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Dieter Reiter (SPD), Oberbürgermeister von München

© dpa/Peter Kneffel

Exklusiv

Münchens OB Reiter kritisiert Bundesregierung: „Mit 3,50 Euro für die Kitas kommen wir nicht weit“

Die Kommunen sollen Geld für Infrastruktur bekommen. Doch der Ärger ist groß. „Wir sollen der Motor des Aufschwungs sein, der Bund aber behandelt uns wie ein Reserverad“, sagt Dieter Reiter.

Stand:

Herr Oberbürgermeister, der Bund will Ländern und Kommunen 100 Milliarden Euro für Investitionen zur Verfügung stellen. Haben Sie Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) schon gedankt?
Dieter Reiter: Die Idee ist gut, die Ausführung schlecht. 100 Milliarden Euro waren immer schon zu wenig für Städte und Länder. Wenn ein Aufschwung, eine Energie- und Verkehrswende gelingen soll, brauchen die Kommunen mehr Geld. Wir zahlen Busse und Bahnen, wir betreiben Stadtwerke. Wir sollen die Wenden wuppen, den Aufschwung ermöglichen. Wir sollen der Motor des Aufschwungs sein, der Bund aber behandelt uns wie ein Reserverad. Ich hatte Lars Klingbeil im Frühling gedankt, nun aber führt die Bundesregierung uns regelrecht vor …

Was meinen Sie damit?
Nach dem Treffen des Kanzlers mit den Ministerpräsidenten hat die Koalition die Festlegung aus dem Gesetzentwurf, dass mindestens 60 Prozent der 100 Milliarden Euro an die Kommunen gehen, stillschweigend gestrichen. Das geht gar nicht. 

Wir sind fassungslos über die Chuzpe des Kanzlers und der Ministerpräsidenten

Dieter Reiter, SPD, Oberbürgermeister von München

Was steckt dahinter?
Das zeigt: Herr Merz interessiert sich nicht für die Städte und Gemeinden. Im Gegenteil: Die Ministerpräsidenten wollen uns da heraushalten. Ich bin jetzt hier in Bayern auf das Wohlwollen meines Ministerpräsidenten, mir Geld zu geben, angewiesen. Mit 3,50 Euro für die Kindergärten werden wir nicht weit kommen. Meine Kolleginnen und Kollegen Oberbürgermeister und Bürgermeister sind verärgert. Wir sind fassungslos über die Chuzpe des Kanzlers und der Ministerpräsidenten. Zumal niemand mit uns gesprochen hat. Der Deutsche Städtetag hat seinen Unmut über die Streichung des 60-prozentigen Mindestanteils artikuliert. Die Regierung Merz aber ignoriert die Stellungnahme.

Der Bund verhandelt üblicherweise nicht mit Städten und Gemeinden. Das ist nicht neu.
Und das ist ein Riesenfehler. Wir haben eine Staatsministerin im Kanzleramt für den Sport. Finde ich in Ordnung. Aber wir bräuchten einen Kommunalminister oder jemanden, der am Kabinettstisch zumindest beratend die Kommunen vertritt. Mein Vertrauen ist kaum noch da.

Was muss geschehen? 
Die Bundesregierung muss kurzfristig Vertreter der Kommunen einladen, um zu besprechen, wie wir bei solchen Projekten beteiligt werden können. Lars Klingbeil hat mir das in Aussicht gestellt, wobei er nicht für die gesamte Bundesregierung sprechen kann. Der Bundestag sollte im parlamentarischen Verfahren überlegen, ob er mit 60 Prozent der Bürger, die in Städten leben, nicht besser umgeht als bisher geplant.

Klingbeil hat in seiner Haushaltsrede versprochen, dass Schlaglöcher beseitigt und Schultoiletten repariert werden, „dass das Schwimmbad neue Duschen bekommt“. Sind diese Erwartungen realistisch?
Da habe ich Zweifel. Wir haben einen riesigen Sanierungstau. Ohne das Geld vom Bund werden wir keine Schultoilette und keine Schwimmbad-Dusche sanieren können. Hinzu kommt: Der Bund senkt die Steuern, ab 2026 für die Gastronomie, später die Körperschaftssteuer. Das reißt Löcher in unsere Kassen. Stand jetzt kosten die Gesetze der Berliner Koalition den Städten Geld – anstatt ihnen Geld zu bringen. Für uns ist all das kein Wachstums-Turbo, sondern das Gegenteil.

Kämpfen die beiden größten deutschen Städte, die Stadtstaaten Berlin und Hamburg, für die anderen Städte?
Nein. Leider. Ich habe mir etwas mehr Solidarität der größten Städte gewünscht. Da aber die Bürgermeister von Berlin und Hamburg zugleich Ministerpräsidenten sind und das Geld eh bekommen, tun sie nichts für die anderen Städte. Viele Kollegen Bürgermeister großer und kleiner Städte aller Parteien sind auf breiter Front entsetzt.  

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