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Olaf Scholz (SPD), Bundesfinanzminister, bei einer Fraktionssitzung der SPD im Deutschen Bundestag.

© Bernd von Jutrczenka/dpa

Exklusiv

Morgenlage aus der Hauptstadt: „Taschenspielertrick, um ins Kanzleramt umzuziehen“

FDP wirft Olaf Scholz Buchführungstricks vor + Linke fordert Milliardärssteuer + Allianz im Zuge der Amthor-Affäre + Prominente Rückkehr zum Polit-Szene-Treff

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Wer greift tief ins deutsche Staatssäckel? Finanzminister Olaf Scholz (SPD). Er plant für 2020 Ausgaben von 509,3 Milliarden Euro und eine Neuverschuldung von 218,5 Milliarden Euro. Heute soll der zweite Nachtragshaushalt für das Konjunkturpaket und die Corona-Mindereinnahmen im Kabinett verabschiedet werden. Das Ministerium begründet die Summen damit, dass ein großer Teil der erst ab 2021 vorgesehenen Ausgaben schon jetzt eingeplant und an Sondervermögen wie etwa Energie- und Klimafonds übertragen wird.

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Die FDP pocht dagegen auf einen Sparkurs. Exklusiv für die Morgenlage habe ich beim Haushaltsexperten Otto Fricke nachgefragt, wie er den Entwurf von Olaf Scholz bewertet. Hier seine Antwort:

„Mit dem Nachtragshaushalt nimmt er jetzt mehr Schulden auf, als er eigentlich braucht, parkt sie bis zum Jahresende in vermeintlichen Rücklagen und kann dann im nächsten Haushaltsjahr diese Rücklagen nutzen, ohne eine Nettokreditaufnahme auszuweisen. Durch diesen halbseidenen Kniff sieht es für den ungeschulten Beobachter im Wahlkampfjahr so aus, als käme der Finanzminister ohne neue Schulden aus. Das ist der klassische Taschenspielertrick eines Finanzministers, der nächstes Jahr ins Kanzleramt umziehen möchte. Würde Olaf Scholz den Nachtragshaushalt nicht unnötig aufblähen und auf Buchführungstricks verzichten, könnte er auf die Aussetzung der Schuldenbremse verzichten. Stattdessen setzt er auf bürokratische und ineffiziente Maßnahmen wie die befristete Reduzierung der Mehrwertsteuer. Die FDP hat stattdessen vorgeschlagen den Mittelstandbauch bei der Einkommenssteuer abzuschaffen und die Menschen so nachhaltig zu entlasten.“

Wer muss auf großer Bühne Rede und Antwort stehen? Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) und sein französischer Amtskollege Bruno Le Maire. Die beiden müssen per Videokonferenz den jeweils 50 Abgeordneten des Bundestags und der Nationalversammlung erklären, wie der europäische Wiederaufbauplan ausgestaltet werden soll. Schließlich wollen Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron in ihrem Hilfsfonds ganze 500 Milliarden Euro in Form von Zuschüssen vergeben.

Dazu habe ich exklusiv für die Morgenlage Fabio De Masi, Mitglied der deutsch-französischen Parlamentariergruppe und Linken-Fraktionsvize gefragt, wie der Wiederaufbau aussehen sollte. Hier seine Antwort:

„Die EU Staaten haben unterschiedliche Probleme. Es muss aber aus meiner Sicht um das Gesundheitswesen, den Verkehrs- und Energiesektor sowie Bildung und digitale Infrastruktur gehen. Und wir brauchen Quellen- oder Strafsteuern auf Finanzflüsse in Steueroasen und eine stärkere Besteuerung der digitalen Umsätze von Big Tech Konzernen wie Amazon, die in der Krise ihre Marktmacht ausbauen. Deutschland und Frankreich sollten bei Mindeststeuern für Konzerne gemeinsam vorab gehen. Auch die Milliardäre und Multimillionäre in Ländern wie Italien oder Spanien sollten angemessen besteuert werden, damit der Fiskalpakt nicht zur Kürzung bei öffentlichen Investitionen und Sozialstaat nach der Corona Krise führt.“

Mehr zum Coronavirus:

Wer schadet sich selbst mehr als anderen? Donald Trump. Der US-Präsident hat den Abzug von 9000 seiner rund 35.000 Soldaten aus Deutschland verkündet, weil er meint, Berlin breche seine Nato-Zusage, zwei Prozent des BIP für Rüstung auszugeben. Doch der Plan könnte die US-Sicherheit stärker schädigen als die deutsche. Denn die US-Verbände bilden in hierzulande einen wichtigen „Brückenkopf“. Ohne ihn können US-Einsätze in Afrika, dem Nahen und Mittleren Osten oder Afghanistan nur schwer abgewickelt werden, erklärt der frühere US-Oberbefehlshaber für Europa, Ben Hodges, meinem Kollegen Hans Monath.

Heute will Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg die Abzugspläne bei der Tagung der Verteidigungsminister besprechen lassen. Schon jetzt ist klar, dass Trump aus innenpolitischen Motiven gehandelt haben dürfte: Vier Monate vor der Wahl will er – ohne tiefere Sachkenntnis – schlicht demonstrieren, dass er hart bestrafen kann.

Steht nach der Enthüllung über Lobbyarbeit in der Kritik: CDU-Nachwuchspolitiker Philipp Amthor
Steht nach der Enthüllung über Lobbyarbeit in der Kritik: CDU-Nachwuchspolitiker Philipp Amthor

© imago images/photothek/Janine Schmitz

Wer schmiedet im Zuge der Amthor-Affäre eine Allianz? FDP, Linke und Grüne. Es kommt nicht oft vor, dass sich alle drei einig sind. Doch nun pochen die Parlamentarischen Geschäftsführer Britta Haßelmann (Grüne), Marco Buschmann (FDP) und Jan Korte (Linke) auf ein gesetzliches Lobbyregister. „Wir wollen uns beim Lobbyregister nicht länger von Union und SPD vertrösten lassen“, heißt es in einer gemeinsamen Stellungnahme, die meiner Kollegin Claudia von Salzen vorliegt.

Die Kritik der Opposition richtet sich ausdrücklich gegen beide Koalitionsfraktionen. Diese hätten seit Monaten angekündigt, beim Lobbyregister aktiv zu werden, im Parlament zu dem Thema aber bisher keine eigenen Vorstellungen eingebracht. Heute wollen sich dazu erst einmal Union und SPD abstimmen. Das heißt im Klartext: Bis das Lobbyregister tatsächlich kommt, wird noch viel Zeit vergehen.

Wer ist zurück auf der Berliner Bühne? Johannes Kahrs. Im Mai erst hat der ehemalige SPD-Haushaltspolitiker sein Bundestagsmandat niedergelegt, nachdem er nicht Wehrbeauftragter hatte werden können. Auch auf Twitter meldete er sich bei seinen gut 10.000 Followern ab.

Doch gestern saß er schon wieder im Polit-Szene-Treff Café Einstein Unter den Linden – und zwar mit roten Socken. Meinem Kollegen Georg Ismar hat verraten, dass er jedoch keine Interviews gebe und sich freue, durch die Twitter-Abstinenz „ganze vier Stunden am Tag“ Zeit zu sparen. Von Kahrs profitieren wird somit vorerst nur einer: Martin Pelz. Der Café-Geschäftsführer hatte sich zuletzt über das fast vollständige Fernbleiben seiner Stammgäste beklagt.

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