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Immer schön den Ball flach halten: SPD-Chef Martin Schulz zeigt auf dem Parteitag der Bayern-SPD, was er drauf hat.

© Karl-Josef Hildenbrand/dpa

Wie die SPD künftig Pannen vermeiden soll: Mehr Zeit für gute Planung

Die Fäden zusammenzuhalten in der SPD fällt Martin Schulz schwer. Nach dem Chaos ums Wahlprogramm erwartet die SPD Besserung vom Willy-Brand-Haus.

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"Politik ist Organisation" – an diese eherne Mahnung des früheren SPD-Chefs Franz Müntefering dürften sich viele Mitarbeiter des Willy-Brandt- Hauses angesichts der Pannen rund um die Vorstellung des ersten Entwurfs für das Wahlprogramm Anfang der Woche erinnert haben. Denn Müntefering galt in der Parteizentrale als "Kontrollfreak", der die Zügel straff in der Hand hielt und mit einem Team verschwiegener Vertrauter nach sorgfältiger Planung das Geschehen im System SPD punktgenau steuerte.

Von solcher Perfektion scheint sein Nachfolger Martin Schulz weit entfernt zu sein: Vieles fällt vier Monate vor der Bundestagswahl auseinander in der SPD. Beispiel Steuern: Da beharrt der Kanzlerkandidat darauf, sein Konzept erst spät vorzulegen, obwohl der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil mit eigenen Ideen zur Be- und Entlastung von Bürgern längst vorgeprescht ist. Oder beim Thema Zukunft der EU: Nicht der glühende Europäer Schulz, sondern Außenminister Sigmar Gabriel macht Schlagzeilen mit Vorschlägen, wie Griechenland und Frankreich zu helfen sei.

Das alles hatten die Genossen noch ohne größere Klagen hingenommen. Doch was sich die SPD-Zentrale bei der Vorstellung des Entwurfs zum Wahlprogramm am Montag leistete, geht in den Augen vieler Sozialdemokraten zu weit. Nach drei verlorenen Landtagswahlen wollte die Parteiführung den Neustart einleiten. Doch erst wurde die Präsentation des Programms abgesagt, dann wieder dazu eingeladen, ohne es plausibel zu erklären. Am Ende entstand ein verheerendes Bild. "Man hat den Eindruck, da ist eine Chaostruppe im Willy-Brandt-Haus", urteilte der Meinungsforscher Manfred Güllner im Deutschlandfunk: "Und das bestätigt alle die, die nicht glauben, dass die SPD fähig ist, das Land zu regieren." Nicht einmal die Überschrift des Programmentwurfs war korrekt. Statt "Zeit für mehr Gerechtigkeit", wie der Schulz-Slogan lautet, stand dort: "Mehr Zeit für Gerechtigkeit."

Auch in der SPD herrschte bis in die Führung hinein Fassungslosigkeit. Von "stümperhaftem Vorgehen" im Willy- Brandt- Haus war in der SPD-Bundestagsfraktion die Rede. Viele Genossen wunderten sich auch, warum Schulz die Verabschiedung des Entwurfs nicht genutzt hatte, um das Programm selbst vorzustellen und so mit Inhalten zu punkten.

Der SPD-Chef und Kanzlerkandidat ging erst am Abend ins Fernsehen – und räumte Pannen ein. "Wo Menschen arbeiten, werden auch Fehler gemacht", sagte er in der ARD. Er gehöre aber nicht zu den Menschen, die andere für Fehler verprügelten. Auch eine Neuigkeit hatte Schulz parat: Das Rentenkonzept seiner Partei werde schon in den kommenden 14 Tagen vorgestellt werden.

Mit öffentlichen Ratschlägen an ihren eigenen Spitzenkandidaten hielten sich die meisten SPD-Politiker am Dienstag zurück – noch ist die Loyalität hoch. Viele erwarten aber genau das, was die Parteilinke Hilde Mattheis ausdrückte: Was die Organisation anbelange, solle das Willy-Brandt-Haus künftig doch bitte "eine gewisse Sorgfalt" an den Tag legen.

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