
© AFP / Tobias SCHWARZ
Unions-Krise: Asylkrise in der Union pausiert bis nach dem EU-Gipfel
Im Streit über die Asylpolitik stand der Bruch der Union im Raum. Jetzt haben sich CDU und CSU auf ein Vorgehen geeinigt, der Konflikt ist vertagt. Der Tag im Newsblog.
- Jakob Schulz
- Max Kuball
- Claudia Kleine
- Johannes Laubmeier
- Ruth Ciesinger
- Matthias Meisner
Stand:
- Angela Merkel erklärt, erst nach dem EU-Gipfel über das Thema wieder unionsintern zu verhandeln.
- Jetzt will die Kanzlerin mit den europäischen Partnern eine Lösung suchen.
- Lesen Sie hier einen Überblick über die Strategien der Lager und einen Leitartikel, warum Merkel die Vertrauensfrage stellen sollte.
Deutschland und Italien wollen in der Flüchtlingskrise eng zusammenarbeiten. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte bei einer Pressebegegnung mit dem italienischen Ministerpräsidenten Giuseppe Conte in Berlin, Italien sei eines der Länder, das "sehr viele Flüchtlinge als Ankunftsland aufnimmt". Gemeinsam sollten Fragen beantwortet werden, wie eine stabile Regierung in Libyen erreicht oder wie die dortige Küstenwache besser ausgebildet werden könne. Viele Flüchtlinge, die über das Mittelmeer in die EU gelangen wollen, stranden in dem Bürgerkriegsland Libyen, in dem Italien einst die Kolonialmacht war.
Es müsse dafür Sorge getragen werden, wie die Flüchtlinge in Libyen besser untergebracht und ob dort "gegebenenfalls auch schon asylrechtliche Verfahren durchgeführt" werden könnten, sagte Merkel. In diesen Fragen wollten Deutschland und Italien "sehr eng zusammenarbeiten". Merkel fügte hinzu: "Wir wollen den Wunsch Italiens nach Solidarität unterstützen."
Conte begrüßte die Worte Merkels zur Solidarität mit Italien. Er forderte eine Neufassung des Dublin-Verfahrens, wonach ein Flüchtling grundsätzlich dort Asyl beantragen muss, wo er zuerst den Boden der EU betreten hat. Für viele der Ankömmlinge sind das die südlichen Länder mit EU-Außengrenzen, insbesondere Italien und Griechenland. Nötig sei ein solidarischeres System, sagte Conte. Er betonte, Italien schätze die finanzielle Hilfe Deutschlands bei den Versuchen zur Stabilisierung Libyens.
Nach ihrem gemeinsamen Auftritt vor der Presse folgte ein gemeinsames Abendessen, bei dem die bilateralen Beziehungen sowie europapolitische und internationale Themen besprochen werden sollten. (AFP)
Merkel wirbt für bilaterale Zusammenarbeit, Conte für "europäische Lösungen"
Vor ihrem Treffen mit dem italienischen Ministerpräsidenten Giuseppe Conte im Kanzleramt erklärt Kanzlerin Angela Merkel (CDU) bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Blick auf eine mögliche Verstärkung der bilateralen Zusammenarbeit beider Länder in der Flüchtlingspolitik: „Wir wollen den Wunsch Italiens nach Solidarität unterstützen und hoffen, dass auch Deutschland auf Verständnis trifft, wenn es um Solidarität in Europa in den Fragen der Migration geht.“
Wie Merkel sprach sich Conte für einen wirksameren Schutz der EU-Außengrenzen aus. Er mahnte allerdings „europäische Lösungen“ an und warnte davor, dass bilaterale oder zwischenstaatliche Vereinbarungen „zum Ende von Schengen“ führen könnten. Das Schengen-Abkommen sieht im Prinzip einen Grenzverkehr ohne Kontrollen zwischen den beteiligten Staaten vor, zu denen auch Deutschland und Italien gehören. Albrecht Meier
In der Asyl-Affäre im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) will Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) die bisher befristeten Stellen in der Behörde offenbar entfristen. Das habe der Minister am Montag in einer Vorstandssitzung seiner Partei angekündigt, berichtet die „Frankfurter Rundschau“ unter Berufung auf Teilnehmerkreise. Es gehe um 3.000 Stellen, die Pläne seien mit Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) abgestimmt. Zudem solle die Beratung der Behörde durch McKinsey beendet werden.
Ebenso wolle Seehofer das BAMF künftig nicht mehr vom Kanzleramt kontrollieren lassen, berichtet das RedaktionsNetzwerk Deutschland aus CSU-Kreisen. Demnach werde er am Mittwoch dem Kabinett vorschlagen, die Entscheidungen der Behörde nur noch durch das Bundesinnenministerium überprüfen zu lassen, hieß es. Im Herbst 2015 hatte Amtsvorgänger Thomas de Maiziere (CDU) einen
Trotz des erbitterten Asylstreits mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) nimmt ihr Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) die zähen Verhandlungen nicht persönlich übel. Merkel sei ihm weiterhin sympathisch, und sie habe sicher auch ihre Überzeugung, für die sie sich einsetze, sagte Seehofer in der BR-Sendung „Münchner Runde extra“. Der jüngst in den Medien kolportierte Satz, er könne mit Merkel nicht mehr zusammenarbeiten, sei eine von vielen Falschmeldungen der vergangenen Tage, auf die zu reagieren er sich aber abgewöhnt habe.
