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Auf oder ab? Die Maske ist zum Symbol der Auseinandersetzung um den richtigen Kurs in der Corona-Pandemie geworden.

© dpa

Pläne für Infektionsschutzgesetz: Zulasten der Vorerkrankten und der Kinder

Lockerung? Die Pläne der Ampel ließen sich auch Schutzstandardsenkungsinitiative nennen, oder gleich Durchseuchungsbeschleunigungsgesetz. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Karin Christmann

Ronald Pofalla lässt schön grüßen. In der Art, wie der damalige Kanzleramtsminister die NSA-Spähaffäre dereinst für beendet erklärte, verfährt die Bundesregierung, getrieben von der FDP, nun in Sachen Corona. Masken runter, und schon ist die Pandemie vorbei. So einfach kann es sein – oder eben nicht.

Am Donnerstag wurden dem Robert Koch Institut zum ersten Mal binnen eines Tages mehr als 250 000 Neuinfektionen gemeldet. Gleichzeitig fällt gut die Hälfte aller durchgeführten PCR-Tests positiv aus, was bedeutet, dass es eine sehr hohe Dunkelziffer nicht erfasster Erkrankungen gibt. Die Dynamik ist rasant, und ausgerechnet diesen Moment wählt die Bundesregierung für ein großes Lockerungspaket.

Lockerung? Die Sache ließe sich auch ganz anders bezeichnen: Als Schutzstandardsenkungsinitiative zum Beispiel, oder der Ehrlichkeit halber gleich als Durchseuchungsbeschleunigungsgesetz. Was dem einen die neue Lockerheit, kann dem anderen lebensgefährlich werden.

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Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) hat leider recht, wenn er den Entwurf der Ampel für ein neues Infektionsschutzgesetz mit den Worten kritisiert, man werfe doch den Feuerlöscher nicht weg, wenn es noch brennt. Die Bundesregierung tut nicht nur das – sie kippt sogar noch einen Kanister voll Benzin ins Gebäude, indem etwa in Supermärkten und in Schulen die Masken entfallen sollen.

Die Impfstoffe wirken, zumindest im Großen und Ganzen, und es sind noch Intensivbetten frei. Mit mehr möchten die meisten Menschen nach mehr als zwei Jahren nicht länger behelligt werden. Unschöne Feinheiten wie Long Covid interessieren fast nur die, die selbst betroffen sind.

Unter der Flagge eines von der FDP verdrehten Freiheitsbegriffs

Das zeugt, individuell betrachtet, nicht von Empathie und Mitmenschlichkeit, ist aber angesichts all der Belastungen durch die Pandemie zumindest nachvollziehbar. Zur Maxime des Regierungshandelns hätte es dennoch nicht werden dürfen. Die Bundesregierung hat sich die Perspektive, nun müsse es einfach mal gut sein mit der Corona-Bekämpfung, zueigen gemacht, unter der Flagge eines von der FDP verdrehten Freiheitsbegriffs. Unerfreuliche neue Fakten wie das Aufkommen der Omikron-Variante BA.2 spielen kaum eine Rolle. Freiheit, das bedeutet dann wohl, nicht mal mehr für die Dauer eines Supermarkteinkaufs eine Maske tragen zu müssen, auch wenn das jemand anderem das Leben retten könnte.

Der FDP-Justizminister Marco Buschmann frohlockt, im Alltagsleben der Menschen werde es „so gut wie keine Einschränkungen mehr geben“. Dabei wird der Alltag vieler Vorerkrankter durch die jüngsten Beschlüsse massivsten Einschränkungen unterworfen. Es gibt Menschen, die sich nicht durch Impfung schützen können und für die eine Infektion sehr gefährlich wäre. Wenn es so kommt, wie Buschmann das gern hätte, sind diese Menschen bald sogar im Supermarkt einem völlig unnötigen Risiko ausgesetzt. Es ist entlarvend, dass nicht mal mehr ein Rest von Rücksicht drin ist.

Diese Gesellschaft will mit dem Virus leben lernen, so heißt es allerorten. In der Tat wird daran kein Weg vorbeiführen. Aber dann sollten wir schleunigst damit beginnen.

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