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Macht Israel die „Drecksarbeit“?: Bundeskanzler Merz hat recht
Bundeskanzler Friedrich Merz hat Israel für dessen Einsatz gegen das iranische Regime gelobt. Das verstört einige – ist aber genau richtig.

Stand:
Es ist eine interessante Wandlung im Narrativ des Bundeskanzlers. Eine Veränderung, die etwas gedauert hat – aber etwas aussagt darüber, wie wir auf Israel und den Nahen Osten schauen.
Merz warnt jetzt nicht mehr in erster Linie vor einer Eskalation und mahnt zur Zurückhaltung, sondern er zollt Israel Respekt und sagt, dass das Land „die Drecksarbeit für uns“ mache.
Sehr unverblümte, undiplomatische Worte für einen Kanzler, zumal einen deutschen. Aber es sind die richtigen Worte. Natürlich ist jeder Zivilist, der in einem Krieg verletzt wird oder zu Tode kommt, einer zu viel. Richtig ist auch, dass das bloße Wegbomben autokratischer und diktatorischer Herrscher selten zu neuer Stabilität führt.
Und dennoch: Israel geht mit voller Härte gegen ein Regime vor, das von Europa, auch den USA und anderen demokratischen Staaten viel zu lange nicht ernsthaft infrage gestellt wurde.
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Ja, immer wieder wurde auch hierzulande auf die Menschenrechtssituation hingewiesen, es wurden Iranerinnen und Iraner für ihren Einsatz gegen das Regime ausgezeichnet und geehrt. Doch glaubte man, das Mullah-Regime durch Diplomatie und abwägendes Verhalten verändern zu können.
Passiert ist nicht viel. Die Bedrohungslage für Israel hat sich nicht verbessert, die immer wieder geäußerte Drohung, das Land auszulöschen, gehört seit Jahren zu den Plänen der Mullahs. Unablässig hat das Regime in Teheran daran gearbeitet, Atomwaffen produzieren zu können. Außerdem hat es die Terrororganisationen Hamas und die Hisbollah in ihrem Kampf gegen Israel unterstützt.
Jetzt hat Israel die Initiative ergriffen und kann vielleicht eine historische Veränderung in der ganzen Region bewirken. Dafür muss es die iranischen Streitkräfte, die Atomanlagen und die Befehlsführung ausschalten. Vielleicht muss Israel sogar noch weiter gehen und die politische Führung direkt attackieren.
Das klingt unglaublich brutal. Und ja, es wäre wünschenswert, wenn all das nicht notwendig wäre. Wenn die Zivilbevölkerung im Iran keine Schäden, keine Verletzten und Toten fürchten müsste, um endlich von der Unterdrückung des Mullah-Regimes befreit zu werden.
Netanjahu setzt alles auf eine Karte
Die Regierung in Jerusalem geht also ein sehr hohes Risiko ein. Sie zahlt vielleicht auch einen enormen Preis dafür, dass es die womöglich größte Bedrohung der eigenen Existenz bekämpft. Höchstwahrscheinlich werden Gerichte die Frage aufwerfen, ob dieser Einsatz mit dem Völkerrecht vereinbar ist. Es gibt Zweifel.
Benjamin Netanjahu, der Premierminister, setzt offenbar alles auf eine Karte – im Wissen, dass er sich nicht nur politisch rechtfertigen, sondern nach seiner Amtszeit wohl auch juristisch verantworten muss. Das scheint ihm egal zu sein, eben weil er eine historische Chance sieht.
Israel muss das Risiko wagen, wenn es die eigene Sicherheit garantieren und die Chancen auf Stabilität und Frieden in der ganzen Region erhöhen will.
Tagesspiegel-Chefredakteur Christian Tretbar
Der ganzen Region und damit der ganzen Welt ist das zu wünschen, was viele Politiker fordern: Deeskalation, Mäßigung, Frieden. Und ja, genau das wäre so wichtig. Aber dieses friedliche Miteinander kommt nicht von allein.
Das Bombardement durch Israel wird auch nicht automatisch zu einem Regimewechsel führen. Das können die Iranerinnen und Iraner nur selbst erreichen. Die Angriffe bergen zugleich das Risiko, dass sich die Zivilbevölkerung trotz aller Kritik am Regime mit dem eigenen Land solidarisiert – dann, wenn die Zahl ziviler Opfer steigt.
All das ist richtig. Und dennoch: Israel muss das Risiko wagen, wenn es die eigene Sicherheit garantieren und die Chancen auf Stabilität und Frieden in der ganzen Region erhöhen will.
Eine Frage bleibt: Wie soll es weitergehen, wenn das Regime, unterstützt durch Israels Angriffe, wirklich fällt? In vielen Konflikten der Welt war das ein Problem.
Im Iran allerdings gibt es eine Oppositionsbewegung; das Land ist längst nicht so regional und kulturell zersplittert wie beispielsweise Afghanistan. Und es formiert sich schon einiges neu in der ganzen Region. Man darf also durchaus optimistisch sein, leise und mit aller Vorsicht, dass ein Regimewechsel im Iran viele positive Folgeeffekte haben könnte.
Der Weg dorthin ist weit, ein Erfolg nicht gewiss. Nur gut, dass die Bundesregierung erkennt: Worthülsen der Vergangenheit helfen nicht.
Denn was bleibt, ist – bei aller Sorge und bei allem Risiko – eine historische Chance. Da sollte besser niemand Israel reflexhaft kritisieren, dass es für diese Chance das macht, was Friedrich Merz als „Drecksarbeit“ bezeichnet.
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