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"Jeder, der zu Tode kommt, ist einer zu viel", sagt Regierungssprecher Seibert über Flüchtlinge auf dem Mittelmeer.

© Olmo Calvo/AP/dpa

Bundesregierung weist Vorwürfe zurück: Menschenrechtsanwälte zeigen EU wegen Flüchtlingskrise an

Mehrere internationale Anwälte werfen der EU "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" vor. Die Bundesregierung räumt "schlimme Zustände" ein.

Eine Gruppe internationaler Menschenrechtsanwälte hat am Montag Verantwortliche der EU und deren Mitgliedstaaten im Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise beim Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag angezeigt. Die Gruppe um die Rechtsanwälte Omer Shatz und Juan Branco wirft der EU der Strafanzeige zufolge "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" vor. Die EU sei durch ihre Politik verantwortlich für "den Tod tausender Menschen durch Ertrinken".

Mehr als 12.000 Menschen sind seit 2014 auf ihrer Flucht über das Mittelmeer von Libyen nach Europa ums Leben gekommen. Zur Wahrung ihrer Außengrenzen habe die EU auf eine "abschreckende Migrationspolitik" gesetzt, die darauf abzielte, das "Leben von Flüchtlingen in Seenot zu opfern", heißt es in der 245 Seiten umfassenden Anzeige. Das einzige Ziel sei gewesen, andere in einer ähnlichen Situation von der Flucht nach Europa abzuhalten.

Als diese Politik wegen der Rettungseinsätze von Nichtregierungsorganisationen scheiterte, habe die EU den Rücktransport der Flüchtlinge durch die libysche Küstenwache gefördert. Diese habe die Menschen in Sammellager in Libyen gebracht, "die Konzentrationslagern ähneln".

Bundesregierung räumt "schlimme Zustände" ein

Die Bundesregierung wies den Vorwurf der Menschenrechtsanwälte zurück, für die Leiden tausender Migranten in Libyen verantwortlich zu sein. Vielmehr setze sich Deutschland dafür ein, dass sich die Situation der Geflüchteten in libyschen Sammellagern verbessere, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin. Zugleich räumte er "schlimme Zustände" in den Lagern des nordafrikanischen Krisenstaats ein.

Deutschland habe deshalb bereits 300 Migranten aus Libyen übernommen, sagte Seibert. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) habe angekündigt, weitere 300 Menschen in Deutschland aufzunehmen. Zudem bemühe sich die Bundesregierung darum, die Lebensverhältnisse in den Lagern zu verbessern, etwa durch eine Zusammenarbeit mit dem UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR.

Auch mit Blick auf die bei der Überquerung des Mittelmeers ums Leben gekommenen Geflüchteten sagte Seibert: "Jeder, der zu Tode kommt, ist einer zu viel." Schuld hätten jedoch in erster Linie Schlepper.

Katja Kipping begrüßte die Strafanzeige

Linken-Chefin Katja Kipping begrüßte die Strafanzeige. Eine Rückführung nach Libyen bedeute für die Migranten meistens "Folter, Versklavung oder Vergewaltigung", erklärte sie. Solange die Bundesregierung für die Ausbildung der libyschen Armee bezahle, "macht sie sich zu Komplizen".

Wie die Chefanklägerin des IStGH, Fatou Bensouda, mit der Anzeige umgehen wird, ist unklar. Die Menschenrechtsanwälte beziehen sich nicht nur auf die "Verantwortlichen der EU und ihrer Mitgliedstaaten", sondern auch auf Länder wie Frankreich, Deutschland und Italien, die Vertragsstaaten des IStGH sind. Der Strafgerichtshof verfolgt nur Einzelpersonen und erhält jedes Jahr hunderte Anzeigen.

2011 war Bensouda vom UN-Sicherheitsrat beauftragt worden, Verbrechen in Libyen zu untersuchen, die seit dem Sturz des langjährigen Machthabers Muammar al-Gaddafi begangen wurden. In ihrem jüngsten Bericht an den Rat erklärte die Chefanklägerin, ihr Büro untersuche weiterhin mutmaßliche Verbrechen gegen Flüchtlinge in Libyen, "um festzustellen, ob sie in die Zuständigkeit des Gerichts fallen". (AFP)

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