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Eines der Wahlplakate der NPD zur Europawahl 2019.

© imago images/Jan Huebner

Update

Gericht erlaubt NPD-Slogan: „Migration tötet“ ist keine Volksverhetzung

Die Nazi-Partei hatte Wahlplakate mit der Parole abhängen müssen und klagte bisher vergeblich dagegen. Nun betont das Bundesverwaltungsgericht die Meinungsfreiheit.

Die rechtsextreme NPD darf Plakate mit der Aufschrift „Migration tötet“ für ihre Wahlkämpfe verwenden. Das Bundesverwaltungsgericht hat am Mittwoch einer Klage der Partei gegen ein entsprechendes Verbot stattgegeben. Die Anordnung, die Plakate abzuhängen, sei rechtswidrig gewesen, hieß es.

Die NPD-Parole als umstritten zu bezeichnen, wäre wohl zu wenig. Seit Jahren beschäftigt sie die Gerichte. Neben den Namen von Orten, an denen es Tötungsdelikte von Migranten gegeben haben soll, steht „Stoppt die Invasion:“ und dann hervorgehoben „Migration tötet“. Rechts daneben fordert die NPD „Widerstand jetzt“.

Eine strafbare Volksverhetzung? Oder zugespitzte – und damit erlaubte – Kritik an den Folgen ungesteuerter Einwanderung?

Im Zweifel gilt die Meinungsfreiheit; das ist etwas, das uns von Autokratien unterscheidet.

Ingo Kraft, Vorsitzender des 6. Senats des Bundesverwaltungsgerichts

Schon in der mündlichen Verhandlung hatte sich angedeutet, dass die zuständigen Richterinnen und Richter der NPD Recht geben würden. „Im Zweifel gilt die Meinungsfreiheit; das ist etwas, das uns von Autokratien unterscheidet“, sagte der Vorsitzende Ingo Kraft – betonte aber zugleich, dass dies in keiner Weise bedeute, die Aussage selbst „abzusegnen“ oder inhaltlich zu unterstützen.

Anlass für das Verfahren war eine Ordnungsverfügung der Stadt Mönchengladbach im Europawahlkampf 2019. Dort ging die NPD mit ihrem Plakat auf Stimmenfang, doch ließ die Stadt sie umgehend - und ohne die eigentlich notwendige Anhörung der Betroffenen - entfernen. Grund: Es handele sich um einen Verstoß gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung. Dass im Bundesgebiet lebende Migranten durch die Aussage „Migration tötet“ verunglimpft würden, erfülle den Straftatbestand der Volksverhetzung gemäß Paragraf 130 des Strafgesetzbuchs. Um dies zu beenden, seien die Plakate abzuhängen oder unkenntlich zu machen.

Gerichte urteilten unterschiedlich, wie die Aussage zu bewerten sei

Die Partei klagte dagegen, bestritt eine Straftat und berief sich auf die im Grundgesetz geschützte Meinungsfreiheit. Das Wahlplakat beziehe sich nicht auf alle Migranten und auch nicht auf alle seit Herbst 2015 in das Bundesgebiet eingereisten Migranten, sondern nur auf die kriminellen unter ihnen.

Mit dem Slogan „Migration tötet“ werde allein angeprangert, dass die seinerzeit praktizierte Migrationspolitik der Bundesregierung tagtäglich zur Verletzung oder gar Tötung von Menschen durch Messerangriffe und ähnliche Straftaten führten. Zur Verdeutlichung dieser Aussage seien im Hintergrund des Plakates diverse, durch Kreuze getrennte Tatorte genannt.

Für einen durchschnittlichen und besonnenen Beobachter, so argumentierte die Partei weiter, werde dadurch hinreichend deutlich, dass sich der Slogan nicht auf alle Migranten, sondern nur auf die kriminellen Migranten beziehe.

Das ließen die zuständigen Gerichte nicht gelten. Das nordrhein-westfälische Oberverwaltungsgericht (OVG) betonte, es habe eine Volksverhetzung und damit eine konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit vorgelegen. Dem Wahlplakat sei keine Begrenzung nur auf die seit Herbst 2015 eingereisten oder einige kriminelle Migranten zu entnehmen.

Es dränge sich die Aussage auf, dass Ausländer ganz allgemein die Tötung Deutscher beabsichtigten und mit der zunehmenden Zahl von Migranten auch die Gefahr für Deutsche ansteige, Opfer zu werden. Das Plakat könne deshalb auch nicht mehr als überspitzte Kritik an Migrationspolitik verstanden werden.

Bereits in der der Verhandlung hatte der Vorsitzende Kraft eine striktere Beachtung der Meinungsfreiheit angemahnt. Der Straftatbestand der Volksverhetzung sei ein „Hammer“, der nicht leichtfertig verwendet werden dürfe. Das OVG habe die verfassungsrechtlichen Maßstäbe zur Auslegung einer Meinungsäußerung verkannt. Demnach könne eine auf den ersten Blick mehrdeutige Aussage nur dann strafbar sein, wenn andere noch von der Meinungsfreiheit gedeckte Deutungen ausgeschlossen werden könnten. Bei dem NPD-Plakat gebe es jedoch eine Bandbreite von Deutungsmöglichkeiten, mit der sich das OVG von vornherein gar nicht beschäftigt habe.

Das Urteil aus Leipzig hat Bedeutung für die weiteren Verfahren, die noch aktuell um das Plakat geführt werden. So hat der hessische Verwaltungsgerichtshof über eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Gießen zu urteilen, das den Slogan - wie jetzt das Bundesverwaltungsgericht - als von der Meinungsfreiheit gedeckt ansah.

Empörte Reaktionen hatte allerdings nicht dieses Ergebnis hervorgerufen, sondern die Art der Begründung. Das Gericht hatte sich Begriffe und Argumentationen aus der rechtsextremen Polemik weitgehend zu eigen gemacht. So hieß es etwa, dass aus den „historischen Wanderungsbewegungen“ deutlich werde, „dass Migration tatsächlich in der Lage ist, Tod und Verderben mit sich zu bringen“. Eine volksverhetzende Äußerung sei damit nicht verbunden, „sondern die Darstellung einer Realität, die sich jedem erschließt, der sich mit der Geschichte der Wanderungsbewegungen befasst“.

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