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Noch vor der Bundestagswahl: Verdi-Verhandler bereiten sich auf neue Warnstreiks „überall im Land“ vor
Die Arbeitgeber legen im Tarifstreit weiterhin kein Angebot vor. Verdi befürchtet, dass Innenministerin Faeser nach der Wahl wenig Verhandlungsbereitschaft zeigen könnte.
Stand:
In den kommenden Tagen müssen sich die Bürgerinnen und Bürger auf erneute Warnstreiks in Kitas, im öffentlichen Nahverkehr und bei der Müllabfuhr einstellen. Da die zweite Tarifverhandlungsrunde für über 2,5 Millionen Beschäftigte von Bund und Kommunen ergebnislos blieb und die Arbeitgeber kein Angebot vorlegten, werden die Arbeitskampfmaßnahmen ausgeweitet. Verdi-Chef Frank Werneke erklärte in Potsdam, dass die Streiks noch vor der Bundestagswahl am Sonntag intensiviert würden.
Man sei vorbereitet, kündigte Werneke an. Details zu geplanten Aktionen, also wo Kitas betroffen sind oder Buslinien nicht fahren, wo der Müll nicht abgeholt wird oder Verwaltungen geschlossen bleiben, das müsse noch abgestimmt werden. „Es werden auch in dieser Woche noch Aktivitäten stattfinden“, sagte Werneke allerdings.
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Der Verhandlungsführer des Beamtenbunds dbb, Volker Geyer, sprach von Warnstreiks und Protestaktionen „überall im Land“ und das in den nächsten drei Wochen. „Anders kriegen wir die Arbeitgebenden offensichtlich nicht aus ihrer Blockadehaltung.“
Warum die Verhandlungen stocken
Die Arbeitgeber haben in den bisher zwei Verhandlungsrunden kein Angebot vorgelegt. Die Verhandlungsführerin der Kommunen, die Gelsenkirchener Oberbürgermeisterin Karin Welge (SPD), verteidigte das. Man sei schlicht noch nicht so weit, eine verbindliche Rechnung für beide Seiten vorzulegen, „weil die Höhe der einzelnen Forderungen zum Teil noch gar nicht bezifferbar ist“.
Innenministerin Nancy Faeser (SPD), die für den Bund verhandelt, betonte: „Die Gewerkschaften haben hohe Forderungen – und gleichzeitig müssen wir das Gemeinwohl, die knappen Kassen und die Interessen der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler im Blick haben.“
Die Gewerkschaften sehen das fehlende Angebot als Zeichen mangelnder Wertschätzung. „Viele Beschäftigte arbeiten bereits an ihrer Belastungsgrenze oder darüber hinaus, doch die öffentlichen Arbeitgeber zeigen keinerlei Bereitschaft, eine Lösung zu finden oder darauf zu reagieren“, kritisierte Werneke.
Geyer unterstrich, dass die Beschäftigten nicht für die angespannte Lage der öffentlichen Haushalte verantwortlich seien. „Und wir werden nicht akzeptieren, dass sie die Konsequenzen dafür tragen müssen.“
Eine Einigung war bei der zweiten Verhandlungsrunde ohnehin nicht unbedingt erwartet worden, schon vorher stand der Termin für ein drittes Treffen vom 14. bis 16. März fest.
Erbt Merz einen Tarifkonflikt?
Innerhalb der Gewerkschaft wird allerdings damit gerechnet, dass auch eine nach der Wahl anstehende dritte Verhandlungsrunde mit Nancy Faeser ergebnislos bleiben werde. Hintergrund sei folgende Annahme: SPD-Politikerin Faeser wird der nächsten Regierung wohl nicht angehören. Deshalb dürfte sie kaum motiviert sein, sich während der vom Wahlsieger CDU geführten Koalitionsgespräche mit den Gewerkschaften zu einigen. Denn das nütze nur der möglichen Nachfolgerregierung unter Friedrich Merz (CDU).
Nach Tagesspiegel-Informationen bereiten Verdi-Verhandler intern einen Streikplan für sechswöchige Arbeitsniederlegungen vor – ähnlich wie das in der Tarifrunde vor zwei Jahren der Fall war. Schwerpunkte eines Ausstandes wären neben den Verkehrsbetrieben und Stadtreinigungen auch die öffentlichen Krankenhäuser und Verwaltungen. Zuvor ist rechtlich eine Schlichtung vorgesehen.
Unter Verdi-Funktionären gilt folgendes Szenario als wahrscheinlich: Eine dritte Verhandlungsrunde könnte bis Mitte März scheitern, die dann anberaumte Schlichtung dauert zwei bis drei Wochen, sodass im Fall eines Scheiterns spätestens im April voll gestreikt werden kann. Eine erfolgreiche Urabstimmung unter den Gewerkschaftsmitgliedern gilt als Formsache.
Was die Gewerkschaften fordern
Die Gewerkschaften fordern acht Prozent mehr Lohn, mindestens aber 350 Euro Plus monatlich für die mehr als 2,5 Millionen Beschäftigten der Kommunen und des Bundes. Für die meisten von ihnen gilt der Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes, üblicherweise wird der Abschluss auf Beamte – die kein Streikrecht haben – übertragen. Gesondert verhandelt wird für die Beschäftigten der Verwaltungen und Betriebe der Länder.
Formale Voraussetzung für eine Schlichtung ist, dass eine der beiden Tarifparteien die Gespräche für gescheitert erklärt. Der seit Jahren bestehenden Schlichtungsvereinbarung zwischen Bund, kommunalen Arbeitgeberverbänden und Verdi zufolge gilt während dieses Verfahrens eine Friedenspflicht: Es wären allenfalls stundenweise, regionale Warnstreiks gestattet. (mit dpa)
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