
© AFP/ Tobias Schwarz
Newsblog zur Regierungskrise: Bericht: Seehofer droht erneut mit nationalem Alleingang
Streit der Union beendet, Verständigung mit der SPD erreicht: Die große Koalition hat ein gemeinsames Asylpaket geschnürt. Horst Seehofer behauptete zunächst, zufrieden zu sein. Die Ereignisse im Newsblog.
Stand:
- CDU und CSU einigen sich auf einen Kompromiss bei der Asylpolitik, Horst Seehofer bleibt Innenminister.
- CDU, CSU und die SPD haben sich im Koalitionsausschuss geeinigt. Nun ist von "Transitverfahren" die Rede.
- Kanzlerin Merkel und Ungarns Regierungschef tauschten ihre unterschiedlichen Meinungen aus.
- Der deutsche Innenminister holte sich bei Österreichs Kanzler Sebastian Kurz eine Abfuhr.
„Sie sehen einen zufriedenen Innenminister“, sagte Seehofer nach der Einigung – nicht, ohne schon am Freitag einen nationalen Alleingang wieder in den Raum zu stellen. Doch was haben Union und SPD im „Paket zur Neuordnung der Asylpolitik“ tatsächlich vereinbart – und wer hat sich durchgesetzt?
Robert Habeck fordert Seehofer zum Rücktritt auf
Grünen-Vorsitzender Robert Habeck hat Innenminister Horst Seehofer einen Tag nach der Einigung im Asylstreit zum Rücktritt aufgefordert. "Er hat Rachegefühle zum Motiv seines innenpolitischen Handelns gemacht", sagte Habeck der "taz". "Indem er die Stabilität Deutschlands und Europas seiner persönlichen Fehde unterworfen hat, hat er sich als Minister disqualifiziert", so Habeck weiter. "Horst Seehofer müsste vom Amt des Innenministers zurücktreten."
AfD gehen Beschlüsse der Regierung nicht weit genug
Linken-Chef: CSU hat destruktives Potential einer Bombe
Linken-Chef Bernd Riexinger sieht in den Vereinbarungen der großen Koalition "eine Scheinlösung für ein Scheinproblem". Die Bilanz des "unwürdigen Theaters ist verheerend", sagte er am Freitag der Nachrichtenagentur AFP.
"Würde die Regierungskoalition mit demselben Feuereifer die Nächte durchmachen, um Lösungen gegen den Pflegenotstand, Wohnungsmangel und Altersarmut zu entwickeln, hätte sie meinen vollen Respekt", fügte Riexinger hinzu. "So aber hat die CSU bewiesen, dass sie das destruktive Potenzial einer schmutzigen Bombe hat." (AFP)
Seehofer droht erneut mit nationalem Alleingang bei Asylpolitik |
Österreich beharrt auf Verzicht von Zurückweisungen
Als Reaktion auf die deutsche Asyl-Einigung zeigt sich Österreich weiterhin kompromisslos in der Frage der Zurückweisung von bestimmten Flüchtlingen. Er vertraue auf die Zusicherung von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU), dass Deutschland keine Flüchtlinge an die Alpenrepublik zurückweisen werde, für die sein Land nicht zuständig sei, betonte Österreichs Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) am Freitag. „Darüber hinaus gilt festzuhalten, dass wir ohnehin nicht bereit gewesen wären, Verträge zulasten unseres Landes abzuschließen.“
In dem am Donnerstagabend von den deutschen Regierungsparteien beschlossenen Papier ist weiter die Rede davon, dass Deutschland Asylbewerber, für die andere EU-Staaten zuständig sind, an Österreich auf Basis einer bilateralen Vereinbarung zurückweisen werde. (dpa)
SPD stellt Seehofer als Innenminister infrage
Nach der Einigung der großen Koalition in der Asylpolitik stellt die SPD Horst Seehofer (CSU) als Bundesinnenminister infrage. "Das Theater, das Seehofer und Söder in den vergangenen Wochen aufgeführt haben, ist unwürdig für Deutschland", erklärte SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil am Freitag. "Seehofer muss sich die Frage gefallen lassen, ob er noch die Kraft und Autorität hat, um jetzt erfolgreich internationale Abkommen zu verhandeln."
