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German Foreign Minister Annalena Baerbock, Economy and Climate Minister Robert Habeck and Chancellor Olaf Scholz attend the weekly cabinet meeting in Berlin, Germany, December 21, 2022. REUTERS/Christian Mang

© REUTERS/ CHRISTIAN MANG

Nationale Sicherheitsstrategie: Droht der nächste Ampel-Streit?

Eigentlich sollte die „Nationale Sicherheitsstrategie“ zur Münchner Sicherheitskonferenz Mitte Februar vorgestellt werden. Doch der Zeitplan wackelt.

Dass die Ampel-Koalition unterschiedliche Auffassungen zur Sicherheitspolitik hat, ist spätestens seit dem Streit um einen Teilverkauf eines Hamburger-Hafenterminals an China offenkundig. Das Auswärtige Amt hatte dringend davor gewarnt, Bundeskanzler Olaf Scholz aber hatte den Deal dennoch durchgedrückt.

Auch bei der Erarbeitung der „Nationalen Sicherheitsstrategie“ gibt es nun offenbar einen Dissens. Die Strategie ist nicht wie geplant schon vor Weihnachten in die Ressortabstimmung gegangen. Zuerst hatten „Spiegel“ und „Welt“ darüber berichtet.

Demnach hatten Spitzenbeamte des Bundeskanzleramts die Weiterleitung des Entwurfs des Auswärtigen Amtes gestoppt, da noch 30 Punkte offen seien. Das Finanzministerium hatte sich den Bedenken des Kanzleramtes angeschlossen.

Die Nationale Sicherheitsstrategie sollte laut Koalitionsvertrag bereits im ersten Regierungsjahr vorgelegt werden, dieser Zeitplan aber konnte nicht gehalten werden. Nun soll sie zur Münchner Sicherheitskonferenz im Februar erscheinen. Doch auch dieser Zeitpunkt steht inzwischen infrage, wie der Tagesspiegel aus Regierungskreisen erfuhr.  

Mit der Nationalen Sicherheitsstrategie will die Bundesregierung vor dem Hintergrund der aktuellen und weiterhin schwierigen Sicherheitslage sowohl in Deutschland als auch gegenüber den internationalen Partnern mehr Orientierung bieten. Ziel ist es auch, Ressourcen zu bündeln und die Planungsprozesse verschiedener Ministerien zusammenzuführen.

Anders als etwa in den USA erschwert die bundesdeutsche Tradition von Koalitionsregierungen – in denen die Partner unterschiedliche Ansätze verfolgen – eine organisatorische Bündelung von Kompetenz etwa im Kanzleramt.

Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hatte bei der Vorstellung ihrer Ideen zu einer Nationalen Sicherheitsstrategie im März drei essenzielle Punkte benannt: Die Sicherheit der Unverletzlichkeit des Lebens, zuvorderst vor Gewalt und Krieg. Die Sicherheit von Freiheit, der Resilienz der Demokratie. Und die Sicherheit der Lebensgrundlagen, der Schutz von Umwelt und Ressourcen.

Bundesländer kritisieren fehlende Einbindung

„Wir werden dabei besonnen und pragmatisch vorgehen. Nicht mit Schwarz-Weiß-Kategorien, sondern mit Mut zur Abwägung und Mut zur Auseinandersetzung. Und mit klarem Wertekompass in der Hand“, hatte die Ministerin betont. Die Sicherheitsstrategie sollte im Austausch mit anderen Akteuren entstehen.

Doch genau die fehlende Einbindung kritisieren nun die Bundesländer. „Eine nationale Sicherheitsstrategie wird vor allem auch den Schutz der kritischen Infrastruktur und hybride Attacken einbeziehen müssen. Bei diesen und anderen Themen sind dann ganz automatisch auch die Länder gefragt“, sagte der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) dem Tagesspiegel. „Deswegen ist es auch richtig, wenn der Bundeskanzler angekündigt hat, dass die Länder bei der Erarbeitung zu beteiligen sind.“  

Von einem Streit oder Zerwürfnis der Regierung kann keine Rede sein. Es gibt in keinem Bereich tiefgreifende Differenzen.

Aus Regierungskreisen

Punkte, die nach Tagesspiegel-Informationen zwischen den Ministerien noch offen sind, sind beispielsweise Passagen zu Waffenexporten, zu Geldern für die Entwicklungshilfe und zur China-Politik. Nach Auffassung des Auswärtigen Amtes soll die Passage zu China wohl in einen europäischen Kontext eingebettet werden, das sieht das Kanzleramt offenbar anders.

Die China-Passagen seien dem Kanzleramt zu scharf, berichtete auch die „Welt“. Auch über die Frage, ob ein Nationaler Sicherheitsrat eingerichtet werden soll, und wenn ja, wo er angesiedelt werden soll, herrscht offenbar noch Uneinigkeit.

Regierungskreise betonen, es handele sich nicht um Streit

In Regierungskreisen wird betont, dass es sich aber nicht um einen Streit zwischen den Ministerien handele. „Von einem Streit oder Zerwürfnis der Regierung kann keine Rede sein. Im Gegenteil: Man ist auf der Arbeitsebene mit der Formulierung der Nationalen Sicherheitsstrategie bereits sehr weit vorangeschritten. Es gibt in keinem Bereich tiefgreifende Differenzen“, hieß es. „In Bezug auf China etwa sind sich alle einig, dass wir unsere Abhängigkeit reduzieren müssen, ohne dass es aber zu einem Decoupling kommen soll.“

Es gebe „nur noch einzelne Formulierungen“, die in eckigen Klammern seien, und demnach noch strittig sind. „Die förmliche Ressortabstimmung wurde allein deshalb verzögert, um schon in der Frühphase eine weitestgehende Einigung zu erzielen“, hieß es gegenüber dem Tagesspiegel. Allerdings war man sich auch hier nicht sicher, ob der Zeitplan der Veröffentlichung um die Münchner Sicherheitskonferenz eingehalten werden könne.

Zusätzlich zur Nationalen Sicherheitsstrategie arbeitet die Bundesregierung derzeit an einer China-Strategie. Ein Entwurf der China-Strategie war im November an die Medien durchgesickert. Dabei hatte das Auswärtige Amt einen Fokus auf die Wahrung der Menschenrechte in China gelegt.

Die Regierung in Peking hatte darauf pikiert reagiert. Sie lehne „die Verunglimpfung Chinas durch die deutsche Seite“ mit sogenannten Menschenrechtsfragen sowie „Lügen und Gerüchten“ ab.

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