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USA: Obamas Verbeugung für die Welt

Barack Obamas Antrittsbesuche 2009 spiegelten den Neuanfang wider – aber die Inszenierung klappte nicht immer.

Berlin - Sie haben die Titelbilder der Weltpresse bestimmt im gerade vergangenen Jahr: die Bilder von den symbolmächtigen Besuchen des neuen US-Präsidenten Barack Obama in der Welt. Mit einer weißen Rose im Konzentrationslager Buchenwald, bei der umstrittenen Verbeugung vor dem japanischen Kaiser, bei seiner Rede an die islamische Welt in Kairo, beim Townhall-Meeting mit jungen Chinesen in Shanghai. Versprochen hatte der Nachfolger von George W. Bush eine Neuorientierung der amerikanischen Außenpolitik – mehr Partnerschaft mit den Verbündeten, eine Normalisierung des Verhältnisses zur islamisch-arabischen Welt. Außerdem galt es, dem Bestreben Japans Rechnung zu tragen, zum Partner auf Augenhöhe der USA zu werden. Und die Beziehungen zur aufstrebenden Wirtschafts- und Weltmacht China auszutarieren, ohne dabei die Menschenrechte zu vergessen. Dabei wurde jede Geste, jeder Handschlag, jede Kulisse auf ihren Symbolcharakter und ihre politische Aussage hin analysiert. Denn Staatsbesuche sind immer eine Art Ritus, bei dem der Status aller Beteiligten und ihre Beziehungen zueinander verhandelt werden – gerade wenn die Zeichen auf Neuanfang stehen. Gleichzeitig gilt die Botschaft im Medienzeitalter oft gleichermaßen dem heimischen Publikum.

Zwar hat sich die Ankunft des Herrschers und das dazugehörige Zeremoniell – genannt Adventus vom lateinischen advenire (ankommen) – seit ihren antiken Anfängen gewandelt. Die antike Form des Einzugs mit der gottgleichen Darstellung des Imperators verband sich später im Christentum mit der Nachahmung von Christi Einzug am Palmsonntag in Jerusalem. Im Spätmittelalter, als unabhängige Städte ihren Aufstieg erlebten, wurden Eintritt und Huldigung des Herrschers zu einem Mittel, das neue Kräfteverhältnis zwischen Gemeinde und Stadtherren zu definieren. Triumphale Empfänge mussten mit politischen Zugeständnissen der Herrscher erkauft werden. Seit der frühen Neuzeit wurden Beziehungen zwar stärker rechtlich festgelegt, und Besuche dienten zunehmend der Visualisierung bereits durchgesetzter Ordnungsvorstellungen. Doch im Zeitalter der medialen Polit-Inszenierung bieten in der Außenpolitik gerade Besuche beim „Anderen“ die einmalige Chance, Politik sichtbar werden zu lassen. Und Verhältnisse neu zu definieren.

Bei Obamas erster großer Auslandstour, bei der es in nur vier Tagen von Riad und Kairo über Deutschland an die Strände der Normandie ging, hatte der Gast das Heft eindeutig in der Hand. Er suchte sich die Bühnen für sein Schauspiel aus. Mit seiner Rede an die muslimische Welt in der Universität von Kairo setzte Obama in mehrfacher Hinsicht ein Zeichen: Der Besuch in Ägypten vor einer Reise nach Israel, dem engsten Verbündeten der USA in der Region, sollte die Rückkehr zum ehrlichen Makler signalisieren, nachdem Bush sich im Nahostkonflikt so bedingungslos auf die Seite Israels geschlagen hatte. Bei der Stippvisite in Deutschland demonstrierte der Besuch im Konzentrationslager Buchenwald wiederum Israel, dass auch Obama die leidvolle Vorgeschichte des jüdischen Staates nicht vergessen hat. Doch Deutschland lieferte mit dem KZ Buchenwald und der Frauenkirche in Dresden ebenso wie Frankreich mit den Stränden der Normandie eben nur die Bühne. Für den Experten für deutsch-amerikanische Beziehungen bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, Josef Braml, sollte der Besuch in Europa vor allem eine Botschaft nach Hause senden. Da die Amerikaner dem internationalen Engagement in Afghanistan und Pakistan skeptisch gegenüberstehen, wollte Obama erklären, warum er keine Opfer scheut: „Er will die Amerikaner an historische Taten erinnern, die zeigen, dass es sich lohnt, standhaft zu bleiben.“ Die Besuche von Buchenwald und der Strände der Normandie, an denen die Alliierten 1944 gelandet waren, erfüllten diesen Zweck.