Seehofer war im Streit um die Asylpolitik und Zurückweisungen an der Grenze auf Konfrontationskurs zu Kanzlerin Angela Merkel (CDU) gegangen. Im Zuge der Auseinandersetzung bot er der CSU seinen Rücktritt als Parteichef sowie als Bundesinnenminister an. Davon nahm Seehofer nach einer Verständigung mit Merkel jedoch wieder Abstand. (AFP)
SPD-Linke: Der "greise Löwe" brüllt nicht mehr
Die SPD-Linke hat den zwischen Union und SPD vereinbarten Kompromiss zur Neuordnung der Asyl- und Einwanderungspolitik als vernünftiges Paket begrüßt. Statt einseitiger Zurückweisungen an der Grenze werde nun an einer europäischen Lösung gearbeitet, sagte der Sprecher der Parteilinken, Matthias Miersch, am Freitag der Deutschen Presse-Agentur in Berlin.
„Und statt geschlossener Lager werden die Rechte der Asylbewerber gewahrt.“ Mit einem Einwanderungsgesetz würden zudem noch in diesem Jahr legale Möglichkeiten zur Einwanderung von Fachkräften geschaffen. Wie auch andere SPD-Politiker sah Miersch ein Scheitern von CSU-Chef und Innenminister Horst Seehofer auf ganzer Linie, da er sich mit seinen ursprünglichen Plänen nicht durchsetzen konnte. „Der greise bayerische Löwe brüllte ein letztes Mal und verkroch sich dann in seiner Höhle“, meinte Miersch.
Nun ist geplant, dass Migranten, die an der deutsch-österreichischen Grenze aufgegriffen werden und schon in einem anderen EU-Staat einen Asylantrag gestellt haben, für maximal 48 Stunden in einer Einrichtung der Bundespolizei kommen, und dann vom Flughafen München in den betreffenden EU-Staat geflogen werden. Voraussetzung ist, dass es entsprechende Abkommen mit den betreffenden Staaten gibt. Dies ist gerade mit Italien, von wo aus die meisten dieser Personen Richtung Deutschland weiterreisen, nicht in Sicht. Seehofer wollte ursprünglich weit mehr Personen direkt an der Grenze abweisen lassen. (dpa)
Pro Asyl: Zulassung zum Asylverfahren wird "Lotteriespiel"
Die Organisation Pro Asyl hat den Kompromiss der großen Koalition zum künftigen Umgang mit Flüchtlingen scharf kritisiert. „Es wird zum Lotteriespiel, welcher Verfolgter in Deutschland noch zu einem Asylverfahren zugelassen wird, indem die Fluchtgründe geprüft werden“, teilte der Geschäftsführer der Flüchtlingsorganisation, Günter Burkhardt, am Freitag in einer Mitteilung mit. „Die reichste Industrienation will systematisch die Verantwortung für die Einhaltung der Menschenrechte von Flüchtlingen den ärmeren Grenzstaaten, insbesondere Griechenland aufdrücken, die ökonomisch von Deutschland abhängig sind.“
Die Einigung von CDU/CSU und SPD vom Donnerstag sieht unter anderem vor, dass Migranten, die in einem anderen EU-Staat einen Asylantrag gestellt haben, an der Grenze zu Österreich zurückgewiesen werden. Die dazu nötigen Vereinbarungen mit anderen EU-Staaten müssen aber erst noch ausgehandelt werden, was vor allem im Falle Italiens schwierig werden dürfte. Die Bundespolizei soll bereits bestehende Einrichtungen an der Grenze für die Zurückweisungen nutzen.
