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Rauch steigt in Gaza nach einem israelischen Luftangriff auf.

© dpa/ Hatem Moussa

Update

Nahost-Konflikt eskaliert weiter: 1600 Raketen aus Gazastreifen abgefeuert – Israel weitet Militäreinsatz aus

Die Konfliktparteien in Israel reagieren mit immer neuen Attacken. Die Hamas feuert Raketen ab. Israel weitet Angriffe auf Gaza aus.

Nach der Eskalation im Gaza-Konflikt zeichnet sich vorerst kaum Beruhigung ab. Militante Palästinenser im Gazastreifen setzten auch rund 70 Stunden nach Beginn der Raketenangriffe den Beschuss auf Israels fort.

Israels Sicherheitskabinett hat eine Ausweitung des Militäreinsatzes gegen die dort herrschende Hamas beschlossen. Die Armee solle gezielt „Symbole der Hamas-Herrschaft“ in dem Palästinensergebiet angreifen, berichtete der Sender Kanal 12 . Das Militär teilte mit, Kampfflugzeuge hätten eine Reihe strategisch wichtiger Gebäude sowie ein Marinekommando der Hamas angegriffen.

Das israelische Militär setzte am Donnerstag seine massiven Angriffe auf das Küstengebiet fort. Es sei bereits die Zerstörung des Finanzministeriums im Herzen der Stadt Gaza angekündigt worden. Dies solle der Hamas die finanzielle Kontrolle im Gazastreifen erschweren. Nach Armee-Angaben wurde erneut ein mehrgeschössiges Gebäude beschossen. Im Vergleich zu früheren israelischen Einsätzen waren die Zerstörungen der vergangenen Tage im Gazastreifen sehr groß.

Militante Palästinenser im Gazastreifen haben nach Angaben des israelischen Militärs bislang insgesamt mehr als 1600 Raketen auf Israel abgefeuert. Rund 400 davon seien noch in dem Küstengebiet niedergegangen, sagte Sprecher Jonathan Conricus am Donnerstagmorgen. Die Erfolgsquote des Abfangsystems Eisenkuppel („Iron Dome“) betrage weiterhin im Schnitt rund 90 Prozent.

Dem Sprecher zufolge starben seit Beginn des Beschusses aus dem Gazastreifen am Montagabend bislang sieben Menschen in Israel, sechs Zivilisten und ein Soldat. Im Gazastreifen starben nach Angaben des Gesundheitsministeriums 83 Menschen seit der Eskalation der Gewalt.

Conricus sagte, das israelische Militär habe bislang rund 600 Ziele in dem Gazastreifen beschossen, darunter Stätten zur Produktion von Raketen und Lagerräume. Angegriffen worden sei zuletzt auch ein Tunnel, der Kämpfern unter anderem als Versteck gedient habe. Dieser sei unter einer Schule in besiedeltem Gebiet gegraben worden.

Erstmals Raketenalarm auch im Norden Israels

Erstmals seit Beginn der Gewalteskalation in Israel ist auch im Norden des Landes Raketenalarm ausgelöst worden. In der Jesreel-Ebene ertönten in der Nacht zu Donnerstag Alarmsirenen, wie das israelische Militär mitteilte. Auch in der Küstenmetropole Tel Aviv waren in der Nacht wieder Warnsirenen ertönt.

Der internationale Flughafen Ben Gurion bei Tel Aviv wurde wegen der Angriffe zeitweise für Landungen und Abflüge geschlossen. Die Flüge wurden nach Zypern umgeleitet. Die deutsche Lufthansa annullierte am Donnerstag alle Flüge von und nach Tel Aviv. Die betroffenen Passagiere würden über die Streichungen informiert. Der Flugbetrieb nach Israel werde voraussichtlich ab Samstag wieder aufgenommen.

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Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu lehnt den Berichten zufolge eine Waffenruhe zu diesem Zeitpunkt ab. Die USA schicken einen Spitzendiplomaten in die Region, um sich mit führenden Vertretern beider Seiten zu treffen. Hady Amr will auch im Namen von US-Präsident Joe Biden auf eine Deeskalation der Gewalt drängen. Auch Unterhändler Ägyptens, Katars und der Vereinten Nationen bemühen sich nach Medienberichten um eine Beruhigung.

Israel macht die im Gazastreifen herrschende, islamistische Hamas für jegliche Angriffe aus dem Gazastreifen verantwortlich. Die Palästinensergruppe wird von Israel und der EU als Terrororganisation eingestuft.

Das ist seit Montag in Israel passiert:

