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Merz’ Behauptung im Faktencheck: Gibt es „tägliche Gruppenvergewaltigungen“ von Asylbewerbern?
Union-Kanzlerkandidat Friedrich Merz irritiert im Bundestag mit einer Aussage zu Asylbewerbern. Die von ihm gewählte Formulierung ist so nicht richtig.
Stand:
Friedrich Merz (CDU) wollte am Freitag ein „Zustrombegrenzungsgesetz“ durch den Bundestag bringen – und scheiterte. Zuvor warb der Kanzlerkandidat der Union im Plenum für sein Vorhaben und erklärte unter anderem, die Sicherheit in Deutschland sei durch Asylbewerber bedroht. Dabei argumentierte Merz nicht nur mit Messerangriffen wie dem in Aschaffenburg.
Merz sprach im Plenum vor der Abstimmung von „täglich stattfindenden Gruppenvergewaltigungen aus dem Milieu der Asylbewerber heraus“. Im Bundestag riefen mehrere Abgeordnete protestierend dazwischen. In den sozialen Netzwerken warfen ihm Kritiker Populismus und Rassismus vor, andere lobten ihn. Was ist dran an seiner Aussage?
Wie viele „Gruppenvergewaltigungen“ gibt es in Deutschland?
„Gruppenvergewaltigung“ ist kein juristischer Begriff. Statistisch erfasst wird die „gemeinschaftliche Tatbegehung“ nach Paragraf 177 Strafgesetzbuch, die alle dort aufgeführten Straftaten (Sexueller Übergriff, sexuelle Nötigung, Vergewaltigung) mit einschließt.
Zahlen dazu finden sich in einer Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine parlamentarische Anfrage der AfD. Im Jahr 2023 wurden demnach 761 Sexualstraftaten wie Vergewaltigung, Belästigung und Nötigung zur Anzeige gebracht, die mutmaßlich von mehr als einem Täter begangen wurden. Das sind rechnerisch gesehen zwei pro Tag.
Keine bundesweiten Zahlen zu Asylbewerbern
48 Prozent der Tatverdächtigen hatten eine ausländische Staatsbürgerschaft. Ob diese Asylbewerber sind, wird in der polizeilichen Kriminalstatistik nicht erfasst. Wie viele „Gruppenvergewaltigungen aus dem Milieu der Asylbewerber“ begangen werden, kann Friedrich Merz demnach nicht genau wissen.
Der Kriminologe Tobias Singelnstein von der Goethe-Universität in Frankfurt a.M. findet die Aussage des CDU-Kanzlerkandidaten deshalb problematisch. „Die Gruppe der nicht-deutschen Tatverdächtigen ist sehr heterogen, dazu zählen zum Beispiel auch Pendler und Touristen“, sagte er dem Tagesspiegel.
Zudem seien unter den Taten auch solche, die nicht dem gesellschaftlichen Bild einer Gruppenvergewaltigung entsprechen. Die „gemeinschaftliche Tatbegehung“ könne auch bedeuten, dass eine weitere Person zusieht oder sonst beteiligt ist.
Woher kommen die Tatverdächtigen?
Was sich aus der Polizeistatistik aber ablesen lässt: Menschen ohne deutschen Pass, die rund 14 Prozent der Gesellschaft in Deutschland ausmachen, sind überproportional oft tatverdächtig. Auch bei den Sexualstraftaten, die Merz unter „Gruppenvergewaltigungen“ zusammenfasst.
In den Jahren 2019 und 2022 lag der Anteil der nicht-deutschen Tatverdächtigen hier sogar bei jeweils 50 Prozent, im Jahr 2020 bei 46 Prozent und 2021 bei 47 Prozent. Singelnstein erklärt dies unter anderem mit einer besonderen Alters- und Sozialstruktur in dieser Gruppe. So würden etwa junge Männer „in allen Gesellschaften besonders oft straffällig“.
Die polizeiliche Kriminalstatistik gibt auch Hinweise darauf, woher die Menschen kommen. Die fünf am häufigsten genannten Staatsangehörigkeiten für 2023 sind Deutschland (520), Syrien (71), Afghanistan (49), Irak (43) und Türkei (33). Nach Deutschland sind das vor allem Staaten, aus denen viele Geflüchtete kommen.
Zudem können auch unter den deutschen Tatverdächtigen Menschen sein, die zugewandert sind und die Staatsbürgerschaft angenommen haben.
Doch wie viele Asylbewerber befinden sich tatsächlich unter den Tatverdächtigen? Ein Beispiel dafür gibt eine Recherche des Bayerischen Rundfunk. Demnach wurden in Bayern nicht nur die Staatsbürgerschaften statistisch erfasst, sondern auch die Gruppe der „Zuwanderer“, also in diesem Fall Geflüchtete mit unterschiedlichem Schutzstatus (Asylbewerber, Asylberechtigte, Geduldete oder Menschen, die sich illegal in Deutschland aufhalten).
Von 96 Tatverdächtigen, denen 2023 „Gruppenvergewaltigungen“ oder ähnliche Straftaten vorgeworfen wurden, waren 21 aus dieser Gruppe – also weniger als ein Viertel. Der Anteil ist damit niedriger, als Merz suggeriert.
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