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Kanzlerin Angela Merkel beim EU-Gipfel im vergangenen Monat.

© Ludovic Marin/AFP

Nach der Wahl in Ungarn: Orbans Wahlsieg bringt Merkel in die Klemme

Nach dem Wahlsieg von Viktor Orban erklärt sich Angela Merkel bereit, gemeinsam mit dem ungarischen Regierungschef die EU-Agenda voranzubringen. Doch der Spielraum der Kanzlerin ist geschrumpft.

133 von 199 Sitzen – so groß ist nach der Parlamentswahl vom Sonntag die Übermacht der rechtspopulistischen Fidesz-Partei im ungarischen Parlament. Der Gewinn der Zweidrittelmehrheit dürfte für den wiedergewählten Regierungschef Viktor Orban auf europäischer Ebene vor allem eines zur Folge haben: Im Streit um die Flüchtlingspolitik wird Orban, der in den vergangenen Wochen wiederholt Stimmung gegen Flüchtlinge gemacht hatte, wohl noch selbstbewusster als bisher gegenüber Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auftreten.

Kompromisssuche bei der EU-Flüchtlingspolitik

Zwar erklärte Merkel in ihrem Glückwunschschreiben an die Adresse Orbans: „Sie können sich weiterhin auf Deutschland als zuverlässigen Partner verlassen, um die europäische und die bilaterale Agenda voranzubringen.“ Allerdings versteht Merkel unter der „europäischen Agenda“ etwas anderes als Orban. Im vergangenen Monat hatte sich Merkel beispielsweise bei einem Besuch in Warschau optimistisch mit Blick auf eine Lösung auf eine Reform des EU-Asylsystems gezeigt.

Die geplante Reform des EU-Asylsystems soll eigentlich bis Juni stehen. Allerdings zählt Orban gemeinsam mit dem Chef der polnischen Regierungspartei „Recht und Gerechtigkeit“, Jaroslaw Kaczynski, EU-weit zu den größten Gegnern einer Regelung, der zufolge Flüchtlinge notfalls innerhalb der Europäischen Union umverteilt werden könnten. Angesichts des erbitterten Widerstands der Osteuropäer ist die Kompromisssuche inzwischen im Gange. Eine Lösung könnte etwa gefunden werden, wenn Länder wie Ungarn und Polen akzeptieren, dass durch die Flüchtlingsaufnahme beanspruchte Länder wie Italien oder Griechenland mehr EU-Gelder erhalten. Leicht wird das innereuropäische Gefeilsche allerdings nicht, weil dies im Umkehrschluss finanzielle Einbußen für die osteuropäischen Länder bedeuten würde.

Seehofer: "Ich freue mich über den Wahlsieg"

Erschwert wird Merkels Aufgabe bei einer europäischen Lösungssuche allerdings dadurch, dass der wegen seines autoritären Regierungsstils kritisierte Orban am Montag auch aus dem Berliner Koalitionslager einen ungewöhnlich lauten Beifall erhielt. Innenminister und CSU-Chef Horst Seehofer war es, der am Montag erklärte: „Ich freue mich über den Wahlsieg.“ Im Januar hatte die CSU Orban nach Kloster Seeon eingeladen. Bei der CSU-Klausur hatte Orban erklärt, dass 2018 „das Jahr der Wiederherstellung des Volkswillens“ werde. Die Bevölkerung werde erzwingen, dass die Migrationspolitik wieder ihren Interessen diene, hatte er weiter erklärt.

Mit seinem demonstrativen Glückwunsch für Orban versuchte Seehofer möglicherweise auch gleich eine Diskussion um die parteipolitische europäische Verankerung der Fidesz zu entschärfen, die nach dem Wahlsieg des 54-Jährigen wieder entbrannt ist. Die Berliner SPD-Europaabgeordnete Sylvia-Yvonne Kaufmann forderte, dass Orbans Parteifreunde von CDU und CSU „endlich mit ihm Tacheles reden“ sollten. In der Parteipolitik sind die CDU/CSU und die Fidesz durch ihre gemeinsame Mitgliedschaft in der Europäischen Volkspartei (EVP) Verbündete.

Macron kritisiert Spitzenpolitiker, "die sich von der Angst ernähren"

Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) kam am Montag zu dem Urteil, dass Orban den Oppositionsparteien bei der Parlamentswahl am Sonntag keinen fairen Wettbewerb erlaubt habe. „Die exzessiven Ausgaben der Regierung für Anzeigen, die die Wahlkampfaussagen der Regierungskoalition verstärkten, haben die Chancen der Herausforderer auf einen Wettbewerb auf gleicher Basis untergraben", sagte der OSZE-Wahlbeobachter Douglas Wake.

Nach der Auffassung von Kritikern hat Orban inzwischen die Medien in Ungarn weit gehend auf seine Linie gebracht. Ohne den ungarischen Regierungschef beim Namen zu nennen, kritisierte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron am Montag europäische Spitzenpolitiker, „die sich von der Angst ernähren“.

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