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Köln, wo bist du? Am Friedensmarsch der Muslime beteiligten sich deutlich weniger Menschen als von den Veranstaltern erhofft.

© Henning Kaiser/dpa

Muslime gegen Gewalt und Terror: Deutlich weniger Demonstranten in Köln als erwartet

Auf bis zu 10.000 Teilnehmer hatten die Initiatoren des „Friedensmarsches“ gegen Terror gehofft – gekommen sind deutlich weniger. Die Veranstalter sind enttäuscht.

Der Kölner Heumarkt wird architektonisch von einem Reiterdenkmal geprägt. Direkt davor steht eine Bühne. Deutlich zu sehen das Motto der Demonstration: „Nicht mit Uns – Muslime und Freunde gegen Gewalt und Terror“. Eine halbe Stunde vor dem Beginn der Demonstration haben sich knapp 50 Menschen auf dem großen Platz versammelt.

Belagert werden die wenigen Demonstranten – viele von ihnen aus der deutschen Friedensbewegung, wie Buttons und Fahnen zeigten – von einer etwa gleich großen Zahl von Kamerateams und Journalisten. So viel Aufmerksamkeit wie der „Ramadan Friedensmarsch“ hat in den vergangenen Jahren wohl keine Demonstration ausgelöst, bei der nicht mit Gewalttaten zu rechnen war.

Die Islamwissenschaftlerin Lamya Kaddor und der Friedensaktivist Tarek Mohamad hatten vor knapp zwei Wochen bekannt gegeben, dass sie in Köln gegen Terror demonstrieren wollen. Bei der Kundgebung, dass hatten Mohamad und Kaddor mehrfach betont, handele es sich nicht um eine Reaktion auf die Aufforderung des „Rock-am Ring“-Veranstalters Marek Lieberberg, dass Muslime endlich massenhaft gegen den Terror demonstrieren sollten.

Kaddor sagte, es sei eine spontane Reaktion auf den Anschlag an der London Bridge gewesen. Schnell fanden sich viele prominente Unterstützer für die Demonstration. Zum Beispiel der designierte nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet oder SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz. Wer in der deutschen Politik etwas auf sich hält, unterstütze den Aufruf. Teilgenommen haben allerdings nur die wenigsten. Mit Joachim Stamp von der FDP und dem SPD-Chef von Nordrhein-Westfalen, Michael Groschek, finden sich immerhin einige bekannte Landespolitiker in Köln ein.

Ditib macht nicht mit

Für Aufregung im Vorfeld hatte die Absage von Ditib gesorgt. Der Verband, der von der türkischen Religionsbehörde Diyanet gesteuert wird, hatte wenige Tage vor der Demonstration seine Teilnahme abgesagt. Bei Ditib hieß es, man werde am Freitag ein Friedensgebet in allen Moscheen veranstalten. Eine Teilnahme an der Demonstration sei Muslimen im Fastenmonat Ramadan allerdings nicht zuzumuten. Und: Muslime würden durch die Veranstaltung stigmatisiert.

Als Regierungssprecher Steffen Seibert in der Bundespressekonferenz darauf angesprochen wurde, wie die Kanzlerin die Absage bewerte, äußerte er sich zurückhaltend. Angela Merkel begrüße die Demonstration in Köln und die Absage des türkischen Verbandes sei „einfach schade“, so der Regierungssprecher.

Als der Friedensmarsch sich gegen 14 Uhr unter den Klängen von John Lennons Lied „Imagine“ in Bewegung setzt, sind schätzungsweise zwischen 1000 und 1500 Menschen zusammengekommen. In den vorangegangenen Reden wurde die Enttäuschung über die geringe Teilnehmerzahl – im Vorfeld hatten die Veranstalter mit 2000 bis 10.000 Teilnehmern gerechnet – deutlich zum Ausdruck gebracht. Moderatorin Jacqueline Bakir-Brader fragte mehrfach von der Bühne aus: „Köln, wo bist du?“

Nicht im Ramadan demonstrieren? "Absurd"

Auch Lamya Kaddor zeigte sich enttäuscht, sagte es sei ein Fehler, nicht da zu sein. Das Argument der Ditib, man könne in der warmen Mittagszeit nicht demonstrieren, nannte sie als „absurd“. Muslime würden im Ramadan auch arbeiten und Sport treiben. Der einzige Redner, der nicht mit Ditib ins Gericht ging, war Sadiqu al Mousllie vom Zentralrat der Muslime. Er sagte, wer nicht an der Demonstration teilnehme, sei „kein schlechterer Staatsbürger“ und dürfe auch nicht „in die Nähe von Terroristen“ gerückt werden.

Mitorganisator Tarek Mohamad zeigte sich angesichts der Teilnehmerzahl ebenfalls enttäuscht. Hoffnung gab ihm anfangs nur die Kölner Polizei, die darauf verwies, dass sich bei Demonstrationen oft viele Menschen während des Marsches anschließen würden. Diese Hoffnung bestätigte sich nicht. Woran es gelegen hat, dass nur so wenige gekommen sind, darüber wollte Mohamad später nachdenken.

An wem es nicht gelegen hat, wurde jedoch auch deutlich: An den Muslimen der Ahmadiyya Gemeinden. Mit immerhin 100 Menschen und vielen Transparenten waren die Muslime, die als liberal gelten, die größte muslimische Gemeinschaft, die sich auf der Demonstration zeigte.

Lamya Kaddor und ihre Mitstreiter haben versucht, es vielen Recht zu machen. Islam-Kritiker wie Necla Kelek, die im Vorfeld eine Auseinandersetzung mit Gewalt-Aufrufen im Koran und Distanz zu konservativen Verbänden gefordert hatten, werden sich wohl in ihrer Sichtweise bestätigt fühlen: Die Kölner Demonstration war kein deutliches Zeichen von Muslimen gegen den Terror.

Sebastian Weiermann

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