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Friedrich Merz ist einer der drei Parteifreunde, die Wolfgang Schäuble am nächsten stehen.

© Michael Kappeler/dpa

Machtkampf in der CDU: Macht Merz Schäuble zum Kanzler?

Er hat sich entschieden. Der Rückkehrer Merz soll CDU-Chef werden. In ihm sieht Wolfgang Schäuble die größten Chancen. Vielleicht auch für sich selbst.

Historisches liegt in der Luft, mehr als nur der Abschied von der Vorsitzenden einer Partei. Immerhin war Angela Merkel das dann fast 19 Jahre, eine lange Zeit. Länger als erwartet – und für manche auch länger als erhofft. Sie wollte kein Intermezzo sein, sie sollte keines werden. Sie wurde mit der Zeit groß und größer, die mächtigste Frau der Welt, jetzt zum achten Mal dazu gewählt. Und wer weiß, womöglich wird ihr Barack Obama doch noch per Video auf dem CDU-Parteitag die Ehre erweisen. Die Idee gab es jedenfalls mal.

Dann werden dort alle sitzen, die Merkels Nachfolge antreten wollen – und der, der sie bestimmen will, Wolfgang Schäuble. Sage jetzt keiner, auch nicht er selbst, dass er das nicht will. Das wäre ja unwahr. Klarer als mit seinem Interview in der „Frankfurter Allgemeinen“ konnte er es doch nicht machen.

Darin ist jede seiner Antworten kristallin, wie mit dem Diamanten geschrieben, eingeritzt ins Personaltableau. Der große Alte der CDU hat sich entschieden, keine SMS hat ihn davon abhalten können, und sei sie noch so freundlich gewesen.

Wer weiß, was die Zukunft bringt?

Eine Überraschung ist es nicht, dass Schäuble für Friedrich Merz eintritt. Von den dreien, die er in der Union seine Freunde nennt, ist Merz einer; die anderen sind schon gleichsam emeritiert, Hans-Peter Repnik und Michael Glos. Auch Merz war es, aber jetzt ist er wieder da. Wo doch Merkel bald weg ist.

Dass Merz und Schäuble sie zwischendurch immer mal wieder weghaben wollten, hat Schäubles Kandidat in überraschender Offenheit sogar in einer Fernsehdokumentation gesagt. Er hat dazu auch den großen Alten zitiert: Wenn er, Schäuble, denn Kanzler werden solle, dann „muss ich mich auf dich verlassen können“, auf ihn, Merz. Wenn der denn Vorsitzender sein sollte, gilt das doch erst recht, oder?

Darauf angesprochen, wird Schäuble so unwirsch, wie er werden kann, wenn er nichts mehr davon hören will. Und hat er nicht auch unlängst öffentlich schäublesch barsch gesagt, „Ich weiß, wie alt ich bin“? Nur: Ist da ein Nein zu hören? Nein.

Merz weiß, wie alt sein Mentor ist, das wissen auch die Delegierten. Aber was weiß man schon, was die Zukunft bringt? Man weiß ja nicht einmal, wie der Parteitag ausgeht. Und weil das selbst Schäuble nicht weiß, hat er dieses Interview gegeben. Gewiss in der Hoffnung, es werde in den Tagen bis zur Entscheidung seine Wirkung noch entfalten. In seinem Sinne.

Die höchsten Höhen hat er nie erreicht

Er kennt die Wirklichkeit der Parteitage, die eine ganz andere ist als die der Menschen draußen im Lande. Das ist, was Helmut Kohl immer sagte. Kohl, Schäubles Nemesis. Er war so viel, unter Kohl, unter Merkel, war Bundesminister auf so vielen verschiedenen Positionen, war Chef des Kanzleramts, zweimal Minister des Inneren, hatte zwei Amtsperioden als Finanzminister. Er ist im Bundestag seit 46 Jahren, der Dienstälteste, der Präsident. In der Politik ist er sogar noch viel länger, seit 1961 in der Jungen Union. Ein Leben voller Höhen, nur die höchsten, die hat er nicht erreicht, nicht Bundespräsident, nicht Bundeskanzler. Das eine hat mit Merkel zu tun, das andere mit Kohl.

Nun kann man die Wechselfälle des Lebens so schwer einschätzen, und so weiß man auch bei ihm nicht immer ganz genau, was er will. Schäuble weiß es manchmal sogar selber nicht. Da wird er dann ein Meister des nachträglichen Erklärens, warum es unvermeidlich war, dass es so kam, wie es gekommen ist. Aber hier ist alles klar, das hier will Schäuble.

