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Alice Weidel beim Interview mit der ARD.

© imago/Metodi Popow/IMAGO/M. Popow

Update

„Niederlage des eigenen Landes“ : AfD-Chefin Weidel empört mit Aussage zur Kapitulation Nazi-Deutschlands

Im ARD-Sommerinterview hat AfD-Chefin Weidel die Befreiung Nazi-Deutschlands als „Niederlage“ bezeichnet. Historiker Jens-Christian Wagner wirft ihr Geschichtsrevisionismus vor.

| Update:

AfD-Vorsitzende Alice Weidel hat mit einer Aussage zur Kapitulation des NS-Regimes für Empörung gesorgt. Im ARD-Sommerinterview äußerte sich die Rechtsaußen-Politikerin am Sonntag dazu, warum sie im Mai nicht am Empfang der russischen Botschaft zum Jahrestag des Sieges über Nazi-Deutschland teilgenommen hat – anders als ihr Co-Chef Tino Chrupalla. Dabei bewertete sie die Befreiung von den Nationalsozialisten durch die Alliierten als „Niederlage des eigenen Landes“.

„Dem Tino Chrupalla ist sehr gelegen gewesen, an diesem Empfang teilzunehmen. Ich habe natürlich für mich entschieden – das ist eine persönliche Entscheidung gewesen –, aus politischen Gründen daran nicht teilzunehmen“, sagte Weidel. „Also hier die Niederlage des eigenen Landes zu befeiern mit einer ehemaligen Besatzungsmacht, das ist etwas, wo ich für mich persönlich entschieden habe – auch mit der Fluchtgeschichte meines Vaters –, daran nicht teilzunehmen.“

„Klassischer Geschichtsrevisionismus“

Zahlreiche Userinnen und User griffen die Aussage Weidels in den sozialen Medien auf und kritisierten die AfD-Politikerin dafür, den 8. Mai als Niederlage für Deutschland bezeichnet zu haben. Scharfe Kritik übt auch Historiker Jens-Christian Wagner, Direktor der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora. Er wirft ihr im Interview mit der „Welt“ Geschichtsrevisionismus und Schuldumkehr vor.

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„Das ist klassischer Geschichtsrevisionismus, wie wir ihn seit den 1950er-Jahren aus der extremen Rechten kennen“, sagte Wagner der „Welt“. Und: „Mit einem solchen Geschichtsbild zeigt man keinerlei Bereitschaft, sich gegenüber dem nationalsozialistischen Deutschland abzugrenzen und deutlich zu machen, dass der 8. Mai 1945 der Tag der Befreiung vom Nationalsozialismus war. Weidel deutet ihn um in einen Tag der Niederlage.“

Neben Weidel hat sich kürzlich auch der AfD-Spitzenkandidat zur Europawahl, Maximilian Krah, zur Vergangenheit der Deutschen geäußert. In einem TikTok-Video erklärte er, dass die Deutschen keine Verbrecher gewesen wären. Für Historiker Wagner ist dies „dumpfer Nationalismus, pure Verharmlosung des Nationalsozialismus“. Es gehe „sogar in die Richtung der Verleugnung von NS-Verbrechen“, erklärte er. Die AfD habe zuletzt immer mehr die Fassade fallen lassen. Und AfD-Politiker Krah postuliere eine drastische Absage an alles, „was wir in Deutschland an liberaler Erinnerungskultur haben“.

Kritik von Paus und Haßelmann

Kritische Worte für Weidels Aussage im Interview fanden aus der Bundespolitik zunächst zwei Grünen-Politikerinnen. Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) schrieb etwa auf X, vormals Twitter, dass Weidel die Befreiung von Nazi-Deutschland durch die Alliierten als Niederlage Deutschlands darstelle. „Dazu fällt mir ein Brecht-Zitat ein: „Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch.“ Und weiter: „Oder kurz gesagt : #NiewiederFaschismus.“

Ihre Parteikollegin Britta Haßelmann verwies, ebenfalls bei X, auf Zitate des früheren Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker und des Schriftstellers Heinrich Böll: „,Der 8. Mai war ein Tag der Befreiung’, sagte Richard von Weizsäcker 1985 und Heinrich Böll schrieb in seinem ,Brief an meine Söhne’ – ,Ihr werdet die Deutschen immer wieder daran erkennen können, ob sie den 8. Mai als Tag der Niederlage oder der Befreiung bezeichnen’“, schrieb die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag

Kritik kam auch von der Linken-Bundestagsabgeordneten Susanne Ferschl – verbunden mit Unverständnis für die Berichterstattung der „Tagesschau“. „Bin immer noch sehr irritiert, dass in der @tagesschau Frau Weidel zu Wort kam, mit der Geschichtsklitterung, die Befreiung Deutschlands von den Nazis sei eine Niederlage gewesen. Das Ganze blieb völlig unkommentiert. Das trägt zur rechten Diskurs-Verschiebung bei“, schrieb sie bei X. (Tsp)

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