostitution verbieten

Unter den Ja-Ländern sind auch das rot-grün regierte Niedersachsen und Baden-Württemberg, wo die einzige von den Grünen geführte Landesregierung mit der SPD als Juniorpartnerin regiert. Niedersachsens Sozial- und Frauenministerin Cornelia Rundt (SPD) begrüßt sogar die heftig umstrittene Anmeldepflicht für Sexworker: Dadurch werde "behördlicherseits ein niedrigschwelliger Zugang zu Prostituierten ermöglicht" und "die Chance für eine Vertrauensbildung zwischen dem Milieu und den Behörden" eröffnet. Rundts baden-württembergische Parteifreundin und Amtskollegin Katrin Altpeter begrüßt den Entwurf zwar, er ist ihr allerdings nicht restriktiv genug. Altpeter spricht sich für das schwedische Modell aus. In Schweden ist Sexkauf seit 1999 generell verboten, bestraft werden die Kunden, wenn sie ertappt werden.

Rheinland-Pfalz: Gesetz ist repressiv und entmündigend

Genau dieser Zustand wäre nach Ansicht der rot-grünen Landesregierung in Mainz faktisch erreicht, wenn das Gesetz aus dem Hause Schwesig in Kraft träte. "De facto bedeutet die Einführung einer für alle Prostituierten geltenden Anmeldepflicht mit verpflichtenden Informations- bzw. gesundheitlichen Beratungen in kurzen Zeitabständen und der Möglichkeit,  Anmeldungen zu verweigern, dass hier ein Genehmigungsverfahren zur Prostitutionsausübung geschaffen wird“, sagte die rheinland-pfälzische Frauenministerin Irene Alt (Grüne) dem Tagesspiegel. Die Regelungen im Gesetz, die sich auf Prostituierte beziehen, "lehne ich ab, da sie repressiv und entmündigend sind". Alt kritisiert zudem ebenso wie Thüringen die Kosten, die das Gesetz für die Länder mit sich bringt, weil das öffentliche Gesundheitssystem die Kontrolle und Beratung der Sexarbeiterinnen übernehmen müsste. Die Regierung selbst setzt die Kosten mit 17 Millionen Euro jährlich an.

Der Staat bestimmt, wer Prostituierte ist

Die schärfste Kritik am Gesetz kommt von den beiden sozialdemokratisch geführten Landesregierungen in Bremen und Nordrhein-Westfalen. Wie die Düsseldorfer Ministerin Barbara Steffens (Grüne), die ihre Haltung zum Gesetzentwurf als einzige Länderministerin bereits im August öffentlich machte, hält auch Bremens Sozialsenatorin Anja Stahmann (Grüne) es für nicht akzeptabel, dass der Staat sich mit dem Gesetz das Recht nimmt, Frauen und Männer als Prostituierte zu etikettieren.

Dies geschehe durch den Zwang zur frühzeitigen Anmeldung, auch dann, wenn sie noch gar nicht wüssten, ob sie im Gewerbe arbeiten wollten, und dadurch, dass auch geldwerte Vorteile bereits als Lohn angesehen würden. Steffens sprach im August in diesem Zusammenhang von einem "uferlosen" Prostitutionsbegriff und kritisierte den nötigen Verwaltungsaufwand als "Prostitutionsbürokratie". Erst am Montag hatte ein Bündnis von Frauenorganisationen, Sexwork-Hilfsstellen und der Diakonie den Gesetzentwurf scharf abgelehnt.

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