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McCain

© AFP

Nicht in den USA geboren: Darf McCain Präsident werden?

Anders als bei den Demokraten steht der republikanische Präsidentschaftskandidat fest: John McCain. Er hat die nötigen Delegierten für den Nominierungsparteitag längst beisammen. Dennoch ist fraglich, ob er Präsident werden darf.

Die Verfassung schreibt vor, dass nur „natural born citizens“ in Frage kommen. Das schließt Einwanderer wie, zum Beispiel, den Gouverneur von Kalifornien, Arnold Schwarzenegger, vom höchsten Amt im Staate aus. Der kam in Österreich zur Welt. Auch McCain ist außerhalb des Staatsgebiet der USA geboren, nämlich 1936 in der Panamakanalzone.

Um aufkommende Zweifel auszuräumen, hat der US-Senat jetzt einen Beschluss gefasst, einstimmig: John McCain ist wählbar. Auch seine demokratischen Rivalen Barack Obama und Hillary Clinton stimmten dafür. Doch diese Entschließung kann allenfalls die parteipolitische Debatte beenden. Juristisch ist sie dagegen bedeutungslos, denn sie ist rechtlich unverbindlich. Mehrere Bürger haben bereits Klage gegen McCains Wählbarkeit eingereicht.

Die rechtliche Gretchenfrage lautet: Was bedeutet „natural born“ konkret? Reicht es, dass ein Kandidat als US-Bürger geboren wurde – oder muss er sogar innerhalb des Staatsgebiets der USA auf die Welt gekommen sein? McCain kam am 29. August 1936 in der Panamakanalzone zur Welt, als Sohn des dort stationierten Marineoffiziers und späteren Admirals John McCain. Sein gleichnamiger Großvater war zu diesem Zeitpunkt Kommandeur der Zone, die sich zehn Meilen rechts und links des Kanals erstreckt. McCain wäre der erste Präsident, der außerhalb der kontinentalen USA geboren ist. Das träfe auch auf Barack Obama zu, geboren 1961 auf Hawaii. Die Inselgruppe im Pazifik war freilich damals bereits US-Bundesstaat. Unbestritten ist: John McCain war von Geburt amerikanischer Staatsbürger. Beide Eltern hatten damals den US-Pass.

Juristisch offen ist dagegen nach Darstellung von Verfassungsrechtlern, die sich eingehend mit der Frage beschäftigt haben, ob „natural born“ sich allein auf die Staatsangehörigkeit bezieht oder eine territoriale Eingrenzung der zulässigen Geburtsorte auf das Staatsgebiet der USA bedeutet. Die Panamakanalzone gehörte nie zum Staatsgebiet der USA. Das US-Verfassungsgericht hat 1986 bereits einmal über den Status des Gebiets geurteilt, allerdings ohne Zusammenhang mit dem Fall McCain. Die obersten Richter formulierten: Die USA haben dort von 1904 bis 1979 „Souveränität ausgeübt“. 1979 wurde die Zone an Panama zurückgegeben.

Juristisch problematisch für McCain ist: Nicht einmal Menschen, die in so genannten US-Territorien geboren wurden, wie zum Beispiel Amerikanisch-Samoa, gelten als US-Bürger und als präsidiabel. Nach den Richtlinien des State Department sind US-Militäreinrichtungen im Ausland nicht Teil der USA. Und Kinder, die dort geboren werden, erwerben damit nicht automatisch den US-Pass; sie unterliegen auch nicht automatisch der US-Rechtsprechung. In der US-Geschichte sind bereits mehrfach Kandidaten angetreten, von denen fraglich war, ob sie „natural born“ seien. Doch keiner von ihnen ist gewählt worden – weshalb es auch noch keine Grundsatzentscheidung dazu gab. Die „Washington Post“ verweist auf Charles Curtis, von 1929 bis 1933 Vizepräsident unter Herbert Hoover. Er wurde am 25. Januar 1860 in Kansas geboren, als dieses Gebiet noch nicht Teil der USA war. Niemand erhob Einspruch, obwohl die Verfassung verlangt, dass Vizepräsidenten die selben Voraussetzungen wie Präsidenten erfüllen müssen. Barry Goldwater kandidierte 1964, obwohl er 1909 in Arizona geboren wurde, das damals noch nicht Teil der USA war. Und George Romney trat 1968 an, obwohl in er Mexiko auf die Welt kam. Beide verloren die Wahl, so wurde die Frage nicht gerichtlich geklärt.

John McCain hat alles getan, um den Zweifel politisch aus der Welt zu räumen - und dies schon lange, bevor der US-Senat ihn jetzt in der einstimmigen Entschließung als wählbar einstufte. McCain war bereits 2000 angetreten. Er legte Rechtsgutachten vor mit zwei Stützargumenten, dass er von Geburt an US-Bürger war: Beide Eltern hatten die amerikanische Staatsbürgerschaft, und er kam auf einem US-Militärstützpunkt zur Welt. Die Demokraten erklärten schon damals, sie würden im Fall seiner Wahl keine Rechtsmittel wegen des Geburtsorts einlegen.

Kuriosität am Rande: In den Akten des dortigen Krankenhauses fehlt der Eintrag über McCains Geburt. Auch in den Unterlagen des Nationalarchivs in Washington über Geburten in der Panamakanalzone unter US-Verwaltung ist sein Name nicht zu finden. Das ist nach Einschätzung von Juristen aber kein Hindernis. Seine inzwischen 96-jährige Mutter Roberta lebt noch und kann die Geburt bezeugen. Sie wurde auch in der englischsprachigen Zeitung der Zone bekannt gegeben.

Rechtlich jedoch ist die Frage offen. Es gibt bisher keine bindende Interpretation, was die Verfassungsväter mit „natural born“ meinten. Das kann nur eine Verfassungsergänzung festlegen. Die wird es bis zum Wahltag nicht geben. Oder das Verfassungsgericht muss entscheiden. Die unverbindliche Senatsentschließung kann das Verfassungsrecht nicht abändern oder in bindender Weise interpretieren.

Nachdem die „New York Times“ im Februar breit über das Problem berichtet hatte und andere Zeitungen folgten, haben mehrere Bürger Klage eingereicht. Die Gerichte haben die Möglichkeit, die Klagen nicht anzunehmen, wenn sie Zweifel haben, ob den Betroffenen überhaupt ein Schaden durch McCains Kandidatur entsteht. Aber es ist auch möglich, dass die Sache am Ende beim Verfassungsgericht landet. Sollten die Obersten Richter urteilen, „natural born“ bedeute, dass der Geburtsort im Staatsgebiet der USA liegen müsse, wäre McCain nicht mehr präsidiabel. Ein Alptraum bewegt Amerika: McCain wird am 4. November 2008 gewählt. Aber danach müssen Gerichte entscheiden, ob er überhaupt Präsident werden darf. Das Wahljahr 2000 ist vielen Bürgern in böser Erinnerung, wegen des Streits um die Auszählung in Florida. Richter machten George W. Bush zum Präsidenten.

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