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Eine junge Frau aus Syrien hat mit ihrer Familie Obdach in einer Ruine in Istanbul gefunden.

© picture alliance / dpa

Flüchtlinge in der Türkei: Mädchen aus Syrien als Zweitfrauen verkauft

Die Türkei richtet sich darauf ein, dass 1,6 Millionen Syrer dauerhaft im Land bleiben. Für deren Kinder werden eigene Schulen gebaut und es gibt erste Spannungen. Dafür werden die Mädchen gerne als Zweitfrauen genommen.

Sie kamen als Flüchtlinge – und werden zu Mitbürgern. Fast vier Jahre nach dem Ausbruch des Bürgerkrieges in Syrien richten sich Politik und Gesellschaft in der Türkei auf ein dauerhaftes Zusammenleben mit mindestens 1,6 Millionen Neuankömmlingen aus dem Nachbarland ein. Leicht wird das nicht.

In türkischen Städten nahe der syrischen Grenze gehören Straßenschilder in arabischer Schrift genauso zum Straßenbild wie die syrischen Bettler in anderen Städten des Landes. Allein in der Metropole Istanbul leben mehr als 300.000 Syrer. Wer kann, verdingt sich für einen Hungerlohn als illegaler Arbeiter auf dem Bau oder in Fabriken. Umgerechnet etwa 200 Euro im Monat kann ein Syrer damit verdienen, schätzt Amnesty International. Das ist gerade einmal die Hälfte des ohnehin nicht sehr üppigen offiziellen Mindestlohns in der Türkei.

Die Syrer schaffen mit ihrer Anwesenheit neue Realitäten in der Türkei. Mittlerweile werden jedes Jahr 38.000 syrische Kinder auf türkischem Boden geboren. 350.000 ältere Geschwister brauchen eine Schulbildung. Mit Hilfe der Vereinten Nationen baut die Türkei ein Netz syrischer Schulen auf; die arabischen Schulbücher kommen aus Katar und Saudi-Arabien, wie die Zeitung „Milliyet“ berichtete.

Viele Syrer sind bei Verwandten untergekommen

Nur etwa 200.000 Syrer leben in den 22 Flüchtlingslagern im Grenzgebiet, der Rest ist bei Verwandten untergekommen oder schlägt sich auf der Straße durch. In einigen Städten wie Gaziantep, Adana oder Kahramanmaras gab es in den vergangenen Monaten gewalttätige Ausschreitungen zwischen Türken und Syrern, die häufig als Kriminelle oder als Mitbewerber auf dem Arbeits- und Wohnungsmarkt angefeindet werden. Spannungen gehören mittlerweile zum Alltag der Türkei. „Was willst du von mir?“ fuhr ein junger Türke in der Istanbuler Innenstadt kürzlich einen syrischen Bettler an. „Erst kommt ihr her und mischt unser Land auf, und dann soll ich dir auch noch Geld geben.“ Lange hat die türkische Politik so getan, als handele es sich um ein vorübergehendes Phänomen. Er sei sicher, dass die Syrer eines Tages wieder nach Hause gehen, sagte Präsident Recep Tayyip Erdogan noch im Sommer. Doch inzwischen hat seine Regierung ihre Haltung geändert. Vizepremier Numan Kurtulmus sagte Anfang des Monats in den Haushaltsberatungen des Parlaments von Ankara, die Türken würden mit den Syrern leben müssen: „Sie werden dauerhaft bleiben, und deshalb geht es jetzt darum, ihre Probleme dauerhaft zu lösen.“

Der Preis für eine Zweitfrau aus Syrien liegt bei 1700 bis 3500 Euro

Die türkische Regierung hat bisher rund 4,5 Milliarden Dollar für die Versorgung der Syrer ausgegeben. Künftig werden sich die staatlichen Maßnahmen weniger auf die Erstversorgung als auf die Integration der Syrer konzentrieren müssen.Ein neues Gesetz gibt den Syrern erstmals ein Aufenthaltsrecht; sie sollen spezielle Personalausweise und ein begrenztes Recht auf Arbeit erhalten. Für unbesetzte offene Stellen können künftig Syrer angeheuert werden, solange die Gesamtzahl der Syrer in einem Betrieb nicht über zehn Prozent der Beschäftigten liegt. Auch die Gesundheitsversorgung wird geregelt. Seit dem vergangenen Jahr werden Syrer in staatlichen Krankenhäusern kostenlos behandelt; bisher gab Ankara dafür 180 Millionen Euro aus.

Zu den schwierigsten Problemen gehört der Schutz der Rechte von Kindern und Frauen der Syrer. Viele Minderjährige müssen als Bettler zum Familieneinkommen beitragen, während insbesondere in den Grenzgebieten viele syrische Mädchen als Zweitfrauen regelrecht verkauft werden. Der Preis für eine syrische Zweitfrau schwanke zwischen 1700 und 3500 Euro, sagt die Soziologin Emine Konak, die in der türkischen Grenzstadt Kiziltepe ein Frauenzentrum leitet. Alle Opfer würden gegen ihren Willen verkauft, betonte Konak im Sender Al-Jazeera. „Sie flohen vor dem Krieg“, sagte Konak über die syrischen Frauen. „Aber hier warten Dinge wie Prostitution, Drogen und Zwangsheirat auf sie.“

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