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Theresa May und ihr Mann Philip am Sonntag nach dem Kirchgang.

© Peter Nicholls/Reuters

Brexit: May: "Die Geschichte wird über uns alle urteilen"

Ein harter Brexit soll auf jeden Fall vermieden werden. Die britische Regierungschefin May richtet einen flehentlichen Appell an die Hardliner.

Je näher das Brexit-Datum am 29. März rückt, umso größer wird der Druck im britischen Parlament, einen ungeregelten EU-Austritt Großbritanniens zu verhindern. Die Gegner eines No-Deal-Szenarios rüsten sich bereits für den 27. Februar. Dann steht im Unterhaus die nächste Brexit-Abstimmung an.

Bei der letzten Abstimmung am vergangenen Donnerstag hatten die Tory-Hardliner der britischen Premierministerin Theresa May eine überraschende Niederlage bereitet. Die Brexiteers hatten einer Regierungsvorlage die Zustimmung verweigert, um May damit zu einem möglichst harten Verhandlungskurs gegenüber der EU zu zwingen. Die Tory-Hardliner, die May die Gefolgschaft verweigerten, wollen in jedem Fall die Drohung mit einem ungeregelten Ausstieg aufrecht erhalten.

Wie sehr die Abstimmungsniederlage vom vergangenen Donnerstag May schmerzt, wurde in einem Brief deutlich, den die Regierungschefin an die 317 Tory-Abgeordneten im Unterhaus verschickte. Es sei "enttäuschend", dass Dutzende von konservativen Abgeordneten sich bei dem Votum enthalten hätten, klagte May in dem Schreiben. Sie appellierte erneut an die Parlamentarier, es nicht auf einen harten Brexit ankommen zu lassen und einem EU-Austrittsabkommen zuzustimmen. Geradezu flehentlich schrieb die Premierministerin: "Die Geschichte wird über uns alle urteilen."

Tories im Unterhaus sind tief gespalten

Zwischen den konservativen Abgeordneten im Unterhaus verläuft ein tiefer Graben. Auf der einen Seite stehen moderate Parlamentarier, die einen möglichst weichen Brexit erreichen möchten. Auf der anderen Seite des Grabens hat der Erz-Brexiteer Jacob Rees-Mogg seine Truppen unter dem Banner der Propaganda-Gruppe "European Research Group" versammelt. Etliche Beobachter sehen die Gruppe um Rees-Mogg als "Partei innerhalb der Partei".

May setzt bislang alles daran, um ihre Partei zusammenzuhalten. Deshalb hat sie den Brexiteers auch Ende Januar das Zugeständnis gemacht, erneut mit der EU über den sogenannten Backstop zu verhandeln – also jenen Notfall-Mechanismus, der Großbritannien bis auf Weiteres in der EU-Zollunion hält, damit eine harte Grenze zwischen Irland und Nordirland vermieden wird.

Hardliner bezeichnen Verhandlungen als "Zeitverschwendung"

Ob die Hardliner um Rees-Mogg tatsächlich noch an ernsthaften Verhandlungen der Premierministerin in Brüssel interessiert sind, darf allerdings bezweifelt werden. Vor einer weiteren Gesprächsrunde Mays mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker in der kommenden Woche berichtete die "Sunday Times", dass Steve Baker, der Vize-Vorsitzender der "European Research Group", die Verhandlungen mit Brüssel in einer WhatsApp-Nachricht an seine Gesinnungsgenossen als "komplette Zeitverschwendung" bezeichnet hat. Offenbar will es die Parlamentariergruppe mit ihren rund 100 Mitgliedern in jedem Fall auf einen ungeregelten Brexit ankommen lassen.

Dem Treiben der "European Research Group" wollen aber zahlreiche Tory-Politiker nicht länger zusehen. Nach den Angaben des konservativen Abgeordneten Dominic Grieve haben sechs Kabinettsmitglieder mit ihrem Rücktritt bis Ende des Monats gedroht, falls May die No-Deal-Option nicht endgültig abräumt.

Möglicher Showdown am 27. Februar

Am 27. Februar könnte es im Unterhaus zum Showdown zwischen den Hardlinern und den Anhängern einer gütlichen Einigung mit der EU kommen. Denkbar ist, dass sich dann eine Mehrheit im Parlament für einen Antrag der Labour-Abgeordneten Yvette Cooper findet. Der Antrag zielt letztlich darauf ab, einen ungeregelten Austritts Großbritanniens unmöglich zu machen.

Zunächst soll nach dem Willen der Labour-Abgeordneten Cooper das Brexit-Datum über den 29. März hinaus verschoben werden, um mehr Zeit zu gewinnen. Allerdings dürfte die EU einer Verlängerung der Brexit-Frist nur dann zustimmen, wenn die Dauerblockade im Unterhaus, an der sowohl die Tories als auch die oppositionelle Labour-Partei beteiligt sind, ein Ende hätte.

Mehrheit für Antrag auf Brexit-Verschiebung?

Dass der Antrag von Cooper Ende Februar eine parteiübergreifende Mehrheit finden könnte, signalisierte inzwischen auch der Konservative David Gauke. Der Justiz-Staatssekretär erklärte, dass die verantwortlichen Politiker an erster Stelle die Interessen der Wirtschaft, der Sicherheit und den Zusammenhalt des Vereinigten Königreiches im Auge behalten müssten. "Ich habe sehr starke Bedenken angesichts der Folgen, die ein Austritt ohne Deal hätte", erklärte Gauke.

Die Brexit-Wirren hatten auch am Wochenende wirtschaftliche Folgen auf der Insel: Am Samstag meldete die britische Regional-Fluggesellschaft Flybmi Insolvenz an. Wegen der andauernden Unsicherheit um den Ausstieg Großbritanniens aus der EU seien Flybmi wertvolle Verträge entgangen, teilte die Airline mit.

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