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Die russische Botschaft in Berlin.

© dpa/Carsten Koall

Mutmaßliche Kreml-Agenten verhaftet: „Russische Nachrichtendienste nutzen in Deutschland zunehmend Kriminelle“

Drei Männer sitzen in Untersuchungshaft, die im russischen Auftrag offenbar Sprengstoffanschläge verüben sollten. Ermittler fürchten, Moskau werbe zunehmend „Low-Level-Agents“ an.

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In deutschen Sicherheitskreisen wird davon ausgegangen, dass russische Nachrichtendienste in der Bundesrepublik weitere Männer für diverse Aufgaben angeheuert haben. In einem aktuellen Fall wurden drei mutmaßliche Agenten verhaftet, die Anschläge auf Transportwege geplant haben sollen. Zwei Verdächtige sitzen in deutscher Untersuchungshaft, ein Mann wurde in der Schweiz festgenommen. Die Generalbundesanwaltschaft ermittelt.

„Viel spricht dafür, dass es sich um von russischen Stellen angeheuerte Täter handelt, womöglich haben sie sich auch angeboten“, sagte der Vorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, Dirk Peglow, dem Tagesspiegel. „Russische Nachrichtendienste binden offenbar zunehmend kriminelle Akteure ein.“

Handlanger für Sabotage

Bekannt ist, dass europaweit junge Männer in den sozialen Medien, aber auch konspirativer im Darknet für Schmuggel, Hehlerei und Mord rekrutiert werden, so etwa in den Revierkämpfen der niederländisch-marokkanischen „Mocro-Mafia“. Bezüglich russischer Dienste wird in deutschen Sicherheitskreisen inzwischen von „Wegwerf-Agenten“ gesprochen, die für wenige Aktionen angeworben und danach fallengelassen würden.

Wahrscheinlich werben russische Stellen nicht nur russischsprachige Männer an, obwohl es dann vielleicht eher einen Solidarisierungseffekt mit dem Regime von Wladimir Putin gibt

Dirk Peglow, Vorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter

Das müssen, so heißt es, nicht immer hochprofessionelle Aufgaben sein. Mitunter bestehe der Auftrag darin, pro-ukrainische Veranstaltungen zu stören, Autoreifen zu zerstechen oder Brände zu legen. Auftraggeber könnten neben dem Militärgeheimdienst GRU auch der formal für das russische Inland zuständige FSB sein.

Dirk Peglow vom Ermittler-Verband spricht von „Low-Level-Agents“, die weder über eine nachrichtendienstliche Ausbildung noch eine besondere ideologische Prägung oder genaue Kenntnisse zu ihrem Auftraggeber verfügten. Die Angeheuerten dürften in vielen Fällen nur den Mittelsmann kennen – und auch dessen Identität nicht wirklich.

„Wahrscheinlich werben russische Stellen nicht nur russischsprachige Männer an, obwohl es dann vielleicht eher einen Solidarisierungseffekt mit dem Regime von Wladimir Putin gibt“, sagte Peglow. „Wir müssen davon ausgehen, dass Moskaus Dienste auch in völlig anderen Kreisen nach Handlangern suchen.“

Post mit Sprengstoff

Die russische Regierung hat solche Vorwürfe immer bestritten, es gilt die Unschuldsvermutung. In Estland sind von Russland angeheuerte Agenten erst im Dezember 2024 verurteilt worden. Demnach hatte ein örtlicher Rechtsextremist auf Geheiß des GRU zwei Männer für Sabotageakte rekrutiert.

Im aktuellen Fall wurden in den letzten Tagen drei ukrainische Staatsangehörige verhaftet. In den Haftbefehlen wird Yevhen B., Daniil B. und Vladyslav T. zur Last gelegt, sich spätestens im März 2025 gegenüber mutmaßlich russischen Auftraggebern bereiterklärt zu haben, Anschläge auf den Gütertransport in und aus der Bundesrepublik zu begehen.

Test-Pakete verschickt

Die Beschuldigten wollten, so der Vorwurf, von Deutschland aus mit Spreng- oder Brandvorrichtungen präparierte Pakete in die Ukraine schicken. Diese Pakete sollten demnach während des Transports explodieren. Um die Abläufe auszukundschaften, soll T. im März 2025 in Köln zwei Testpakete mit darin befindlichen GPS-Trackern aufgegeben haben.

Bundesnachrichtendienst, Bundeswehr und Verfassungsschutz warnen seit Russlands Angriff auf die Ukraine im Februar 2022 verstärkt vor Spionage und Sabotage durch Moskaus Dienste. Der damalige Verfassungschef Thomas Haldenwang sagte, bei einem mutmaßlich von Russland initiierten Brand im vergangenen Juli hätte es einen Flugzeugabsturz geben können. Ein präpariertes Paket war noch im Logistikzentrum Leipzig in Brand geraten.

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