
© Andreas Klaer
Militärhistoriker Sönke Neitzel: „Wir Deutschen reden sehr viel, aber kommen nicht ins Handeln“
Zu seiner Aussage, Deutschland erlebe vielleicht den „letzten Sommer in Frieden“, will der Historiker „keine Entwarnung“ geben. Ein Krieg mit Russland könne schneller kommen, als manche denken.
Stand:
Der Potsdamer Militärhistoriker Sönke Neitzel sieht es aktuell als „Grundproblem unserer Demokratie“, dass mehr geredet als gehandelt werde. „Wir Deutschen reden sehr viel. Es wird über einen Elefanten gesprochen und eine Maus geboren“, sagte Neitzel am Sonntag im „Heute Journal“ des ZDF und bezog sich dabei insbesondere auf die Verteidigungs- und Sicherheitspolitik.
Im politischen Berlin sei Entscheidungsträgern seiner Einschätzung nach definitiv klar, „was die Uhr geschlagen hat“. Das große Problem bleibe aber, „dass wir nicht ins Handeln kommen“, etwa bei einer großen Reform von Verteidigungsministerium und Bundeswehr. Auch die kürzlich getroffene Einigung für ein neues Wehrdienst-Gesetz sei zwar ein wichtiger, aber in dieser Form kein großer Schritt. Neitzel hoffe sehr, dass die Bundesregierung mehr liefere, als man in den letzten Wochen gesehen habe.
Positiv, dass es die Nato noch gebe
Mit dem Alaska-Gipfel zwischen US-Präsident Donald Trump und Russlands Machthaber Wladimir Putin sei Europa noch einmal die „eigene Verzwergung“ vorgeführt worden. Große Reformschritte in der gemeinsamen Sicherheitskooperation seien weiterhin nicht zu erkennen – umso wichtiger sei es, dass Deutschland vorangehe.
Anfang März hatte eine Aussage Neitzels in der „Phoenix Runde“ für Aufsehen gesorgt. Da sagte er, dass Deutschland in diesem Jahr vielleicht den „letzten Sommer in Frieden“ erlebe. Dies will Neitzel nicht als „Panikmache“, sondern als „Weckruf“ verstanden wissen. Er würde auch weiterhin „keine Entwarnung“ geben, es aber nach den Entwicklungen der letzten Monate etwas „vorsichtiger formulieren“.
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Positiv sei etwa, dass es die Nato noch gebe, was im März kurz nach Amtsantritt von US-Präsident Donald Trump durchaus zur Debatte stand. Auch die Verpflichtung der Nato-Staaten, künftig 3,5 Prozent ihres BIP für das Militär auszugeben, sei ein wichtiger Schritt gewesen.
Dennoch sagt Neitzel: „Wir werden, glaube ich, drei sehr kritische Jahre vor uns haben. Wir müssen immer davon ausgehen, dass Dinge passieren, die wir uns nicht vorstellen können“. Ein Krieg mit Russland könne nach wie vor schneller kommen, als manche denken.
Sapad-Manöver von Russland und Belarus sorgt für Nervosität
Im März hatte Neitzel konkret über das am 12. September beginnende „Sapad“-Manöver gesprochen, bei dem Russland zusammen mit Belarus umfangreiche Militärübungen nahe der Nato-Grenzen durchführen wird. Insbesondere in Litauen sei man angesichts des Truppenaufmarschs unweit der eigenen Grenze nervös. Deutschland hat in Vorbereitung des Manövers bereits Eurofighter-Kampfflugzeuge nach Polen verlegt.
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„Sapad“ ist russisch für „Westen“, das Manöver findet alle vier Jahre statt. Das bislang letzte solche Manöver im September 2021 gilt rückblickend als entscheidende Vorbereitung für Russlands Invasion der Ukraine fünf Monate später. Ein halbes Jahr nach dem „Sapad“-Manöver von 2013 annektierte Russland wiederum die Krim.
Dass die angestoßenen Friedensgespräche Donald Trumps letztlich verpufften und es vorerst nicht zu einem Treffen zwischen Russlands Machthaber Putin und dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj komme, sei laut Neitzel derweil ein Beleg dafür, „dass auch die Macht der USA begrenzt ist und dass Russland mächtige Unterstützer hat“. Die Ergebnisse des Alaska-Gipfels seien „nicht befriedigend“.
Zugleich sei es aber wichtig für Europa, die USA weiter „bei der Stange zu halten“. Trump könnte sich auch komplett vom Thema Ukraine abwenden – Frieden in der Ukraine könne es aber nur geben, „wenn die USA weiter Druck auf Russland ausüben“. Zu Diplomatie gehöre immer auch Symbolik, diese reiche aber nicht aus. Gerade Europa habe bei der Gestaltung der eigenen Sicherheitspolitik weiter „viel Luft nach oben“.
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