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Testflug

© Gestaltung: Tagesspiegel, Foto: freepik

Neues Raumfahrt-Ministerium: Bayerischer Größenwahn – oder smarte Idee?

Union und SPD kündigen ein Ministerium für Technologie und Raumfahrt an. Was nach dem Kindheitstraum von Markus Söder klingt, steckt voller sicherheits- und wirtschaftspolitischer Interessen.

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Für Markus Söder ist es ein „Super-Hightech-Ministerium“, mit dem eine „echte Technik-Attacke“ möglich sei. Der CSU-Chef ist am Mittwoch bei der Vorstellung des Koalitionsvertrags sichtbar damit zufrieden, dass es unter Schwarz-Rot ein neues Ministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt geben wird. Wohl nicht nur, weil Söder ein glühender Star-Trek-Fan ist, sondern weil bereits klar ist, dass das neue Haus von der CSU geleitet wird.

Vor allem der Bereich Raumfahrt, der bislang eine Unterabteilung des Bundeswirtschaftsministeriums war, erfährt eine massive Aufwertung und elektrisiert die Fantasien in Berlin und Bayern. Denn trotz aller Probleme und Krisen auf der Erde will Schwarz-Rot nach den Sternen greifen.

Raumfahrt ist eine Zukunfts- und Schlüsseltechnologie und auch für unsere Sicherheit und unsere militärischen Fähigkeiten zentral.

Auszug aus dem schwarz-roten Koalitionsvertrag

„Raumfahrt ist eine Zukunfts- und Schlüsseltechnologie und auch für unsere Sicherheit und unsere militärischen Fähigkeiten zentral“, heißt es im schwarz-roten Koalitionsvertrag. Man strebe zudem an, einen deutschen Astronauten auf den Mond zu bringen, haben sich die Koalitionäre in ihren Vertrag geschrieben. Wie zu hören ist, trägt das Kapitel vor allem die Handschrift Söders.

Söder hebt ab. Der bayerische Ministerpräsident besucht 2022 das Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Oberpfaffenhofen.

© IMAGO/Sven Simon

Bayerischer Größenwahn? Seit Jahren strebt Markus Söder ins All. 2018 stellte der Ministerpräsident die bayerische Raumfahrtstrategie „Bavaria One“ vor und erntete dafür jede Menge Spott. Doch Söder zeigte sich unbeirrt, versprach 700 Millionen Euro und verfolgte den Plan, in Bayern ein „Houston Deutschlands“ zu entwickeln.

Was nach der Verwirklichung eines Kindheitstraums des 58-Jährigen wirkt, entpuppt sich bei genauerer Betrachtung als Thema mit großer sicherheits- und wirtschaftspolitischer Brisanz. Die Umsätze der Raumfahrtindustrie lagen 2023 bei rund drei Milliarden Euro, etwa 10.000 Arbeitsplätze hatte die Branche zuletzt. Tendenz steigend. Vor allem Universitäten und Start-ups in Bayern gelten seit Jahren als führend.

Etwa beim Bau von sogenannten Trägerraketen, die Güter wie Satelliten ins All bringen. Erst vor einer Woche gelang dem Münchner Start-up Isar Aerospace in Norwegen der erste Start einer europäischen Rakete, die fast ausschließlich aus privaten Mitteln finanziert wurde. Bereits nach 30 Sekunden stürzte die „Spectrum“-Rakete wieder ab, der Versuch gilt dennoch als Erfolg.

Die Rakete von Isar Aerospace auf dem Startplatz in Norwegen.

© Brady Kenniston/Isar Aerospace, Photo Wingmen Media/AP/dpa

Denn aktuell ist Europa bei Raketenstarts abgehängt, das staatliche Programm Arianne 6 verteuerte und verzögerte sich immer mehr. So wurden 2024 von 259 Raketenstarts mehr als die Hälfte von den USA durchgeführt, von China 68, von der EU gerade einmal drei. Deutsche Unternehmen, die einen Satelliten ins All schicken wollten, waren zuletzt fast ausschließlich von der Gunst Elon Musks abhängig.

Der Zugang zum Weltraum ist für uns eine Frage der nationalen Sicherheit.

CDU-Politiker Thomas Jarzombek über die Bedeutung der Raumfahrt

„Der Zugang zum Weltraum ist für uns eine Frage der nationalen Sicherheit“, sagt der CDU-Politiker Thomas Jarzombek dem Tagesspiegel. Der frühere Beauftragte für Luft- und Raumfahrt erklärt die Entscheidung der Koalition auch mit Verweis auf die geopolitische Lage: „Wir sehen in der Ukraine, wie kriegsentscheidend Satelliten sind und dass wir uns nicht mehr blind auf die Amerikaner verlassen können.“

Das soll sich nun ändern. „Das Weltall ist ein entscheidender Faktor für die politische und wirtschaftliche Souveränität Deutschlands“, sagt am Donnerstag die Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbands der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie, Marie-Christine von Hahn. Sie freut sich über die Aufwertung der Raumfahrt durch Schwarz-Rot.

Tatsächlich regelt der Zugang zum All längst den Alltag auf der Erde. Live-Übertragungen im Fernsehen, genaue Wettervorhersagen, Telefon- und Datenverbindungen in schwer erreichbaren Regionen, Navigation von Autos, Schiffen und Zügen oder auch die Abwicklung von Finanztransaktionen, zum Beispiel beim Börsenhandel: ohne Technik aus dem Weltall alles nicht möglich.

CSU-Politikerin Dorothee Bär könnte Ministerin werden

In der Branche stößt der neue politische Fokus auf große Zustimmung. „Für unsere Verteidigungsfähigkeit ist es extrem wichtig, dass wir bei den neuen technologischen Entwicklungen der Raumfahrt international Schritt halten“, sagte etwa die Vorstandsvorsitzende des Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrums, Anke Kaysser-Pyzalla, dem Tagesspiegel.

Selbst aus der Opposition kommt Lob: „Ich begrüße das richtige Ziel, die gestiegene Bedeutung der Raumfahrt weiter zu stärken“, sagt die Grünen-Politikerin Anna Christmann. Die scheidende Beauftragte für Luft- und Raumfahrt betont, Deutschland müsse mit den Mitteln des Sondervermögens die nationale Raumfahrt ausbauen und die Führungsrolle bei der europäischen Weltraumorganisation beibehalten. Bei Christmann schimmert jedoch auch Skepsis durch: „Beim neu geplanten Ministeriumszuschnitt wird die Frage sein, ob gut gemeint auch gut gemacht ist.“

Als mögliche Ministerin wird dafür die CSU-Politikerin Dorothee Bär gehandelt. Im „Politico“-Podcast verteidigt sie am Donnerstag die Entscheidung, der Raumfahrt ein eigenes Ministerium zu widmen. „Es ist ein wichtiger Wirtschaftszweig“, sagte Bär. Zudem sei die CSU eine Partei, „die gerne nach den Sternen greift“.

Doch braucht es dafür wirklich einen Deutschen auf dem Mond? CDU-Politiker Thomas Jarzombek hält das Vorhaben für ein Symbol mit Strahlkraft für die kriselnde Nation. „Inspiration können wir in diesen düsteren Zeiten gut gebrauchen.“

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