Seehofer betonte, er und Merkel hätten in den vergangenen Monaten viel zusammengearbeitet, sei es bei der Bundestagswahl oder den anschließenden Sondierungsverhandlungen in Berlin. „Das haben wir gut durchgesteuert“, vieles aus der Vergangenheit sei dabei auch vergessen worden. Generell sei er auch kein nachtragender Mensch, betonte Seehofer. „Die Windschutzscheibe ist größer als der Rückspiegel.“(dpa)
Bundesinnenminister Horst Seehofer ist gegen finanzielle Anreize für europäische Nachbarstaaten zur Beschleunigung bilateraler Abkommen in der Asylpolitik. „Ich würde das immer für falsch halten“, sagte Seehofer in der Sondersendung „Münchner Runde“ des Bayerischen Rundfunks. Seine Partei sei der Überzeugung, dass die Einhaltung des Rechts nicht mit Geldzahlungen durchgesetzt werden dürfe. „Das wäre falsch.“ Ungeachtet seiner Ablehnung habe Kanzlerin Angela Merkel (CDU) natürlich immer ein entsprechendes Verhandlungsmandat.
Stattdessen müsse, so Seehofer, Geld für Afrika ausgegeben werden, um dort die Fluchtursachen zu bekämpfen. Ziel müsse es sein, dass die jungen Menschen in ihrer Heimat bleiben und diese wieder mit aufbauen könnten. „Dafür Geld aufwenden macht Sinn.“ (dpa)
Ein Rückzieher im Asylstreit mit der CDU würde die CSU nach Ansicht ihres Vorsitzenden Horst Seehofer langfristig gefährden. Die CSU müsse für ihre Überzeugungen kämpfen und könne es sich nicht erlauben, ihre Forderung nach Zurückweisung von Flüchtlingen an der deutschen Grenze ohne entsprechende europäische Einigungen einfach aufgeben, sagte der Bundesinnenminister in der Sondersendung „Münchner Runde“ des Bayerischen Rundfunks. „Das wäre ein Glaubwürdigkeitsverlust, von dem sich die CSU wohl auf Jahre nicht erholen würde.“
Darüber hinaus würde auch die Union insgesamt ebenso wie der Rechtsstaat darunter leiden, sollte er als Innenminister wegen der Behinderung durch die Kanzlerin nicht das umsetzen können, was er ankündige. „Es geht also hier um die Glaubwürdigkeit politisch, aber es geht auch um die Funktionsfähigkeit unseres Rechtsstaates. Recht und Ordnung müssen in diesem Land wiederhergestellt werden, und das ist meine erste Aufgabe“, betonte Seehofer. Über einen möglichen Rücktritt mache er sich derzeit keine Gedanken. Frühestens Anfang Juli würden sich möglicherweise entsprechende Fragen stellen, sagte Seehofer. Bis dahin empfehle er, „gelassen bleiben, nüchtern im Blick auf das Notwendige, und man sollte immer Schritt für Schritt vorgehen“. (dpa)
SPD fordert Koalitionsausschuss noch vor EU-Gipfel
Die SPD fordert im Streit um die Flüchtlingspolitik von der Union die Einberufung des Koalitionsausschusses noch vor dem EU-Gipfel in knapp zwei Wochen. Das teilte SPD-Chefin Andrea Nahles am Montag in Berlin mit. Weiter sagte Nahles, die SPD wolle beschleunigte Asylverfahren für Flüchtlinge, die bereits in anderen EU-Ländern registriert wurden.
Brandenburgs CDU-Chef Senftleben äußert sich

Nach der Sitzung des CDU-Bundesvorstands hat sich auch der Brandenburger CDU-Landeschef Ingo Senftleben geäußert. Dem Tagesspiegel sagte er am Nachmittag:
"Wir setzen bei der Migrationspolitik weiter auf eine gemeinsame Lösung in Europa. Bei dieser Aufgabe unterstützen wir Bundeskanzlerin Angela Merkel ausdrücklich. Denn Deutschland geht es nur dann gut, wenn es auch unseren Partnern in Europa gut geht. Deshalb brauchen wir eine faire Lastenverteilung in Europa.
Um den Menschen zu helfen, die unsere Hilfe benötigen, müssen wir zudem auf die Einhaltung von Regeln bestehen. Die Entscheidung von Innenminister Horst Seehofer (CSU) ab sofort alle Menschen zurückzuweisen, die eine Einreisesperre haben, ist deshalb konsequent und richtig."
Merkel versus Seehofer: Die Pressekonferenzen zusammengefasst
Jetzt will sogar Donald Trump im Unionsstreit mitmischen
Merkel zieht die Kanzlerinnenkarte
Angela Merkel wird in Bezug auf Seehofer deutlich: Ziemlich unverblümt warnt sie ihren Innenminister am Ende der Pressekonferenz. Es sei eine "Frage der Richtlinienkompetenz", in anderen Staaten registrierte Flüchtlinge zurückzuweisen, sagt sie. Eine klare rote Linie.
Seehofer: Bamf soll keinen neuen Namen bekommen
"Im Grunde ist es ein Skandal"
Immer wieder drückt Seehofer seine Erschütterung über die bisherige Durchsetzung von Bestimmungen aus. „Im Grunde ist das ein Skandal“, sagte er. Das könne man niemandem erklären.
Man könnte das auch als Kritik an seinem Vorgänger im Amt des Innenministers, dem CDU-Politiker Thomas de Maizière verstehen.
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