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Polizisten versuchen, die Klimaschützer daran zu hindern, in den Tagebau Garzweiler einzudringen.

© David Young/AFP

Update

Polizei warnt vor Lebensgefahr: Hunderte Klimaschützer stürmen Tagebau Garzweiler

Aktivisten für einen sofortigen Kohleausstieg machen mobil. Über Stunden besetzen sie das RWE-Gelände. Am Abend beginnt die Polizei mit Räumungen.

Der trockene Boden an der Abbaukante staubt, als Dutzende Aktivisten in den Tagebau Garzweiler hinein rennen oder rutschen. Meist sind sie in weißen Papier-Overalls gekleidet. Auf Internetvideos des Bündnisses „Ende Gelände“ ist zu sehen, wie die Demonstranten am Samstag johlend und klatschend durch den Tagebau in der Nähe von Aachen laufen. Die Polizei appelliert an die Frauen und Männer stehenzubleiben. Es bestehe Lebensgefahr.

Mehrere Hundert Aktivisten stürmten am Ende den Tagebau, wie die Polizei Aachen mitteilte. Am frühen Abend begannen die Einsatzkräfte mit der Räumung des Geländes, doch auch in der Nacht hielten die Protestaktionen noch an.

Während Tausende Teilnehmer der „Fridays For Future“-Bewegung, die erstmals an einem Samstag zusammenkommt, friedlich demonstrieren, legt es das Bündnis „Ende Gelände“ am Samstagnachmittag auf die Konfrontation an. Man werde die Polizeiketten jetzt „durchfließen“, heißt es auf dem Twitter-Account der Aktivisten schon am Mittag.

Wenig später brechen an verschiedenen Stellen Menschen durch die Polizeiketten. Dabei wird offenbar mindestens ein Aktivist verletzt, überdies erleiden acht Polizisten Verletzungen. Die Polizei benutzt ihrerseits Pfefferspray, um Aktivisten zu stoppen. „Ende Gelände“ prangert via Twitter „Polizeigewalt“ an.

Am Rande des Tagebaus setzten Unbekannte den Schaltschrank einer Pumpstation des Betreibers RWE in Brand. Die Polizei gehe von vorsätzlicher Brandstiftung aus, sagte eine Sprecherin. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass das Feuer im Zusammenhang mit der Klimademonstration gelegt worden sei, hieß es. Menschen kamen nicht zu Schaden. Die Feuerwehr löschte den Schaltkasten. Bereits am Freitag hatte den Angaben zufolge eine Pumpstation im nur wenige Kilometer entfernten Lützerath gebrannt. Auch hier vermutet die Polizei eine Brandlegung.

Polizisten versuchen einen Aktivisten festzunehmen.
Polizisten versuchen einen Aktivisten festzunehmen.

© Ina Fassbender/AFP

Am Abend versuchten Aktivisten nach Behördenangaben, Gefangene zu befreien. Die Polizei Aachen appellierte an die Demonstranten, sich „besonnen und kooperativ“ zu verhalten und „Befreiungsversuche und Angriffe auf Beamte“ zu unterlassen. Der Deutschen Presse-Agentur sagte die Polizei auf Anfrage, dass es mehrere Ingewahrsamnahmen gegeben habe. Genaue Zahlen, um wie viele Personen es sich handele, konnte sie zunächst nicht machen. Ferner berichtete die Behörde, dass Demonstranten versuchten, die Abbruchkante des Tagebaus hochzuklettern und warnte vor „Lebensgefahr“. Die Abbruchkante könne „abrutschen“.

Gewerkschaft der Polizei: „Unglaublicher Leichtsinn“

Die von der Polizei in Gewahrsam genommen Demonstranten werden laut Polizei bei derartigen Demonstrationen in einer „bestimmten Örtlichkeit“ festgehalten. Bei der Feststellung der Personalien sei es den Angaben zufolge zu den versuchten Gefangenenbefreiungen gekommen. Dies sei eine Straftat, das Eindringen in den Tagebau Hausfriedensbruch, dazu komme Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte.

