
© Kay Nietfeld/dpa
Erdogan-Demonstration in Köln: Volker Beck ruft zum Streit mit Erdogan-Anhängern auf
Bis zu 40.000 türkischstämmige Demonstranten kamen am Sonntag zur Erdogan-Kundgebung in Köln. Nach einer Schweigeminute wurde auch der Ruf nach der Todesstrafe laut. Unser Nachrichtenblog zum Nachlesen.
Stand:
- In Köln kamen am Sonntagnachmittag nach Polizei-Schätzung 30.000 bis 40.000 Anhänger des türkischen Präsidenten zu einer Großkundgebung zusammen.
- Die Stimmung war nach dem gescheiterten Putschversuch und den "Säuberungen" in der Türkei angespannt, teils auch aggressiv. Doch alles blieb friedlich.
- Ein Demonstrationszug von Rechten durch die Kölner Innenstadt wurde abgesagt, die Versammlung von der Polizei aufgelöst.
- Das Bundesverfassungsgericht lehnte am Samstagabend eine Liveschaltung türkischer Politiker per Video ab.
Hier können Sie die Ereignisse des Tages nachlesen:
Beck ruft zum Streit mit Erdogan-Anhängern auf
Der migrationspolitische Sprecher der Grünen, Volker Beck, hat zur Auseinandersetzung mit Unterstützern des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan in Deutschland aufgerufen. "Das ist ein Konflikt zwischen jenen, die Rechtsstaatlichkeit, Freiheit und Demokratie unterstützen. Und jenen, die dagegen sind. Das sind unsere Feinde", sagte Beck der "Huffington Post". Dort, nicht zwischen Türken und Deutschen, verlaufe die Konfliktlinie. Von den Pro-Erdogan-Demonstrierenden fordere er ein klares Bekenntnis zur Demokratie. Glaubwürdig sei dies aber nur, wenn es "ein Nein zu Erdogans Repressalien gegen Opposition, freie Presse und unabhängige Justiz enthält".
"Es hilft nichts, sich zurückzuziehen und zu hoffen, dass schon von selbst alles gut wird", sagte Beck. Auch Ausgrenzung oder Ignoranz helfe nicht. Man müssen diesen Menschen vielmehr klarmachen, dass die hiesigen Grundwerte Bestand hätten. "Wir müssen mit denen streiten, die das anders sehen, egal ob ihre Großeltern nun aus Dresden oder Diyarbakir, aus Köln oder Bodrum stammen." Die Einwanderungsgesellschaft müsse erwachsen werden. "Wir, Alteingesessene und Eingewanderte gemeinsam, müssen lernen, uns zu streiten. Dass türkischstämmige Menschen eine ganz unterschiedliche Sichtweise haben, das wurde schon bei der Diskussion um die Armenien-Resolution für jeden erfahrbar."
Beck sagte weiter, Erdogans Partei AKP und die deutsche AfD hätten erstaunlich viel gemeinsam. "Sie verteufeln die freien Medien, diskreditieren Minderheiten und haben ein rückständiges Gesellschaftsbild." (rtr)
Frauen, Kinder und Faschisten
"Die Türkei kennt Deniz nur aus Urlauben, den Erzählungen seiner Eltern und dem Fernsehen. Er spricht besser Deutsch als Türkisch. Und trotzdem sagt er: Mein Präsident ist Erdogan. Meine Heimat ist die Türkei. Meine Feinde sind – da muss er etwas ausholen – die Zionisten, die Kommunisten, 'die Parallelorganisation'." Unser Redakteur Hannes Heine war heute bei der Erdogan-Demo in Köln. Lesen Sie hier seine Reportage.
Die Erdogan-Demo zementiert das Freund-Feind-Denken
"Der Raum für Grautöne und Differenzierungen wird von Tag zu Tag kleiner – und damit der Raum für Politik. Das ist erschreckend und gefährlich", schreibt unsere Redakteurin Claudia Keller über das Verhältnis von Deutschland und der Türkei. Und die Demo in Köln hat das nicht besser gemacht. Lesen Sie hier Ihren Kommentar.
Innenminister Jäger: Situation bisweilen hitzig
NRW-Innenminister Jäger begrüßte den weitgehend friedlichen Verlauf der Kundgebung von Erdogan-Anhängern. „Denn es wäre nicht hinnehmbar, wenn die innenpolitischen Konflikte und Verwerfungen in der Türkei sich in Gewalt auf unseren Straßen entladen“. Die Situation sei bisweilen emotional und hitzig gewesen. Die Einsatzkräfte hätten jedoch mit großer Umsicht und Professionalität gehandelt.
Auch Kölns Oberbürgermeisterin Reker dankte für den Polizeieinsatz. Dieser Tag sei jedoch auch eine große Belastung für viele Bürger und Einsatzkräfte gewesen. Deshalb sei „eine breite Diskussion über dieses Thema“ nötig. (epd)

Polizei zählt bis zu 40.000 Demonstranten
Der Kölner Polizeipräsident Jürgen Mathies hat sich nach dem Ende der Pro-Erdogan-Demonstration zufrieden gezeigt. „Der gesamte Einsatz ist positiv verlaufen. Wir haben die Versammlung so durchführen können, wie vorgesehen“, sagte Mathies am Sonntagabend in Köln in einer ersten Bilanz. Die 30 000 bis 40 000 Teilnehmer hätten friedlich demonstriert.
