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Fokussiert in ihrer in Davos den Klimawandel: Bundeskanzlerin Angela Merkel

© dpa/Gian Ehrenzeller

Klima-Rede in Davos: Merkel muss ihren Worten jetzt Taten folgen lassen

Die Worte, das Pathos – alles richtig. Und dennoch könnte Angela Merkel viel mehr. Noch ist diese Kanzlerära nicht vorbei. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Armin Lehmann

Wenn sie sich doch selbst beim Wort nehmen würde – und könnte! Und ihre CSU/CDU gleich mit. Sagen wir: Hand in Hand mit dem neugrünen bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) – dann könnte Bundeskanzlerin Angela Merkel zwar noch immer nicht die Welt alleine aus Deutschland retten, aber es wäre doch ein starkes Signal der Erkenntnis-Einigkeit. Sagen wir: Wir schaffen das!

Ausgerechnet an dem Tag, an dem Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier kurz vor dem historischen Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz zum Holocaust in Yad Vashem sprach, fast auch noch zeitgleich, musste die Kanzlerin in Davos ihre historische Vision zur Frage, wie retten wir das Klima und schaffen trotzdem Wachstum erläutern.

Merkel muss sich und ihre Worte selbst ernst nehmen

Sie tat es zwar wie immer sachlich und nicht immer rund im Vortrag, aber dann doch mit großen, ja sehr großen Worten und einer deutlichen Positionierung für die Seite der Klimaaktivisten und der protestierenden Jugend um ihre Ikone Greta Thunberg. Aber was folgt aus dem richtigen Sagen: Die Dinge mit Pathos aufzuladen, auch mal witzig zu sein, immer öfter persönlich und meistens um historische Einordnung bemüht, das traut sich Merkel , seitdem sie klargestellt hatte, diese Amtszeit werde ihre letzte Amtszeit als Kanzlerin sein.

Sie ist also freier, leidenschaftlicher geworden in ihren Reden, und man darf ihr abnehmen, dass sie im Rahmen ihrer Möglichkeiten mit der Koalition, die sie führt, wirklich das Beste herausholen will. Nur konkrete Politik ist aus alledem bisher nicht so richtig erwachsen. Das ist schade. Denn sie könnte sich so viel erlauben, als weiterhin beliebteste Politikerin im Lande. Klimakanzlerin, ja doch, das hängt ihr nach. Gewiss auch persönlich, so viel Gewissen darf man ihr unterstellen.

Greta Thunberg in Davos.
Greta Thunberg in Davos.

© Gian Ehrenzeller/KEYSTONE/dpa

Jetzt also diese Worte: Das Pariser Klimaabkommen mit dem Ziel die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu reduzieren, sei „eine Frage für das Überleben eines ganzen Kontinents“. Jetzt sei die Zeit zu handeln! Die Industrienationen „haben eine Bringschuld und Verantwortung“. Außerdem würde man diese „gigantische Transformation historischen Ausmaßes“, die notwendig ist, um Klima wie Wirtschaft zu versöhnen, niemals alleine schaffen, sondern eben nur multilateral.

Merkel will „völlig neue Wertschöpfungsformen“

Von solchen bildhaften, symbolischen Worten gab es noch mehr aus Merkels Munde: Die Sprachlosigkeit zwischen Klimaleugnern und Klimaaktivisten müsse endlich beendet werden, im Jahre 2020 könne es nicht sein, dass man nicht miteinander rede. Man müsse deshalb auch die Emotionen derer verstehen, die die Fakten nicht zur Kenntnis nehmen wollen, man müsse auch Emotionen und Fakten versöhnen.

Kanzlerin Angela Merkel bei ihrer Rede in Davos.
Kanzlerin Angela Merkel bei ihrer Rede in Davos.

© FABRICE COFFRINI / AFP

Natürlich konnten auch diese Passagen nicht anders gedeutet werden, als eine deutliche Distanzierung zu US-Präsident Donald Trump, der nicht versöhnen, sondern aus Prinzip darauf pochen will, dass er recht hat.

Merkel rief im Prinzip sogar zu einer neuen wirtschaftlichen Revolution auf, wenn auch nicht sofort, so will sie aber doch in einem Zeitraum von 30 Jahren die „gesamte Art des Wirtschaftens, wie wir das seit der Industriellen Revolution kennen“, aufgeben, um zu „völlig neuen Wertschöpfungsformen zu kommen“. Was aber genau das heißen könnte, sagte sie nicht. Wie Deutschland hier vorangehen will, sagte sie auch nicht.

EU-Kommissionschefin trifft sich mit US-Präsident Donald Trump in Davos.
EU-Kommissionschefin trifft sich mit US-Präsident Donald Trump in Davos.

© imago images/ZUMA Press

Stattdessen gab es für die versammelten Weltwirtschaftsführer gleich zweimal Pathos aus deutschen Mündern, denn auch Merkels Parteifreundin und EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen hatte tags zuvor große Worte benutzt, um den „Green Deal“ zu erläutern, das Ziel also, das Merkel wiederholte, nämlich Europa bis 2050 klimaneutral zu machen.

Folgt man beiden Frauen, müsste jetzt nach ihren Worten das passieren: In Deutschland zwingt Angela Merkel ihre Koalition und die Wirtschaft zu einem schnellerem Handeln, zu mutigerer Innovation. Die kleinkrämerischen Debatten um Zahlen, wie etwa beim Kohleausstieg, 2038, 2035, hätten gegen Merkels Taten-Pathos keine Chance. Und Ursula von der Leyen zwingt Europa hinter sich in einem beispiellosen Akt genialen diplomatischen Geschicks.

20 Jahre trägt Angela Merkel Verantwortung in der Bundespolitik, 14 Jahre als Kanzlerin. Wenn sie die Jugend so ernst nimmt, wie sie sagt, muss sie ihre eigenen Worte ernstnehmen, das wiederum hieße: Konflikte wirklich offensiv einzugehen, sich heftiger, unverblümter für eine Sache streiten, auch dort, wo es richtig weh tun kann. Sie hätte jetzt doch die Souveränität, das auszuhalten, sie müsste sich nur noch das eine beweisen: das sie auch das noch kann. Noch ist diese Kanzlerära nicht vorbei.

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