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Bodo Ramelow (Die Linke), Ministerpräsident von Thüringen und Spitzenkandidat der Partei für die Landtagswahl

© Robert Michael / dpa

Keine Macht für niemanden?: Ramelow ist Wahlsieger, doch entscheiden muss die CDU

Noch nie war die Linke stärkste Partei in einem Bundesland. Bodo Ramelow will nun auch mit der CDU über eine Regierung reden.

Von Matthias Meisner

Glücklich? „Na klar“, sagt Bodo Ramelow wenige Minuten nach Schließung der Wahllokale. Mit Genossen und Vertrauten hat er im Raum 440 des Landtags beraten, dem Fraktionssitzungssaal der Linken. Ein Riesenerfolg für ihn und seine Partei. Noch niemals seit 1990 ist die Linke in einem Bundesland stärkste Partei geworden. Und auch wenn es wahrscheinlich für eine Neuauflage des rot-rot-grünen Regierungsbündnisses wegen der Schwäche von SPD und Grünen nicht reicht: Ramelow ist klarer Sieger der Wahl.

Vor dem Sitzungssaal hängt ein Zitat von Clara Zetkin: „Lassen wir uns nicht schrecken durch die Ungunst äußerer Umstände, haben wir für alle Schwierigkeiten eine Antwort: Erst recht!“

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Bevor der ARD-Wahlexperte Jörg Schönenborn die Ergebnisse einer Befragung einblendet, laut der mehr als zwei Drittel wollen, dass die CDU jetzt auch für Gespräche mit der Linken offen ist, hat Ramelow seinen ersten TV-Auftritt an diesem Abend. Selbst von den CDU-Anhängern ist eine klare Mehrheit dafür, dass sich ihre Partei von dem vor der Wahl verkündeten Nein zu dieser Variante verabschiedet.

Wird Ramelow auch mit der CDU über eine mögliche Regierungsbildung sprechen? Vielleicht eine rot-rot-grüne Minderheitsregierung anstreben? Er werde „mit allen demokratischen Parteien reden“, versichert der seit 2014 amtierende Linken-Regierungschef im Fernsehstudio. Und erinnert daran, dass vor fünf Jahren viele auch nicht an den Erfolg von Dreierkonstellationen geglaubt hätten. Und dass ebenso viele gesagt hätten, eine Regierung mit nur einer Stimme Mehrheit werde nicht überleben. „Der Regierungsauftrag liegt ganz eindeutig bei meiner Partei.“ Aber der Ball liegt nun bei der CDU, die vor der Wahl ein Regierungsbündnis mit der Linken ausgeschlossen hat.

Serie von Wahlniederlagen

Erfolge konnte die Linkspartei auch dringend gebrauchen. Bis auf die Bürgerschaftswahl in Bremen, nach der sie erstmals in Westdeutschland an einer Landesregierung beteiligt wurde, war 2019 so gut wie alles schiefgelaufen. Bei der Europawahl im Juni hatte sie drastisch verloren, kam bundesweit nur noch auf 5,5 Prozent und damit der Fünfprozenthürde gefährlich nahe. Dazu kamen Verluste landauf, landab bei Kommunalwahlen. Und das Desaster Anfang September bei den Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen: In beiden Ländern halbierte die Partei in etwa ihr Ergebnis - und sackte ab auf das PDS-Niveau bei den Landtagswahlen 1990.

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Ramelow aber, seit 5. Dezember 2014 als erster und bisher einziger Regierungschef im Amt, setzte sich am Sonntag deutlich ab. Schon vor der Wahl hatten Genossinnen und Genossen flügelübergreifend deutlich gemacht, wie sehr sie ihn schätzen. Beispielsweise Fraktionschef Dietmar Bartsch, der sagte: „Bodo hat sich eines bewahrt: Er kümmert sich, auch als Landesvater, um die ganz kleinen Dinge engagiert und bis zur Lösung.“ Und: „Klare Haltung, zum Beispiel gegen rechts, zeichnet ihn genauso aus wie die Ablehnung ideologischer Scheuklappen.“ Auch die Parteivorsitzende Katja Kipping wählt das Wort Landesvater, wenn sie über Ramelow spricht. Er sei geachtet, sagt sie. „Wir haben eine kämpferische Grundhaltung und Lösungskompetenz, das ist eine Erfolgsformel.“

Zu denjenigen, die am Sonntagnachmittag mit Ramelow zusammensaßen, gehört auch sein Bildungsminister Helmut Holter, der früher mal Vize-Regierungschef in Mecklenburg-Vorpommern war. „Das beste Ergebnis aller Zeiten“, schwärmt auch er über das Ramelow-Resultat. „Ein Beweis dafür, dass es auch auch gelingen kann, aus der Regierung heraus zuzulegen.“