Er will den Kurs, die klare Kante, die klaren Ansagen von Merz, will diese Form von Politik unterstützen. Deshalb ist sein Interview nicht einfach so passiert, sondern es wurde von ihm platziert. Deshalb steht Schäuble unter Beobachtung, auch wenn es niemand ganz so sagen würde. Alles, was er sagt, wird ausgedeutet – weil es in der CDU etwas bedeutet. Mag manchmal erst später zur Strategie gerinnen, was vorher keine war – in diesem Fall nicht. Denn hier geht es ums große Ganze.

Der Fehltritt, den er sich nie verzieh

Ja, das ganz Große. Es war 1997, als der ewige Kohl öffentlich erklärte, Schäuble sei sein Wunschkandidat für die Nachfolge im Amt des Bundeskanzlers. Nur verlor Kohl die Wahl 1998 gegen Gerhard Schröder, und Schäuble verlor das Amt des Bundesvorsitzenden der CDU, als im Januar 2000 herauskam, dass auch er im Parlament im Zuge der Kohlschen Spendengeschichte einmal nicht die volle Wahrheit gesagt hatte. Ein Fehltritt, den er sich nie verzieh. Und der ihm eigentlich außerhalb der Union nie so recht verziehen wurde. Immer wieder war er ein Argument, sogar auch im Jahr 2004, als Guido Westerwelle, Edmund Stoiber und Angela Merkel lieber den weitgehend unbekannten Horst Köhler als neuen Bundespräsidenten präsentierten. Sage keiner, auch Schäuble selbst nicht, dass ihn das nicht getroffen hätte!

Nur sind wir jetzt im Heute und in der CDU. Und da kommt die Chance, die Vergangenheit aufzuarbeiten, ihren Ausgang ein wenig umzuarbeiten, mit dem Mann, der Anfang 2000 an Schäubles Seite stand, Merz, der dann zur Seite gedrängt wurde. Von der Merkel, die seinerzeit als Schäubles Generalsekretärin einen Artikel in eben jener „Frankfurter Allgemeinen“ veröffentlichte, der Kohl das Amt des Ehrenvorsitzenden und Schäuble das des Vorsitzenden kostete. Erstaunt es da, dass er 2002 der Meinung war, sie eigne sich nicht als Kanzlerkandidatin?

Ist das Land bereit für einen Kanzler Schäuble?

Und jetzt, da so viele schon über das Ende nicht nur ihrer Vorsitzendenzeit, sondern auch der Kanzlerschaft sinnieren, kommt Schäuble aufs Neue in den Blick. Schäuble, weil Merz und mit ihm die Gruppe derer, die ihn in diesem Wahlkampf unterstützen, sagen, er sei doch immer noch der beste Kanzler, den die Republik nie hatte.

Er selbst war derjenige, der 1998 die Frage stellte: „Kann ein Krüppel Kanzler werden?“ Die Partei, die CDU, gab damals die Antwort: Die Republik ist noch nicht so weit. Heute könnte das anders sein. Die Frage stellt sich nicht? Nach dem Interview und nach der Fernsehdokumentation steht sie mindestens im Raum – dort, wo die Delegierten tagen.

So viel ist über Wolfgang Schäuble bekannt. Was er schon alles gesehen hat. Und von allem das Gegenteil: Opposition, Regierung, Opposition, Regierung, einstürzende Regime, zum Blühen gebrachte Landschaften. Auch, dass er listig ist. Dass hart mitunter nur sein Ton ist. Dass er nie verraten will, wo sein Sentiment zu Hause ist. Jetzt werden die Delegierten an alles das wieder erinnert. Und daran, dass für ihn das, was eine Tugend ist, über die Jahrzehnte zum Verlangen wurde: dem Staat zu dienen. Der Partei dabei nicht nebenbei.

Eine Strategie, die vorher keine war

Was nicht jeder weiß: Schäuble hat vor Jahren einmal ganz wunderbar über Pierre Pflimlin gesprochen, den großen Straßburger. Ein Jurist und christdemokratischer Politiker. Er hatte etliche Ministerämter inne, war von 1984 bis 1987 Parlamentspräsident (in Europa) – und Regierungschef in Frankreich, wenn auch nur kurz.

Na, das zum Beispiel wäre doch kurz: Übergangsregierungschef bis zu (Neu-) Wahlen, die Union wird wieder stärkste Fraktion, dann kann er kommen – Merz. Ja, manchmal gerinnt zur Strategie, was vorher keine war. Manchmal aber auch nicht.

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