Der NRW-Chef der Gewerkschaft der Polizei, Michael Mertens, sprach am Nachmittag von einem „unglaublichen Leichtsinn“ der Aktivisten. Die Abbaukanten im Tagebau seien auch deshalb so gefährlich, weil man oben oft gar nicht sehe, wenn darunter gar kein Grund mehr sei. „Da können Sie 40 Meter tief stürzen“, so Mertens zur Deutschen Presse-Agentur. Er prophezeite einen „langen Tag“ für die Polizei, da das Eindringen in den Tagebau wohl keine Einzelaktion bleiben würden. Mertens lobte gleichzeitig die friedliche Demo der „Fridays For Future“-Teilnehmer.

Ab zum Bagger: Aktivisten steigen in den Tagebau Garzweiler hinab.
Ab zum Bagger: Aktivisten steigen in den Tagebau Garzweiler hinab.

© Federico Gambarini/AFP

Am Ende eines heißen Nachmittags waren nach Angaben der Aktivisten-Sprecherin 1000 Aktivisten im Tagebau. „Die Deutungshoheit überlassen wir „Ende Gelände““, kommentierte eine Polizeisprecherin diese Zahl. Man werde jetzt versuchen, mit den Leuten ins Gespräch zu kommen.

Demonstranten legen schützendes Band um Keyenberg

Zu dem Aktionstag unter dem Motto "Kohle stoppen - Klima und Dörfer retten" hatte ein Bündnis aus umwelt- und zivilgesellschaftlichen Gruppen aufgerufen. Dem Protestmarsch der Schüler-Bewegung hatten sich am Samstagmorgen auch Familien und ältere Menschen angeschlossen. Sie machten sich am Tagebau entlang auf den Weg in das Dorf Keyenberg - eines der letzten Dörfer im Rheinischen Revier, die für einen Tagebau abgebaggert werden sollen. „Alle sind gegen Kohle, außer Peter, der gräbt noch einen Meter“ hieß es auf dem Plakat eines Teilnehmers, das Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) zeigte.

Proteste für den Kohleausstieg und mehr Klimaschutz im Rheinland
Proteste für den Kohleausstieg und mehr Klimaschutz im Rheinland

© dpa/Federico Gambarini

Rund 8000 Klimaschützer kamen nach Angaben der Organisatoren zur Kundgebung in Keyenberg zusammen, das dem Tagebau Garzweiler weichen soll. Die Demonstranten bildeten ein gelbes Band, „um sich so schützend vor den Ort zu legen“, wie eine Sprecherin des Bündnisses sagte.

„Ende Gelände“ hatte sich in mehreren Gruppen mit rund 1600 Menschen auf den Weg gemacht. Flankiert wurde der Zug, der in Sichtweite des Tagebaus Garzweiler auf einer Straße lief, von einem starken Polizeiaufgebot. Polizeireiter waren vor Ort, ein Hubschrauber kreiste. Am Nachmittag blockierten „Ende Gelände“-Aktivisten nach Angaben der Polizei die Hambach-Bahn. Auf der Strecke wird Kohle abtransportiert. Eine weitere Bahnstrecke (Nord-Süd) wurde bereits seit Freitagabend besetzt. „Ende Gelände“ jubelte am Nachmittag via Twitter.

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„Aktionen zivilen Ungehorsams“ fürs ganze Wochenende angemeldet

Tatsächlich hatte RWE nach Angaben eines Sprechers zunächst vier von sechs Produktionseinheiten inklusive Baggern aus Sicherheitsgründen gestoppt. „Das ist ein Eingriff in die öffentliche Versorgung“, sagte eine RWE-Sprecher der dpa. „Aber es ist nicht so, dass wir Kraftwerke gleich abstellen müssen.“

Das Aktionsbündnis „Ende Gelände“ hat für das gesamte Wochenende „Aktionen zivilen Ungehorsams“ gegen den weiteren Kohleabbau angekündigt. Am Freitagabend hatten hunderte Aktivisten die Bahnstrecke vor dem Kohlekraftwerk Neurath blockiert und so den Kohletransport vom Tagebau Garzweiler zum Kraftwerk des Energiekonzerns RWE unterbrochen. Die Blockade dauerte am Samstag an. (dpa, AFP, epd)

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