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Eine Nord Stream Pipeline.

© REUTERS/MAXIM SHEMETOV

„Nur die Spitze des Eisbergs“: Grüne wollen Untersuchungsausschuss zu Nord Stream

Zwei Große Koalitionen hatten unter Angela Merkel hatten das Projekt gegen große Widerstände vorangetrieben. Der Grüne Vorstoß dürfte den eigenen Koalitionspartner SPD in Bedrängnis bringen.

Stand:

Die Grünen wollen einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zum Bau der Erdgas-Pipeline Nord Stream 2 zwischen Deutschland und Russland. „Der Gaskomplex muss dringend aufgeklärt werden“, sagte die energiepolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Lisa Badum dem Tagesspiegel. „Aufgrund unserer fatalen Gasabhängigkeit von Russland sind Milliardenschäden entstanden“, sagte sie weiter.

Zuvor hatte bereits die „Süddeutsche Zeitung“ über entsprechende Pläne berichtet. Der Grünen-Wirtschaftspolitiker Felix Banaszak sagte der Zeitung, das Projekt stehe „für das größte wirtschafts-, energie- und außenpolitische Versagen seit Bestehen der Bundesrepublik“.

„Ich finde es schwer erträglich, dass diese Vorgänge bis heute nicht vollständig aufgeklärt sind“, so Banaszak weiter. Nötig sei ein Untersuchungsausschuss, „um mit komplettem Zugriff auf alle Dokumente und die Vernehmung der Verantwortlichen diese offenen Fragen aufzuklären“.

Zwischen den Jahren 2014 und 2022 hatten zwei Große Koalitionen unter Kanzlerin Angela Merkel das deutsch-russische Projekt gegen viele Widerstände durchzusetzen versucht. Kritik und eine Warnung vor einer Abhängigkeit von Russland kam unter anderem vom damaligen US-Präsident Donald Trump, der EU, aus Kiew, Warschau und Prag.

Am formal letzten Tag im Amt attestierte die scheidende Große Koalition im Oktober 2021 dem Projekt noch, es gefährde nicht die Versorgungssicherheit. Damit räumt sie eine der letzten Hürden aus dem Weg. Dies sei aber „nur die Spitze des Eisbergs“, sagt der Grünen-Politiker Banaszak.

Auch die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Fraktion, Irene Mihalic, sprach sich am Mittwoch für eine Aufklärung der Gas-Abhängigkeit aus. „Die Vorgänge um Nord Stream 2 gehören aufgearbeitet“, sagte Mihalic. Sie ließ jedoch offen, ob es dafür einen weiteren Untersuchungsausschuss benötige.

Ich kann der Union nur dringend dazu raten, sich das gesamte Bild anzuschauen.

Irene Mihalic, Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, wünscht sich eine Erweiterung des Untersuchungsausschusses der Union.

Sie verwies auf den Untersuchungsausschuss der Union zum Atomausstieg, den CDU und CSU auf den Weg bringen wollen. Darin wollen sich die Konservativen damit beschäftigen, ob Wirtschaftsminister Robert Habeck tatsächlich eine ergebnisoffene Prüfung durchführen ließ, um zu prüfen, ob die Atomkraftwerke in der Energiekrise doch länger am Netz bleiben könnten.

„Ich würde meinen, es bietet sich an, dieses Thema zu implementieren“, sagte Mihalic. Sie räumt aber ein, dass es Minderheitenrecht der Union sei, was das Thema des Untersuchungsausschusses werde. „Ich kann der Union nur dringend dazu raten, sich das gesamte Bild anzuschauen.“

Unionsfraktionsvize Jens Spahn, der als Initiator des Untersuchungsausschusses gilt, hatte sich im Tagesspiegel-Interview offen dafür gezeigt, auch die Gas-Abhängigkeit zu beleuchten. „Ich habe kein Problem damit, auch diese Debatte zu führen“, sagte Spahn. Er erinnerte aber daran, dass durch Nord Stream 2 nie Gas geflossen sei. „Die Abhängigkeit ist durch Nordstream I entstanden. Und dieses Projekt wurde von Rot-Grün unter Gerhard Schröder, Joschka Fischer und einem Umweltminister Jürgen Trittin entschieden“, sagte Spahn.

Schon in der Vergangenheit wehrten SPD und CDU die Kritik an Nord Stream 2 mit dem Hinweis ab, es handle sich bei der Erdgaspipeline, die unter anderem die Ukraine als Transitland für russisches Gas umgangen hätte, um ein rein privatwirtschaftliches Projekt.

Dass die Grünen als Regierungspartei einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss fordern, ist ungewöhnlich. Denn dieser richtet sich zentral gegen den eigenen Koalitionspartner SPD. Zudem haben die Grünen allein im Bundestag nicht genug Stimmen, um solch einen Ausschuss anzustrengen und die Unterstützung der oppositionellen CDU dürfte alles andere als sicher sein.

In der SPD äußerte man sich am Mittwoch ablehnend zu der Forderung der Grünen. „Derzeit ist dies kein Thema in der Koalition“, sagte die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion, Katja Mast. Und weiter: „Dazu finden keine Gespräche statt.“

Die FDP steht der Forderung der Grünen dagegen offener gegenüber: „Wenn ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss zu Habecks Ignorieren von Fachwissen eingesetzt wird, kann dieser sich auch damit auseinandersetzen, wie dieses Land wider besseres Wissen in die Gas-Abhängigkeit von Russland geführt werden konnte“, sagte der energiepolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Michael Kruse. Er sagte dem Tagesspiegel weiter: „Die Moskau-Connection gehört auf die Tagesordnung in Berlin, damit so eine Abhängigkeit nie wieder vorkommt.“

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