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Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) spricht bei der Weltklimakonferenz COP30 in Belém in Brasilien.

© dpa/Kay Nietfeld

Merz und sein kurioses Pressegespräch in Belém: Wer zu viel vertraut, wird irgendwann verraten

Der Kanzler hat mit seinen flapsigen Sprüchen nicht nur die Stadt am Amazonas in die Pfanne gehauen, sondern auch die mitreisenden Journalisten – von ihnen und ihren Medien hält er wenig.

Jost Müller-Neuhof
Eine Kolumne von Jost Müller-Neuhof

Stand:

„Wir brauchen die nicht mehr“. Das waren vor bald sechs Jahren die Worte des heutigen Bundeskanzlers Friedrich Merz (CDU) über die „klassischen“ Medien, über Presse, Rundfunk, Fernsehen. Merz schwärmte damals über die „Machtverschiebung“ dank digitaler Plattformen und Social Media. Die Politik könne jetzt „eigene Interessen“ wahrnehmen, die „eigene Deutungshoheit behalten“.

Welcher Journalist, der seine Arbeit unter dem Schutz und in der Funktion ausübt, die das Grundgesetz vorsieht, würde diesem Mann vertrauen? Wer, der unabhängig recherchierende und berichtende Medien zum Kernbestand liberaler Demokratie zählt, mit ihm Vertraulichkeit verabreden? Zumal, wenn er als Chef einer Bundesregierung Macht und Einfluss hat?

Bei jedem, für den Presse- und Rundfunkfreiheit mehr ist als Floskel einer Sonntagspredigt, müsste diese Praxis Befremden auslösen.

Jost Müller-Neuhof über vertrauliche Gespräche zwischen Regierung und Medien

Nun, wie es scheint, mindestens ein Dutzend. Sie waren dabei, als der Kanzler in einem Hotel in Belém, genervt von der „Stadtbild“-Diskussion, Herablassung gegenüber den brasilianischen Gastgebern zeigte. Wer würde denn gerne hier bleiben, fragte Merz in die Runde. Niemand hob die Hand.

Wie ein Regierungssprecher nun mitteilt, habe es sich um ein Hintergrundgespräch gehandelt. Medienvertreter und Regierende verabreden dafür, Gesagtes vertraulich zu halten. Nichts darf zitiert werden – und wenn berichtet wird, ist darüber zu schweigen, dass Informationen einen staatlichen Ursprung haben.

In Belém hätte es die Chance für einen Schnitt gegeben

Bei jedem, für den Presse- und Rundfunkfreiheit mehr ist als Floskel einer Sonntagspredigt, müsste diese Praxis Befremden auslösen. Trotzdem überdauert sie und dürfte dazu beitragen, dass viele Bürger die „klassischen“ Medien für Gehilfen der Regierungspolitik halten.

In Belém hätte es die Chance für einen Schnitt gegeben. Denn es hätte sogleich an die Öffentlichkeit gehört, wie Merz über die Stadt herzog. Aber nun – man hielt sich an die verabredete Vertraulichkeit.

Anders Merz dann selbst: Bei einem Kongress in Berlin erzählte er selbst die Geschichte: „Wer von euch würde denn gerne hierbleiben?“ Keiner. Die seien „froh“ gewesen, wieder wegzukommen. Damit haute er nicht nur Belém und Brasilien öffentlich in die Pfanne, sondern auch die mitgereisten Medienleute.

Das zeigt, wie wenig Merz von seiner Begleitung hält. Und dass „Vertraulichkeit“ ihm nichts bedeutet, wenn es in seinem Interesse, im Interesse der Regierung ist, sie zu brechen. Die Verabredung gilt nur einseitig. Warum machen wir das mit?

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