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Ein Bild aus besseren Tagen - Armin Laschet und Jens Spahn

© Michael Kappeler/picture alliance/dpa

Machtkampf in der Regierung: Jens Spahn könnte als Bauernopfer enden

Die SPD will gewinnen. Markus Söder auch. Der Gesundheitsminister kommt beiden als Mittel zum Zweck gerade recht.

Von Robert Birnbaum

Thomas Kutschaty ist im Grunde denkbar ungeeignet, um über Jens Spahn zu richten. Der Oppositionsführer im Düsseldorfer Landtag will neuer SPD-Spitzenmann in NRW werden, und auch sonst hat Kutschaty jede Menge eigennützige Motive, den Bundesgesundheitsminister zum Totalversager zu erklären.

„Spahn ist mit seinem Job überfordert“, schimpft der Sozialdemokrat im „Spiegel“. In einer Krise wie dieser sei Vertrauen gefragt, und das habe der CDU-Mann verspielt. Kurz, er sei zur Belastung geworden und gehöre entlassen.

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Die wilde Attacke wäre, wie gesagt, nicht weiter beachtlich, gäbe es nicht unter Spahns Parteifreunden etliche, die sich inzwischen schwer damit tun, den eigenen Minister zu verteidigen. Selbst einstige Fans, die ihn am liebsten schon auf dem Weg zur Kanzlerschaft gesehen hätten, stöhnen neuerdings vernehmlich.

Denn Spahn ist im politischen Spiel so etwas wie der Bauer auf dem Schachbrett geworden. Würde es gut laufen, könnte er durchmarschieren und sich in die stärkste Figur auf dem Feld, die Dame, verwandeln. Aber die Gefahr wächst, als Bauernopfer zu enden.

Auf dem Weg zum Bauernopfer

Allein der Umstand, dass CDU-Chef Armin Laschet ebenso wie CSU-Chef Markus Söder nach dem Wahldesaster im Südwesten versicherten, eine Kabinettsumbildung brauche es nicht, zeigt den Druck an. Spahn steht für fast alles, was in der Pandemie-Politik schief ging, inklusive allem, wofür er gar nichts kann.

Aber Bürger scheren sich nicht um föderale Zuständigkeiten. So wie Spahn anfangs alles Lob und alle Umfragen für das gute erste Corona-Halbjahr kassierte, hängt ihm nun auch jedes Chaos in Impfzentren oder Termin-Warteschleifen nach.

Die Sozialdemokraten und speziell ihre Landesfürsten haben den Schwachpunkt erkannt und nutzen ihn, auch, um möglichst unauffällig eigenes Versagen in Berlin abzuladen.

[Mehr zum Thema: Hinter der Maske des Hoffnungsträgers – wie das „System Löbel“ die CDU in die Krise stürzte (T+)]

Zugleich wird Spahn zusehends zur Spielfigur in den unionsinternen Machtkämpfen. CSU-Generalsekretär Markus Blume ritt eine Woche vor dem Wahlsonntag eine Generalattacke, gegen die Kutschatys Angriff vergleichsweise sogar zahm wirkt.

„Leider sehen wir auch hier wieder: Es wurde zu spät, zu langsam, zu wenig bestellt“, kanzelte Blume „das Gesundheitsministerium“ in Sachen Schnelltests ab. Besonders perfide war das „wieder“. Dass es ohne den Segen seines Chefs in das Interview kam, ist ausgeschlossen.

Im März 2020 lief für Jens Spahn noch alles gut. Das hat sich inzwischen geändert.
Im März 2020 lief für Jens Spahn noch alles gut. Das hat sich inzwischen geändert.

© Federico Gambarini / POOL / AFP

In der CDU kam das als grobes Foul an. CDU-Chef Armin Laschet beschwerte sich nach dem Wahldesaster im CDU-Vorstand, es mache keinen Sinn, die eigenen Leute anzuzählen; er habe das Markus Söder auch gesagt.

Aber da hatte sich der Bayer schon Stunden vorher auf die Fortsetzung des Bashings mit indirekten Mitteln verlegt: Eine „hektische Kabinettsumbildung“ bringe nichts, die Union brauche aber jetzt ein Team junger Politiker, das für Zukunft stehe.

Im Polit-Schach gelten eigene Regeln

Für Laschet ist doppelt misslich, dass es sein einstiger Teampartner im Kampf um den CDU-Vorsitz ist, den jetzt seine unterschiedlichen Widersacher mit vereinten Kräften anschießen. Dass Spahn sich mit seinem Spenden-Diner mitten im Lockdown selbst als ebenso leichtfertig wie instinktlos erwies, macht es noch schwerer, zu ihm zu stehen.

Laschet bleibt aber nichts anderes übrig. Der Minister habe den schwersten Job in der Pandemie überhaupt, warb der CDU-Chef am Montagabend im ZDF für Verständnis. Er wehre sich dagegen, einem Einzelnen die Schuld zu geben – wenngleich die Regierung besser werden müsse, und, nun ja: „Es ist sehr vieles auch falsch gelaufen, auch im Gesundheitsministerium.“

Da hatte Spahn gerade die Astrazeneca-Impfung gestoppt. Fast mitleidig analysiert ein Unionsmann, der Minister könne es derzeit nur falsch machen: entweder werde ihm vorgeworfen, wegen einer superseltenen Nebenwirkung Panik zu verbreiten, oder „Bild“ titele „Minister ignoriert Wissenschaft!“

Dem SPD-Kandidaten Olaf Scholz und dem CSU-Kandidatenkandidaten Söder soll das Dilemma recht sein. Denn im Polit-Schach gibt es eine ebenso simple wie effektive Regel: Man kann einen Gegner matt setzen, indem man seinen Bauern schlägt.

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