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Extremer Spurwechsel: NSU soll auch Unterstützer in Berlin gehabt haben

Die Terrorgruppe "Nationalsozialistischer Untergrund (NSU)" war bundesweit aktiv, sie hat in mindestens acht Ländern gemordet, gebombt, gesprengt. Spuren nach Berlin waren bislang nicht bekannt - bis jetzt.

Von Frank Jansen

Auf der Suche nach den Unterstützern der rechtsextremen Terroristen führten die Hinweise stets ins Umland – am 24. November nahm die Polizei in Mühlenfließ-Grabow den mutmaßlichen Terrorhelfer André E. auf dem Anwesen seines Zwillingsbruders Maik E. fest. Doch nun gibt es den Verdacht, dass ein Thüringer Neonazi nach Berlin gereist ist, um hier Unterstützung für die untergetauchten NSU-Mitglieder Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe zu organisieren. Und es ist auch ein Fingerzeig in Richtung NPD zu erkennen.

Im Jahr 1998, kurz nach dem Verschwinden von Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe, sei der Thüringer Neonazi André K. nach Berlin gereist, um zwei Rechtsextremisten zu treffen, heißt es in Sicherheitskreisen. Einer der beiden ist NPD-Funktionär. André K. soll die Berliner gefragt haben, ob sie im Ausland Adressen von Rechtsextremisten wissen, bei denen sich Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe verstecken könnten. Ob der NPD-Mann und die zweite Person mit Anschriften geholfen haben, ist noch zu klären.

Eine weitere Spur nach Berlin ergab sich im Mai 2000. Nachdem in einer Folge der vom Mitteldeutschen Rundfunk ausgestrahlten Serie „Kripo Live“ die Bevölkerung um Hinweise auf die flüchtigen Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe gebeten wurde, habe sich ein Berliner Polizist gemeldet, war jetzt in Sicherheitskreisen zu erfahren. Der Beamte wollte die drei Neonazis in Berlin gesehen haben. Ein Fahndungserfolg blieb damals jedoch aus.

Die Spuren nach Berlin sind für die Sicherheitsbehörden auch interessant, weil hier zwei lang zurückliegende Anschläge auf den Jüdischen Friedhof im Stadtteil Charlottenburg noch nicht geklärt sind. Im Dezember 1998 wurde die Grabstätte des einstigen Präsidenten des Zentralrats der Juden, Heinz Galinski, durch die Explosion einer Rohrbombe schwer beschädigt. Dann warf im März 2002 ein unbekannter Täter eine Rohrbombe in den Eingangsbereich des Friedhofs, die wuchtige Detonation traf vor allem die Trauerhalle. Beide Fälle werden seit November 2011 wieder von der Polizei untersucht.

Unterdessen hat sich die Zahl der festgenommenen, mutmaßlichen Unterstützer der Terrorzelle auf vier Personen erhöht. Am Sonntag ergriff die Polizei im sächsischen Johanngeorgenstadt Matthias D., der den Terroristen zwei Wohnungen in Zwickau verschafft haben soll. Die Bundesanwaltschaft hält D. vor, er habe im Mai 2001 und im März 2008 Wohnräume gemietet und sie Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe überlassen. Von Juni 2003 an soll D. mit Böhnhardt Untermietverträge für die Wohnungen in Zwickau abgeschlossen haben. Nach Informationen des Tagesspiegels lauteten die Verträge auf den Aliasnamen Max B. Laut Bundesanwaltschaft hat D. die Terrorgruppe dabei unterstützt, „ein Leben unter falscher Identität zu führen und unentdeckt Terroranschläge verüben zu können“. In Zwickau sollen die Jenaer Neonazis ihre Taten geplant haben.

Matthias D. ist nach Informationen des Tagesspiegels schon lange in der rechtsextremen Szene in Sachsen aktiv. Er zählte zunächst im Jahr 2000 zu einer braunen Clique in Johanngeorgenstadt, die sich „Brigade Ost“ nannte. Im selben Jahr und 2001 soll D. ein Anhänger der Gruppierung „Weiße Bruderschaft Erzgebirge“ gewesen sein. Zu der Bruderschaft wie zur Brigade Ost soll zudem der ebenfalls als mutmaßlicher Unterstützer der Terrorzelle inhaftierte André E. gezählt haben.

Die 2008 in Zwickau gemieteten Wohnräume setzte am 4. November 2011 Beate Zschäpe in Brand, um Spuren zu verwischen. Kurz zuvor hatte die Polizei im thüringischen Eisenach Mundlos und Böhnhardt erschossen in einem brennenden Wohnmobil gefunden.

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