  • Seit Montagabend kurz nach 18 Uhr beschießen militante Palästinenser im Gazastreifen Israel mit Raketen. Zuvor hatte es in Jerusalem Zusammenstöße zwischen Palästinensern und israelischen Sicherheitskräften gegeben. Auslöser waren Proteste gegen Polizei-Absperrungen in der Altstadt sowie drohende Zwangsräumungen palästinensischer Familien.
  • Auf den Raketenbeschuss reagierte Israels Armee mit Angriffen auf Ziele im Gazastreifen, vor allem durch die Luftwaffe. Die schwersten Angriff seit dem Gaza-Krieg 2014.
  • Dabei wurden am Dienstag und in der Nacht zu Mittwoch zwei Hochhäuser im Stadtzentrum von Gaza zerstört, in dem sich auch mehrere Büros der Hamas befanden. Ranghohe Vertreter sollen dabei ums Leben gekommen sein.
  • Die Hamas reagierte am Dienstagabend und feuerte 130 Raketen aus dem Gazastreifen auf Tel Aviv und Zentralisrael ab.
  • Nach Angaben der Rettungsorganisation Zaka starb am Dienstagabend eine Frau in der Stadt Rischon Lezion bei einem direkten Einschlag, bei einer zweiten Angriffswelle am frühen Mittwochmorgen wurden dann in Lod bei Tel Aviv eine Frau und ein Kind getötet. In Jehud, ebenfalls im Großraum Tel Aviv, sei ein Haus direkt getroffen worden. Am Mittwoch dann wurde ein israelischer Soldat durch eine Rakete aus dem Gazastreifen getötet.
  • Der internationale Flughafen Ben Gurion bei Tel Aviv wurde wegen der Angriffe zeitweise für Landungen und Abflüge geschlossen. Die Flüge wurden nach Zypern umgeleitet.
  • Ebenfalls am Mittwoch feuerte die Hamas nach eigenen Angaben 15 Raketen in Richtung der israelischen Wüstenstadt Dimona ab. Dort befindet sich ein israelischer Atomreaktor.
  • Am Mittwochabend wurde dann bei einem israelischen Luftangriff ein weiteres Hochhaus im Stadtzentrum von Gaza zerstört worden. Dabei handelte es sich um das zehnstöckige Al-Scharuk-Haus, in dem sich unter anderem Büros des Fernsehsenders Al-Aksa befanden.
  • Der Vergeltungsangriff der Hamas folgte sogleich. Sie feuerte erneut 130 Raketen. Ein sechsjähriger Junge wurde nach Angaben von Rettungskräften in Israel offenbar durch eine der Raketen getötet.
  • Insgesamt wurden bisher (Stand Mittwochabend) sieben Menschen in Israel durch Raketenbeschuss getötet. Im Gazastreifen starben nach Angaben des Gesundheitsministeriums 83 Menschen.

Der Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern ist zuletzt wieder aufgeflammt. Er spitzte sich im muslimischen Fastenmonat Ramadan und nach der Absage der Parlamentswahl in den Palästinensergebieten immer weiter zu. Als Auslöser gelten etwa Polizei-Absperrungen in der Jerusalemer Altstadt, die viele junge Palästinenser als Demütigung empfanden. Hinzu kamen drohende Zwangsräumungen von Familien und daraus resultierende Auseinandersetzungen von Palästinensern und israelischen Siedlern im Jerusalemer Viertel Scheich Dscharrah sowie heftige Zusammenstöße auf dem Tempelberg (Al-Haram al-Scharif).

Die Anlage mit Felsendom und Al-Aksa-Moschee ist die drittheiligste Stätte im Islam. Sie ist aber auch Juden heilig, weil dort früher zwei jüdische Tempel standen. Der Konflikt greift zunehmend auch auf Orte im israelischen Kernland über - mit Gewalttaten von Arabern gegen Juden und unmgekehrt.

Iron Dome ist aktiviert, um Raketen über Ashdod abzufangen
Iron Dome ist aktiviert, um Raketen über Ashdod abzufangen

© Emmanuel Dunand/AFP

Der Status Jerusalems ist seit langem eine der zentralen Streitfragen im Nahost-Konflikt. Israel beansprucht Jerusalem als „ewige und unteilbare Hauptstadt“ für sich. Die Palästinenser halten am Anspruch auf Ost-Jerusalem als Hauptstadt eines unabhängigen Staates fest.

Die im Gazastreifen herrschende, islamistische Hamas hat sich zum Verteidiger Jerusalems erklärt. Von Israel verlangte sie zu Wochenbeginn per Ultimatum unter anderem, dass alle israelischen Polizisten und Siedler den Tempelberg und Scheich Dscharrah verlassen - Israel folgte dem nicht. Die Hamas hat ihren Raketenbeschuss unter das Motto „Schwert von Jerusalem“ gestellt. Israel nennt seinen Einsatz „Wächter der Mauern“.

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Israels Sicherheitskabinett hat zuletzt eine Ausweitung des Militäreinsatzes beschlossen. Die Armee solle gezielt „Symbole der Hamas-Herrschaft“ in dem Palästinensergebiet angreifen, berichtete der Sender Kanal 12. Am Mittwoch hatte die Armee gezielt hochrangige Vertreter von Hamas und Islamischem Dschihad angegriffen. International wuchs die Besorgnis über eine weitere Eskalation des Konflikts.

Seit der gewaltsamen Machtübernahme der Hamas im Gazastreifen im Jahre 2007 haben sich Israel und die radikale Palästinenserorganisation drei Kriege geliefert. Der letzte war 2014. Mit einer Dauer von zwei Monaten war er der längste. Andere Waffengänge dauerten von 48 Stunden bis einen Monat.

Israel und Ägypten halten den dicht besiedelten Gazastreifen unter Blockade und begründen dies mit Sicherheitserwägungen. Rund zwei Millionen Menschen leben dort nach Angabe von Hilfsorganisationen unter miserablen Bedingungen. Die Hamas wird von Israel, den USA und der EU als Terrororganisation eingestuft. Sie hat die Zerstörung Israels zu ihrem Ziel erklärt. (AFP, dpa)

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