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Trump und die gespaltene EU: Nationalisten unter sich
Sloweniens Regierungschef Jansa gratuliert Trump vorzeitig zum Sieg. Es ist auch ein Indiz für die Schwächen einer gemeinsamen EU-Außenpolitik. Ein Kommentar.

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Die EU hat in jüngster Zeit einige Belege dafür geliefert, dass sie sich mit einer einheitlichen Linie in entscheidenden außenpolitischen Fragen schwer tut. Das wochenlange Gezerre um Sanktionen gegen Belarus gehört genauso dazu wie das zögerliche Auftreten gegenüber den Machtspielen des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan in der Region des östlichen Mittelmeers. Jetzt ist die Brüsseler Mängelliste während der Auszählung der Stimmzettel in den USA noch einmal länger geworden.
Von der Leyen hält sich richtigerweise mit Kommentaren zurück
Während sich EU-Spitzenleute wie Kommissionschefin Ursula von der Leyen und Ratschef Charles Michel am Mittwochvormittag angesichts des knappen Rennens in den USA mit Kommentaren richtigerweise eisern zurückhielten, war der slowenische Ministerpräsident Janez Jansa schon munter auf Twitter unterwegs. Er verbreitete die Nachricht, es sei „ziemlich klar“, dass die Amerikaner Trump für vier weitere Jahre zum Präsidenten gewählt hätten.
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Nun steht es den Regierungschefs souveräner Staaten natürlich frei, sich in außenpolitischen Fragen nach eigenem Gutdünken zu äußern. Anders als bei der europäischen Handelspolitik, die derzeit bei den Post-Brexit-Verhandlungen maßgeblich zum Tragen kommt, liegt die Verantwortung für die Diplomatie weiterhin zu einem großen Teil in den Hauptstädten der einzelnen EU-Länder. Auch wenn der frühere EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker bereits vehement die „Weltpolitikfähigkeit“ der Gemeinschaft einforderte und seine Nachfolgerin von der Leyen es ihm nachtut, steckt die Brüsseler Außenpolitik faktisch immer noch in den Kinderschuhen. Aber das Vorpreschen des slowenischen Ministerpräsidenten ist trotzdem unglücklich. Denn Jansas Twitterei fällt in eine Zeit, in der angesichts der historischen US-Präsidentschaftswahl wieder einmal der Zeitpunkt für eine Bestandsaufnahme der europäischen Stärken und Schwächen gekommen ist.
Auch Orban gehört zu den glühenden Trump-Bewunderern
Zudem lenkt der vorzeitige Glückwunsch Jansas, in dessen Heimatland auch Trumps Ehefrau Melania groß wurde, einen Blick auf die Unterstützer des US-Präsidenten in der EU. Sloweniens Regierungschef teilt mit Trump dieselben Phantasien einer kompletten Abschottung gegenüber der Migration, wie sie auch in den Regierungen in Warschau und vor allem in Budapest vorherrschen. Ungarns Regierungschef Viktor Orban gehört den glühendsten Trump-Bewunderern in der Europäischen Union. Mit Jansa, Orban und Trump sind drei Nationalisten unter sich.
Der Trump-freundliche Tweet aus Ljubljana macht vor allem eines deutlich: In der EU-Außenpolitik gibt es noch reichlich Luft nach oben – um es milde auszudrücken.
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