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Die Diskussion, ob das erste schwarz-dunkelrote Bündnis in einem Bundesland in Thüringen zu Stande kommt, bestimmt die Diskussionen am Abend im Landtag. Holter verweist, auf die Beschlusslage, dass der Landesvorstand der Linken am Montagabend das Endergebnis in Ruhe analysieren werde. Aber auch: „Demokratische Parteien müssen miteinander reden können.“ Vorsichtiger formuliert Parteichefin Kipping auf der Wahlparty der Linken im Zughafen, einem ehemaligen Reichsbahn-Gelände: „Es ist noch nicht der Zeitpunkt, um zu spekulieren.“

Benjamin-Immanuel Hoff, als Staatskanzlei-Chef einer der wichtigsten Vertrauten Ramelows, tut das dann doch, vorbehaltlich der anstehenden Diskussionen in den Gremien. Rot-Rot-Grün sei seit 2014 ein Experiment gewesen, die CDU in den vergangenen fünf Jahren immer eingebunden worden. „Wir werden das Experiment auf einem anderen Niveau weiterführen“, sagt Hoff am Wahlabend in einem Telefonat mit dem Tagesspiegel. Eine Koalition mit wechselnden Mehrheiten, die von Fall zu Fall auf eine Unterstützung der CDU angewiesen wäre? „Ja, natürlich kann das eine Variante sein.“ So werde in Kanada regiert, in Skandinavien, „warum soll das nicht gehen?“

Koalition mit der CDU? Ramelow-Vertrauter Hoff winkt ab

Für Hoff ist es die eindeutig bessere Variante im Vergleich zu einer dunkelrot-schwarzen Koalition. Denn: „Die Menschen haben großes Interesse daran, dass Parteien unterscheidbar sind. Sie werden sonst unerkennbar.“ An einer formalen Koalition könnten weder die CDU noch die Linke ein Interesse haben. Allerdings habe „eine kleinere demokratische Partei die Verpflichtung, für Stabilität zu sorgen“.

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In der Kampagne der Linken zur Landtagswahl stand Ramelow im Zentrum. Auf den Plakaten mit seinem Foto standen Slogans wie „Nähe. Verlässlichkeit. Offenheit“ oder „Wohin die Reise geht“, das Logo der Partei fehlte. 26 Mal tourte in den Wochen vor dem Wahlsonntag durch das Land, beim Format orientierte er sich nach eigenen Worten an den Kreisbereisungen des früheren Regierungschefs Bernhard Vogel von der CDU, der wie er aus dem Westen nach Thüringen gekommen war. Dem Wahlvolk sagte er bei den Kundgebungen in Anspielung auf sein rot-rot-grünes Parteienbündnis: „Sie haben den seltenen Luxus, für drei verschiedene Parteien stimmen zu können. Und immer kommt Bodo Ramelow heraus.“

Steht Ramelow längst über seiner Partei? Unterwegs im Wahlkampf versicherte er, dass es schon einen Unterschied mache, dass jemand mit einem linken Parteibuch Ministerpräsident ist. Er spreche die Probleme immer noch klar an, sagt er. Und zunächst rufe er morgens immer die Landesvorsitzende der Linken, Susanne Hennig-Wellsow, an, um die Agenda des Tages abzusprechen.

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Ramelow hat nun mehrere Optionen, im Amt zu bleiben. Im Artikel 75 der Landesverfassung heißt es: „Der Ministerpräsident und auf sein Ersuchen die Minister sind verpflichtet, die Geschäfte bis zum Amtsantritt ihrer Nachfolger fortzuführen.“ Ramelow kann also eine geschäftsführende Regierung monatelang führen. Den Landeshaushalt 2020 hat er vorsichtshalber schon vor der Wahl verabschieden lassen.

Mohring: Mit dem Ergebnis hat niemand gerechnet

Es ist eine Variante, die Ramelows Herausforderer Mike Mohring von der CDU überhaupt nicht passt. Wohl auch deshalb wiederholt Mohring seine kategorische Ablehnung einer Kooperation mit den Linken nicht. Mit dem Ergebnis habe keiner gerechnet, sagt der CDU-Landesvorsitzende, eine „Regierungsbildung in der Mitte“ sei „nicht möglich“. Die Antwort, wie es nun eine handlungsfähige Regierung geben könne, sei am Wahlabend noch nicht zu finden.

Gespräche zwischen Linken und Union hat es in Thüringen seit Jahren gegeben. Auch bei CDU-Anhängern hat Ramelow in den fünf Jahren seiner Regierungszeit Vorbehalte abgebaut. Der Frage nach einer Regierungszusammenarbeit mit der CDU war Ramelow aber immer ausgewichen: „Wenn ich jetzt darüber sprechen würde, würden sich diejenigen, mit denen ich darüber geredet habe, ohnehin nicht erinnern“, sagte er Anfang Oktober am Rande eines Wahlkampftermins. Über die Vorzüge von Minderheitsregierungen sprach er aber sehr wohl und immer wieder.

Nun will er sich, ganz im Sinne Zetkins, nicht schrecken lassen durch die „Ungunst äußerer Umstände“. Es gilt: erst Recht!

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