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Macron hat auf den Marschbefehl für die russischen Truppen reagiert.

© AFP

Strategische Wiederaufrüstung als Macht des Friedens: Macron wirbt im EU-Parlament für ein unabhängiges Europa

Frankreichs Präsident hat seine Vision für Europa vor den Parlamentariern präsentiert. Manche werfen ihm vor, die Bühne für seinen Wahlkampf zu nutzen.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron will ein selbstbewusstes und starkes Europa. Er will die französische EU-Ratspräsidentschaft dazu nutzen, die Union nach innen und außen zu festigen. Die EU stehe im Moment vor mehreren schwierigen Herausforderungen wie den Kampf gegen den Klimawandel, die Digitalisierung sowie die Wahrung von Sicherheit und Frieden in Europa, sagte Macron am Mittwoch in einer Grundsatzrede im Europaparlament in Straßburg.

Der Staatschef forderte, dass Europa nicht nur auf Krisen reagieren dürfe, sondern vorausschauend handeln müsse und seine Zukunft nicht von Entscheidungen anderer Länder abhängig machen dürfe. Frankreich hatte am 1. Januar den alle sechs Monate wechselnde EU-Ratspräsidentschaft übernommen und sie unter das Motto Durchstarten, Kraft und Partnerschaft gestellt.

Sorgen bereitet Macron offensichtlich der Zustand der Rechtsstaatlichkeit in machen EU-Mitgliedstaaten. Ziel müsse es sein, die Menschen wieder neu vom Wert des Rechtsstaats und der Demokratie in der Europäischen Union zu überzeugen, sagte der Präsident ohne Polen und Ungarn beim Namen zu nennen.

Macron sagte: „Zu diesem Zweck möchte ich unsere Werte als Europäer stärken, die unsere Einheit, unseren Stolz und unsere Stärke begründen.“ Die Rechtsstaatlichkeit sei keine Erfindung von Brüssel über die alleine Brüssel verfüge, sondern ein gemeinsamer Schatz.

Dialog mit Russland

Der Präsident nannte auch sehr konkrete Ziele. So will er sich auf EU-Ebene für eine Frauenquote in Unternehmensvorständen einsetzen. Frankreich werde im Rahmen seines EU-Ratsvorsitzes starke Schritte unternehmen, um die Einkommens-Ungleichheiten zwischen Männern und Frauen zu reduzieren und um gegen jede Form der Diskriminierung vorzugehen, versicherte Macron.

Im außenpolitischen Teil seiner Rede warb Macron für ein souveränes Europa. „Die Sicherheit unseres Kontinents bedarf einer strategischen Wiederaufrüstung als Macht des Friedens und des Ausgleichs“, sagte er. Dazu zähle insbesondere ein Dialog mit Russland. Europa müsse seine Forderungen stellen und dafür sorgen, dass sie respektiert werden. Ein offener Dialog sei notwendig mit Blick auf „Destabilisierung, Einmischungen und Manipulationen“.

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Macron erinnerte an die Prinzipien der Schlussakte von Helsinki, die Russland vor 30 Jahren unterzeichnet habe. Dazu zählten auch die „Freiheit für Staaten, sich Organisationen und Bündnissen anzuschließen, (...) die Unverletzbarkeit von Grenzen und der Verzicht auf Einflussnahme“.

Appell an Mitverantwortung Großbritanniens

Macron bekräftigte, dass Frankreich gemeinsam mit Deutschland zu Verhandlungen mit Russland und der Ukraine im sogenannten Normandie-Format bereit sei. Wegen eines russischen Truppenaufmarsches befürchtet der Westen einen Angriff Russlands auf das Nachbarland. Moskau bestreitet dies und fordert seinerseits den Verzicht auf eine weitere Osterweiterung der Nato.

Macron bekräftigte die französische Forderung nach einer Reform des Schengen-Raums und eines verbesserten Schutzes der EU-Außengrenzen. Dabei wies er Großbritannien Mitverantwortung für die Lage von Migranten im nordfranzösischen Calais zu, die dort in der Hoffnung auf Weiterreise nach England campieren.

Der Präsident konnte nicht alle Zweifel der Abgeordneten zerstreuen. Ein Problem sehen viele darin, dass sich Macron im April den Franzosen zur Wahl stellen muss. „Ich hoffe, dass durch die anstehende Präsidentschaftswahl in Frankreich die Ratspräsidentschaft nicht vom Wahlkampf überschattet oder ausgebremst wird“, erklärte der deutsche EU-Parlamentarier Daniel Caspary (CDU).

Deutlicher wurde die Grünen-Abgeordnete Anna Deparnay-Grunenberg. „Macron stellt sich immer als Vorzeige-Europäer dar und nutzt die französische Ratspräsidentschaft für seinen Wahlkampf“, kritisierte die Politikerin. Auch moniert sie, dass der französische Staatschef die EU-Ratspräsidentschaft nutze, um nationale Interessen durchzusetzen.

Mit dieser Kritik zielt sie auf die sogenannte Taxonomie. Das ist ein von der EU-Kommission vorgelegter Kriterienkatalog, nach dem unter anderem Atomkraft als „grüne“ und damit nachhaltige Energieform eingestuft werden soll. Dafür hat sich vor allem Macron stark gemacht. In seiner Rede hatte er das geplante Nachhaltigkeitssiegel für Atomkraft als „folgerichtig mit Blick auf die europäische Souveränität (...) und den Kampf gegen den Klimawandel“ verteidigt. (mit AFP)

Knut Krohn

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