Dagegen habe bei der Gegendemonstration von Rechtsradikalen eine so aggressive Stimmung geherrscht, dass diese aufgelöst werden musste. Ein Großteil der rund 300 Teilnehmer sei alkoholisiert gewesen, zudem habe die Polizei auch Quarzsand-Handschuhe sichergestellt. Die anderen drei Gegendemonstrationen seien vollkommen problemlos verlaufen, sagte Mathies. Insgesamt waren in Köln 2700 Beamte im Einsatz, die Polizei hatte auch Wasserwerfer bereitgestellt. (dpa)
Kilic beklagt sich über deutsche und europäische Politik
Eins müssen wir zur Kundgebung an der Deutzer Werft noch nachtragen. Zum Abschluss trat der türkische Sportminister Akif Cagatay Kilic auf.
Er kritisierte, dass Erdogan nicht via Leinwand zugeschaltet werden durfte. Man sei mit mehreren Ministerien in Deutschland im Gespräch und erwarte eine "vernünftige Erklärung, warum das verweigert wurde", sagte Kilic. Der Minister betonte, es sei wichtig, "dass wir zusammenhalten (...) und dass wir unsere Einheit nach außen zeigen".
Wie Deutschland kämpfe auch die Türkei für Demokratie und gegen Terror. Es sei traurig, dass behauptet werde, dass die Türkei nicht die Menschenrechte und den Rechtsstaat wahre. Die deutschen Medien hätten Vorurteile. Der deutschen Politik warf Kilic vor, die Türkei werde ungleich behandelt gegenüber anderen Nationen, da es nicht die doppelte Staatsbürgerschaft gebe. Tatsächlich können aber Kinder türkischer Eltern, die in Deutschland geboren wurden und dort aufwachsen, seit Juli 2014 beide Staatsangehörigkeiten zugleich besitzen und und müssen sich nicht mehr zwischen beiden entscheiden.
In Richtung "europäische Führungspersönlichkeiten" sagte der Politiker, man habe den EU-Beitritt verlangsamt und verhindert: "Das geht so nicht." Kilic warb um ein gutes Verhältnis von Deutschen und Türken hierzulande und rief den Demo-Teilnehmern zu: "Seid gut zu euren deutschen Nachbarn, bedrängt sie nicht." (mit dpa)
Knast? Geht auch ohne Klage
Alle haben sich heute zu Erdogan geäußert. Da will unser Karikaturist Klaus Stuttmann nicht nachstehen. Mehr seiner Zeichnungen gibt's übrigens hier.

Inzwischen auch Erdogan-Kundgebung zu Ende
Womöglich deutlich mehr als 20.000 Türken in Köln
Auch kritische Beobachter hatten den Aufmarsch an der Deutzer Werft von Anfang an auf mehr als 10.000 Teilnehmer geschätzt. "Mich ärgert es, aber man wird wohl einräumen müssen, das waren auch mehr als 30.000", sagt ein Polizist vor Ort. Inzwischen macht eine weitere Zahl die Runde: 40.000 Teilnehmer sollen es auf dem Höhepunkt gewesen sein.
Weil es sich die Masse am Rheinufer staute, klagten Teilnehmer über Schwindel, Erschöpfung und Atemnot. Türkische Nationalisten wurden daraufhin in den Rettungswagen behandelt.
Am Heumarkt sollen 80 rechtsnationale Türken und 100 linke Kurden aufeinander losgegangen sein. Die Polizei konnte wohl beide Lager trennen. Türken zündeten demnach Rauchbomben.
Bis auf Erdogan-Kundgebung alle Versammlungen beendet
Sämtliche Gegenkundgebungen in Köln sind inzwischen beendet, wie die Polizei mitteilt. Damit läuft nur noch die Erdogan-Demo an der Deutzer Werft.
Zum Protest gegen Erdogan hatten unter anderem in Deutschland lebende linksgerichtete Türken aufgerufen. Nach Angaben eines Polizeisprechers gab es am Nachmittag eine Provokation zwischen linken Türken und Erdogan-Anhängern. Im Vorfeld der insgesamt fünf Demonstrationen am Sonntag hatte Kölns Polizeipräsident Jürgen Mathies betont, die Polizei werde „gegen jede Form von Gewalt frühzeitig und rigoros einschreiten.“ An den Brennpunkten der Demonstrationen standen auch acht Wasserwerfer sowie Räumpanzer bereit.
Außerdem folgten in Köln rund 600 Menschen dem Aufruf des Bündnisses „Köln gegen Rechts“ gegen Nationalismus und Rassismus. Redner betonten, „Nationalismus, Hetze und Hass dürfen in NRW und in der Türkei keinen Platz haben.“ An einer Kundgebung des Bündnisses „ErdoWahn Stoppen - Für Demokratie und Menschenrechte in der Türkei“, zu der Grüne Jugend, Jungsozialisten, Junge Liberale und Linksjugend aufgerufen hatten, kamen nach Angaben der Polizei etwa 1.200 Teilnehmer.
Zeitgleich fand eine Standkundgebung der rechtsextremen Partei Pro NRW statt mit 250 Personen. Die Neonazis hatten ursprünglich über die Deutzer-Rheinbrücke ziehen wollen, also in Sichtweite der Erdogan-Kundgebung. Sie verzichteten aber nach Gesprächen mit der Polizei darauf. Außerdem hatten Beamte bei einigen der rechten Demonstranten Waffen sichergestellt. (mit epd)
Aktivist Lejeune wirft Medien und Politik "Hetze" vor
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