Burkhardt monierte: „Die nationalen Egoismen dominieren und zerfressen die Wertebasis Europas, die Achtung der Menschenrechte.“ Es sei absehbar, dass Staaten wie Griechenland, das für die in Deutschland ankommenden Flüchtlinge der wichtigste Durchreisestaat sei, nicht in der Lage seien, die dort registrierten Asylsuchenden wieder aufzunehmen, ein faires Asylverfahren zu gewährleisten und die anerkannten Flüchtlinge zu integrieren. „Es drohen menschenunwürdige Zustände großen Ausmaßes“, hieß es in der Erklärung weiter. (dpa)
Stegner: Seehofer gescheitert mit "Krawallpolitik"
Der SPD-Vizevorsitzende Ralf Stegner sieht die Vereinbarung der großen Koalition zur Asylpolitik als Erfolg seiner Partei. Bundesinnenminister Horst Seehofer sei "vollständig gescheitert mit seiner Krawallpolitik", sagte Stegner am Freitag im ZDF-"Morgenmagazin". Den "politischen Amoklauf" des CSU-Vorsitzenden mit nationalen Alleingängen "all das wird es nicht geben".
Die von Union und SPD erzielte Vereinbarung sei auch kein "Kompromiss", fügte Stegner hinzu. "Wir machen auch nicht mit beim Schäbigkeitswettbewerb gegen die Flüchtlinge, den Rechtspopulisten in Europa veranstalten."
Seehofer hatte die Zurückweisung bestimmter Flüchtlinge an der deutschen Grenze gefordert und wollte dies im Zweifelsfall auch im nationalen Alleingang durchsetzen. Die Kanzlerin lehnte dies ab, was zu einem erbitterten Konflikt in der Union führte.
Nach der Beilegung des Unionsstreits zu Beginn der Woche erzielten CDU und CSU am Donnerstagabend auch mit der SPD eine Einigung. Kernpunkte sind beschleunigte Verfahren für in anderen Ländern registrierte Asylwerber an den Grenzen und in der Bundesrepublik.
Von Transitbereichen aus sollen die Flüchtlinge in den Erstaufnahmestaat zurückgebracht werden. Für die Rückführung der Asylbewerber in das Land ihrer Registrierung sind allerdings noch bilaterale Vereinbarungen mit den betroffenen Ländern erforderlich.
"Ich glaube nicht, dass es zu solchen Abkommen kommt", sagte Stegner. Nötig sei eine humanitäre Flüchtlingspolitik mit klaren Regeln und schnellen Verfahren. "Da muss sich Herr Seehofer mal drum kümmern." (AFP)
Kramp-Karrenbauer hebt europäischen Ansatz der Asyleinigung hervor
CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer hat den europäischen Ansatz der Asyleinigung von Union und SPD hervorgehoben. „Damit versammelt sich die gesamte Regierungskoalition hinter dem Ziel, Migration zu ordnen, zu steuern und zu begrenzen. Dabei werden wir mit unseren europäischen Partnern eng zusammenarbeiten, also nicht unilateral, unabgestimmt und zu Lasten Dritter handeln“, sagte sie in der Nacht zu Freitag in Berlin. „Diese Verständigung macht es möglich, dass Migrationspolitik wirksam ist, dass sie menschlich bleibt und dass sie gemeinsam gelingen kann.“ (dpa)SPD beansprucht für sich Erfolg im Koalitionsausschuss
"Die SPD hat sich im Koalitionsausschuss durchgesetzt", beanspruchen die Sozialdemokraten für sich in einer Reuters vorliegenden internen Sprachregelung für die eigenen Reihen. Es werde keine geschlossenen Lager und keine einseitigen Zurückweisungen an der Grenze geben. "In diesem Rahmen kann der Bundesinnenminister nun in die Verhandlungen mit anderen europäischen Staaten für bilaterale Abkommen eintreten." (Reuters)- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: