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Boris Johnson, Premierminister von Großbritannien

© Carl Recine/PA Wire/dpa

Update

Parteiinterner Johnson-Gegner will Premierminister werden: Partygate-Bericht soll deutlich zensiert werden

Im Moment größter Bedrängnis kommen Johnson die polizeilichen Ermittlungen zugute. Dennoch bereiten sich in den eigenen Reihen manche auf seine Nachfolge vor.

Im „Partygate“-Skandal um Boris Johnson bringen sich nun auch öffentlich Kandidaten für die Nachfolge des britischen Premierministers in Stellung. Er werde kandidieren, falls es zu einer Abstimmung komme, sagte der konservative Abgeordnete Tom Tugendhat am Samstag dem Sender Times Radio.

Der Chef des Auswärtigen Ausschusses im Parlament gilt als parteiinterner Kritiker Johnsons. „Es liegt an uns, unseren Hut in den Ring zu werfen. Und es liegt an den Wählern, also zuerst an den Parlamentskollegen und dann den Parteimitgliedern, dann zu wählen.“

Wie die „Daily Mail“ berichtete, hat Tugendhat die Unterstützung mehrerer Tory-Abgeordneter aus der Mitte der Partei. Als Nachfolger Johnsons werden außerdem Außenministerin Liz Truss und Finanzminister Rishi Sunak gehandelt. Sie weisen bisher öffentlich jedes Interesse zurück.

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Johnson steht seit Wochen wegen der Affäre um Lockdown-Partys in der Downing Street schwer unter Druck. Mit Spannung wird erwartet, ob ein interner Untersuchungsbericht Hinweise enthält, dass Johnson oder seine Mitarbeiter Corona-Regeln gebrochen haben. Dann dürfte es zu einem parteiinternen Misstrauensvotum gegen den Premier kommen.

Allerdings wird der Bericht zunächst wohl nur in einer stark zensierten Version veröffentlicht. „Wir haben darum gebeten, in dem Bericht des Cabinet Office nur minimalen Bezug auf die Veranstaltungen zu nehmen, die von der Metropolitan Police untersucht werden“, hieß es in einer Mitteilung von Scotland Yard am Freitag. Damit solle „jegliche Voreingenommenheit“ bei den Ermittlungen verhindert werden, hieß es zur Begründung.

Die Polizei hatte am Dienstag überraschend angekündigt, in der Sache zu ermitteln. Die Veröffentlichung des internen Regierungsberichts durch die Spitzenbeamtin Sue Gray wurde dadurch verzögert. Eigentlich wurde schon in dieser Woche mit dem vollständigen Bericht gerechnet. Nun ist fraglich, ob er überhaupt noch vor Abschluss der polizeilichen Ermittlungen ans Tageslicht kommt.

Misstrauensvotum wahrscheinlich

Für den Premierminister sind das gute Neuigkeiten. Der interne Bericht zu mehreren Events in dessen Amtssitz 10 Downing Street und anderen Regierungsgebäuden gilt als höchst brisant.

Die Partygate-Affäre um Boris Johnson könnte sich jetzt doch noch für ihn zum Guten wenden.

© CARL RECINE /AFP

Berichten zufolge sollen Regierungsmitarbeiter und auch Johnson selbst während der Pandemie mit Feiern die eigenen Regeln für Kontaktbeschränkungen missachtet haben. Sollte sich das bestätigen, gilt ein Misstrauensvotum gegen den Premier als wahrscheinlich. Doch bis das geklärt ist, dürften nun Wochen vergehen.

Die Liste der mutmaßlich illegalen Zusammenkünfte ist lang: Mehrere Weihnachtsfeiern, eine Geburtstagsrunde, eine Gartenparty und nächtliche Besäufnisse vor dem Begräbnis des langjährigen Queen-Gatten Prinz Philip. Grays Bericht sollte klären, wer wann wo, wie oft und wie lange mit wem gefeiert hat.

Johnson hatte bislang so gut wie alle Fragen dazu jedoch unter Verweis auf die laufenden internen Untersuchungen abgeschmettert. Nun gewinnt er weiter wertvolle Zeit, denn ein stark zensierter Bericht dürfte ihn wohl kaum gefährden. Die Gefahr einer Revolte in seiner Fraktion scheint damit vorerst abgewendet.

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Einige Rechtsexperten bezweifelten jedoch, dass die von der Polizei geforderten Einschränkungen notwendig sind. „Das ist absoluter Quatsch von der Met Police“, schrieb Nazir Afzal, der ehemalige Chef-Staatsanwalt im Nordwesten Englands, zu der Mitteilung der Polizei auf Twitter.

[Lesen Sie auch: Londons Polizeichefin Cressida Dick: Das ist die Frau, die Boris Johnson gefährlich wird (T+)]

Regierung fordert kompletten Bericht

Ein rein faktischer Bericht von Sue Gray könne den polizeilichen Ermittlungen überhaupt nicht vorgreifen, so Afzal weiter und fügte hinzu: „Sie müssen nur den Beweisen folgen, von denen der Bericht ein Teil sein wird.“ Andere Experten äußerten hingegen Verständnis für die Einwände der Metropolitan Police. „Eine strafrechtliche Ermittlung muss den höchsten Standards verfahrensrechtlicher Fairness genügen“, sagte Kronanwalt Alex Bailin der BBC.

Oppositionschef Keir Starmer von der Labour-Partei bezeichnete die Regierung als „gelähmt“ durch die anhaltende Affäre. Er wolle den vollständigen Sue-Gray-Bericht sehen. Und die Ermittlungen müssten so bald wie möglich abgeschlossen werden, sagte er der BBC.

Erstmals äußerte sich auch die von Johnson einst gestürzte Ex-Premierministerin Theresa May zu der Affäre. Sie sei wütend über die mutmaßlichen Lockdown-Feiern, schrieb sie einem Bericht des Lokalblatt „Maidenhead Advertiser“ zufolge an Wähler in ihrem Wahlkreis. Niemand stehe über dem Gesetz. (dpa)

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