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Wie hier in Los Angeles wurde am Wochenende in vielen Städten gegen das Supreme-Court-Urteil zu Abtreibung protestiert.

© Keith Birmingham/The Orange County Register via AP/dpa

Nach dem Urteil des Supreme Court: Die gespaltenen Staaten von Amerika

Das Oberste Gericht hat das Recht auf Abtreibung gekippt. Das Urteil treibt das Land weiter auseinander – und wird sich auf die Wahlen im Herbst auswirken.

Sie haben keine Zeit verstreichen lassen. Mehrere von Republikanern regierte US-Bundesstaaten haben unmittelbar nach der Entscheidung des Obersten Gerichts zum Ende des bundesweiten Abtreibungsrechts Schwangerschaftsabbrüche de facto verboten.

In Staaten wie Arkansas, Kentucky oder Louisiana sind Abtreibungen nun illegal, selbst im Fall einer Vergewaltigung oder Inzest. Ausnahme gibt es in der Regel bei medizinischen Notfällen, aber die Unsicherheit ist groß. In vielen Staaten, beispielsweise in Missouri oder Oklahoma, drohen Ärzten, die Abtreibungen durchführen, nun lange Gefängnisstrafen.

Dramatische Szenen vor Abtreibungskliniken

Viele Anbieter solcher Eingriffe sahen sich gezwungen, von einem Tag auf den anderen ihre Arbeit einzustellen beziehungsweise in liberalere Nachbarstaaten zu verlegen. US-Medien berichteten von teilweise dramatischen Szenen etwa an der einzigen Klinik in West Virginia, als Frauen abgewiesen werden mussten, die einen Termin vereinbart hatten.

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Andere wie die einzigen Kliniken in Texas und Mississippi kündigten an, so lange durchzuhalten, bis die Arbeit offiziell verboten ist. Im ihrem Fall wird das zehn Tage nach dem Zeitpunkt sein, an dem der zuständige Landesjustizminister eine entsprechende Anordnung veröffentlicht.

Weiter Proteste in Washington und anderen Städten

Vor dem Supreme Court in Washington und in vielen anderen Städten dauerten die Proteste gegen das von der konservativen Gerichtsmehrheit erlassene Aus für das Grundsatzurteil „Roe v. Wade“ an, das seit knapp 50 Jahren das Recht der Frauen, selbst zu entscheiden, festhielt. Aktivisten und Politiker kündigten an, die Entscheidung nicht einfach hinzunehmen.

[Lesen Sie auch: Abtreibungsdebatte in den USA: Die Furcht vor der Rückkehr „dunkler Zeiten“(T+)]

Erwartet wird, dass das Urteil erst der Anfang neuer Auseinandersetzungen ist – und der Beginn einer noch tieferen Polarisierung des Landes. Rund die Hälfte aller Bundesstaaten will Abtreibungen ganz oder zumindest weitgehend verbieten.

Demokratische Staaten bereiten sich vor, den Frauen zu helfen

Von Demokraten regierte Bundesstaaten trafen erste Vorkehrungen, um mehr potenzielle Patientinnen zu versorgen und Frauen vor juristischen Konsequenzen zu schützen. Tim Walz, der Gouverneur von Minnesota, wo Abtreibungen legal bleiben, unterzeichnete einen Erlass, nach dem diejenigen, die in seinem Staat eine Abtreibung vornehmen wollen oder diese anbieten, in anderen Staaten dafür nicht belangt werden können.

US-Präsident Joe Biden hatte sofort nach der Gerichtsentscheidung von einem „tragischen Fehler“ des Supreme Court gesprochen und davor gewarnt, dass weitere hart erkämpfte Rechte wie das auf Verhütungsmittel oder die Homo-Ehe als nächstes gekippt werden könnten. Der Demokrat forderte den US-Kongress auf, das allgemeine Recht auf Abtreibung über ein Bundesgesetz wiederherzustellen.

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Unternehmen mit Standorten in konservativen Bundesstaaten kündigten an, für ihre Mitarbeiterinnen die Transportkosten zu übernehmen, darunter Amazon, Apple, Deutsche Bank, Disney, Goldman, Gucci, Nike und Tesla. Ihnen könnten allerdings juristische Auseinandersetzungen drohen.

Die Spenden für Planned Parenthood schnellen in die Höhe

Denn einige Staaten stellen nicht nur das Anbieten und Durchführen von Schwangerschaftsabbrüchen unter Strafe, sondern auch jegliche Unterstützung dafür – mancherorts soll sogar das Reden darüber geahndet werden.

Gleichzeitig schnellten die Spenden an Organisationen in die Höhe, die Frauen bei Schwangerschaftsabbrüchen unterstützen. Es seien innerhalb von 24 Stunden 40 Mal mehr Spendenbeträge eingegangen als normalerweise an einem Tag, teilte der größte Anbieter Organisation Planned Parenthood mit. In Sozialen Medien wurden Aufrufe gestartet, sich zu Netzwerken zusammenzuschließen, um betroffenen Frauen zu helfen.

Manche Republikaner fürchten die Konsequenzen

Trotz aller Freude über ihren juristischen Erfolg zeigten sich manche Republikaner besorgt, dass die Entscheidung demokratische Wähler bei den im November anstehenden Midterm-Wahlen mobilisieren könnte. Die Mehrheit der Amerikaner hatte in Umfragen immer wieder erklärt, grundsätzlich an dem durch „Roe v. Wade“ garantierten Recht auf Abtreibung festhalten zu wollen.

Selbst Ex-Präsident Donald Trump, der mit der Ernennung von drei Richtern in seiner Amtszeit das Gewicht des Supreme Court kräftig nach rechts verschoben hat und sich dafür bis heute feiern lässt, hat nach einem Bericht der „New York Times“ intern vor den Konsequenzen gewarnt.

Trump soll vor Mobilisierung demokratischer Wähler gewarnt haben

Nachdem Anfang Mai ein erster Urteilsentwurf durchgestochen worden war, soll er gegenüber Vertrauten erklärt haben, ein Ende von „Roe v. Wade“ sei „schlecht für die Republikaner“, weil es „suburban women“, also Frauen im Speckgürtel größerer Städte, verprellen würde. Diese Gruppe war mitentscheidend dafür, dass Biden 2020 die Wahl gewinnen konnte.

Auch soll Trump Maßnahmen wie die von Texas, das die meisten Abtreibungen bereits nach der sechsten Schwangerschaftswoche untersagt und Bürgern das Recht gibt, Menschen zu verklagen, die bei einem Abbruch helfen, als „bescheuert“ bezeichnet haben.

Trump, der weiter behauptet, dass ihm die Wahl gestohlen worden sei, bereitet sich derzeit auf eine mögliche Kandidatur 2024 vor – ungeachtet der Tatsache, dass ein Untersuchungsausschuss des Repräsentantenhauses seine Verantwortung für den 6. Januar 2021 nachzuweisen versucht. Damals stürmten seine Anhänger das Kapitol in Washington, um zu verhindern, dass der Kongress Bidens Wahlsieg offiziell bestätigte. Fünf Menschen starben.

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