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Trauernde auf einem improvisierten Friedhof außerhalb von Mariupol Ende Mai.

© Foto: Reuters/Alexander Ermochenko

Ukraine-Krieg Tag 159: Putins Barbarei wird lange ein Makel für die Russen bleiben

Ukraine untersucht 25.000 russische Kriegsverbrechen, erstes Getreideschiff verlässt Odessa, deutsche Raketenwerfer an der Front. Der Überblick am Abend.

Sowohl Amnesty International als auch die EU haben eine Untersuchung des jüngsten Vorfalls von mutmaßlicher Folter durch prorussische Kämpfer verlangt.

Auf dem sozialen Netzwerk Telegram hatten sich vergangene Woche Aufnahmen verbreitet, die zeigen, wie einem Mann die Hoden mit einem Teppichmesser abgeschnitten werden. Es soll sich um einen ukrainischen Kriegsgefangenen gehandelt haben. Ein zweites Video zeigt, wie er mit einem Kopfschuss getötet wird. Bei mindestens einem der Täter sind prorussische Militärsymbole wie ein Z und eine schwarz-orangene Flagge auf der Kleidung zu erkennen.

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Zu verifizieren sind die Aufnahmen zum aktuellen Zeitpunkt nicht. Das grausame Vorgehen deckt sich aber mit durch Zeugenaussagen nachgewiesenen Verbrechen, die russische und prorussische Kämpfer in der Ukraine begangen haben. Unter anderem die gezielte Tötung von Zivilisten und Vergewaltigungen. Rund 70 ukrainische Ermittler untersuchen bisher rund 25.000 Fälle.

Ja, auch von Seiten der Ukraine geschehen sehr wahrscheinlich Kriegsverbrechen. Das legte ein UN-Report Ende Juni nahe (hier nachzulesen). Allerdings viel weniger an der Zahl als durch russische und prorussische Truppen. Und viele Grausamkeiten, die in den jetzt von Russland besetzten Gebieten wie Mariupol passierten, sind noch gar nicht an die Öffentlichkeit gelangt.

Wenn nur eine Minderheit der Täter später vor Gericht gestellt werden können, wäre das schon ein Erfolg. Mindestens ein Kriegsverbrecherprozess hat in der Ukraine schon begonnen - auch eine Untersuchung zu mutmaßlichen Gräueltaten von ukrainischen Streitkräften wurde eingeleitet. Auf Moskaus Aufklärungswillen ist dabei nicht zu setzen. Der Kreml behauptet, seine Truppen hielten sich an (Kriegs)-Recht und Gesetz.

Sicher ist: Russlands unvorstellbare Gräueltaten werden für Generationen in der Ukraine erinnert werden. Und für Russen wird es auch außerhalb der Ukraine in den nächsten Jahren schwer, nicht mit der Barbarei in Verbindung gebracht zu werden, die ihre Regierung zu verantworten hat. Der blutige Makel wird bleiben. Weit über das Kriegsende hinaus.

WICHTIGSTEN NACHRICHTEN DES TAGES IM ÜBERBLICK

  • Ein Experte erklärt Russlands Getreide-Kalkül: Das erste Schiff mit Getreide hat den Hafen von Odessa verlassen. Für Russland ist der Schritt verschmerzbar. Mehr hier. 
  • Russland sieht Front im Süden laut Großbritannien als Schwachstelle: Moskau verlegt offenbar Truppen nach Süden, um die Front im Gebiet Saporischschja zu stärken. Die Ukraine hatte dort Gegenoffensiven begonnen. Mehr hier. 
  • Gas-Kunden müssen sich jährlich auf bis zu 1190 Euro mehr einstellen: Verbraucher werden ab Oktober für eineinhalb Jahre zur Kasse gebeten. Die genaue Höhe steht noch nicht fest. Erste Berechnungen lassen Schlimmes befürchten. Mehr hier.
  • Der nach Beginn des Ukraine-Kriegs zurückgetretene prominente Kreml-Beamte Anatoli Tschubais wird laut Medienberichten mit schweren gesundheitlichen Problemen in Europa in einem Krankenhaus behandelt. Mehr in unserem Newsblog.
  • Russland hat Pläne zum Wiederaufbau der südostukrainischen Hafenstadt Mariupol bekanntgegeben. Die ersten bereits im Bau befindlichen Gebäude sollten bis zum Herbst fertiggestellt sein, sagte Vize-Ministerpräsident Marat Chusnullin am Montag dem russischen Fernsehsender RBC. Mariupol war vor seiner Einnahme durch die russischen Truppen wochenlang belagert und bombardiert worden. Dabei wurden große Teile der Stadt zerstört.
  • Von Deutschland gelieferte Mehrfachraketenwerfer Mars II sind in der Ukraine eingetroffen. Das teilte der ukrainische Verteidigungsminister Oleksii Reznikov auf Twitter mit. Er dankte Deutschland und Verteidigungsministerin Christine Lambrecht. 
  • Die Europäische Union hat der Ukraine nach deren Angaben eine Milliarde Euro an Hilfen gegeben, um den Etat des Landes zu unterstützen und die finanziellen Folgen des Krieges mit zu bewältigen. Diese Milliarde sei Teil eines großen Hilfspaketes von insgesamt neun Milliarden Euro, teilt der ukrainische Ministerpräsident Denys Schmygal auf dem Kurznachrichtendienst Telegram mit.
  • EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen warnt vor einer Zuspitzung der Energiekrise in der Europäischen Union im Zuge des russischen Angriffskriegs in der Ukraine. „Da Russland bereits zwölf Mitgliedsländern (der EU) die Gaslieferungen ganz oder teilweise abgedreht hat, müssen wir uns alle auf die schlimmste Situation vorbereiten“, erklärte von der Leyen im Interview der spanischen Zeitung „El Mundo“.
  • Kremlchef Wladimir Putin hat eine neue Marine-Doktrin in Kraft gesetzt, die Russlands Seegrenzen - darunter in der Arktis und im Schwarzen Meer - festlegen soll. Bei einer Parade mit Kriegsschiffen kündigte Putin zudem an, dass die neue Hyperschall-Seerakete „Zirkon“ bald in den Dienst gestellt werde.

HINTERGRUND UND ANALYSE

1. Monate vor der Invasion der Ukraine: Als Russland seine Propaganda in den Kriegsmodus schaltete

2. Kreml will „Tiergartenmörder“ freitauschenDeutschland darf nicht einmal über diesen Handel nachdenken

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