Beim Besuch in Japan dagegen ging es um das zukünftige Verhältnis zum Gastland. Japans Bevölkerung hatte mit der Abwahl der Konservativen, die praktisch seit Kriegsende an der Macht gewesen waren, deutlich gemacht, dass es auch eine neue, gleichberechtigtere Beziehung zu den USA wünscht. In diesem Kontext kam der Verbeugung Obamas vor Kaiser Akihito große Bedeutung zu: Konservative Kommentatoren in den USA sahen es als eine Erniedrigung an, dass das demokratisch gewählte Oberhaupt des mächtigsten Landes der Welt sich vor dem gekrönten Haupt des kleinen Japan so unnötig tief verbeugt. Sie sahen in dem Foto des Bücklings den ultimativen Beweis für ihre These, dass Obama mit seinem bescheidenen, fast unterwürfigen Auftreten den Niedergang Amerikas als Weltmacht beschleunigt. Aus der US-Regierung hieß es, Obama habe sich nur an das Protokoll gehalten – doch in Japan war man eher irritiert darüber, dass er dem Kaiser die Hand gab und sich während dieses Händedrucks verbeugte. Denn schließlich sollen laut Protokoll die Arme während der Verbeugung neben dem Körper liegen. Mit einem möglicherweise falschen Verständnis von den Sitten der Gastgeber konnte es Obama weder dem Publikum daheim noch den Gästen recht machen. Es gibt aber auch die These, dass sich Obama durch diese sichtbare Anerkennung des Ranges der Gastgeber Zeit verschafft hat, um politische Forderungen aus Tokio – wie die Reduzierung der US-Militärbasen im Land – hinauszuzögern.

Doch vor allem im statusbewussten China, wo Protokoll und Symbolik eine kaum zu unterschätzende Rolle spielen, scheint Obama die erste Runde des „Kriegs der Symbole“ zwischen der heutigen und der kommenden Weltmacht verloren zu haben. Nach Ansicht des Direktors des Journalismus- und Medienzentrums der Universität Hongkong, Ying Chan, haben die chinesischen Gastgeber die Amerikaner bei allen öffentlichen Auftritten auflaufen lassen. Das von Obama gewünschte Townhall-Meeting in Shanghai, das amerikanisches Demokratieverständnis auf chinesischem Boden demonstrieren sollte, geriet zur Fragestunde abgerichteter Jungkommunisten. Beim Auftritt vor der Presse mit Präsident Hu durften – entsprechend chinesischer Tradition – keine Fragen gestellt werden. Ebenso wenig wurde der Besuch von chinesischen Medien live übertragen. Auch der letzte Versuch Obamas, die Informationsblockade zu durchbrechen, schlug fehl – sein Interview mit einer chinesischen Zeitung wurde zensiert. Damit hat das Regime in Peking nachdrücklich demonstriert, dass es die Zügel noch fest in der Hand hält und keinen Widerspruch duldet. Und auch die USA in Schach zu halten weiß. Vergeblich suchten kritische Chinesen nach Anstößen zu Transparenz und Öffnung. Zur Verteidigung Obamas wird dagegen eingeworfen, dass der US-Präsident zunächst freundschaftliche Signale an das Regime habe aussenden wollen, um den Dialog zu befördern.

Staatsbesuche liefern die wertvollen Bilder für die Außenpolitik, welche sonst in Reden, Gremien und Beschlüssen meist ausschließlich vor innenpolitischem Hintergrund stattfindet. Beim Besuch des „Anderen“ treffen allerdings unterschiedliche Kulturen direkt aufeinander. Auch Obama hatte es 2009 nicht immer alleine in der Hand, seinen Antrittsbesuchen den gewünschten Stempel aufzudrücken.

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