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Vor allem Frankreich investiert viel in die Pläne für Minireaktoren.

© CHARLY TRIBALLEAU/AFP

Reaktoren im XS-Format: Die Welt plant die Atomkraft der Zukunft

Wissenschaftler tüfteln an neuen Reaktoren, die Kernenergie künftig sicherer machen sollen. Welche Chancen hat die Technologie?

Von Jakob Schlandt

Frankreich will eine Milliarde Euro in kleine Kernreaktoren neuen Typs stecken, sogenannte Small Modular Reactors (SMR). An solchen Minireaktoren tüfteln Forscher und Unternehmen in Nordamerika, Europa und China. Während bestehende große Atomkraftwerke mindestens ein Gigawatt Stromerzeugungsleistung bringen, liefern SMR weniger als 300 Megawatt. Ihnen liegen unterschiedliche, bisher wenig erprobte Reaktorkonzepte zugrunde. Sie sehen meist keine konventionellen Brennstäbe vor, stattdessen bewegt sich das spaltbare Material in einem Flüssigkeitskreislauf.

Beim sogenannten Molten-Salt-Reactor (MSR) beispielsweise besteht die Flüssigkeit aus geschmolzenem Salz. Unternehmen in Großbritannien, Dänemark, Kanada und den USA arbeiten an diesem Reaktortyp. Am weitesten ist das Shanghai Institute of Applied Physics, das einen Experimental-MSR gebaut hat. MSR-Verfechter wie das dänische Start- up Seaborg Technologies werben mit der angeblichen „Walk away safety“.

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Soll heißen: Die Anlage ist so sicher, dass man sie anschalten und weggehen kann. Demnach wäre dieser Reaktortyp zu einer Kernschmelze, wie sie in Tschernobyl oder Fukushima vorgekommen ist, physikalisch gar nicht in der Lage. Bei einer Störung soll das geschmolzene Salz automatisch erhärten, abkühlen und die Reaktion herunterbremsen. In der Praxis nachgewiesen hat das aber noch keines der Unternehmen, die an MSR arbeiten.

Für schnellen Klimaschutz könnten die Reaktoren zu spät kommen

SMR-Konzepte stehen in der Kritik, weil auch solche Anlagen radioaktive Abfälle produzieren, die lange und aufwändig gelagert werden müssen. Zwar fällt weniger an, weil ein höherer Anteil des Materials voraussichtlich recyelt werden kann. Aber das Problem der teuren, potenziell gefährlichen Lagerung radioaktiver Abfälle über Jahrhunderte ist nicht gelöst. Außerdem werden Zweifel an der Wirtschaftlichkeit laut, denn die Entwicklungskosten sind hoch, während konkurrierende erneuerbare Energien – insbesondere Solar – immer günstiger werden.

[Lesen Sie auch: Zurück in die atomare Zukunft – EU könnte Kernkraft als nachhaltig einstufen (T+)]

Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung weist darauf hin, dass es für die neuartigen Reaktoren bisher keine Brennstoffliefer- und -entsorgungskette gibt – ebenso wenig wie Zulassungskriterien und staatliche Regulierungsprozesse. Vermutlich kommen die Reaktoren auch zu spät, um im Sinne eines raschen, effektiven Klimaschutzes früh genug Erzeugungslasten von Kohlekraftwerken übernehmen zu können. Viele Experten rechnen mit einer Markteinführung erst in den 2030er-Jahren.

Im Vergleich mit konventionellen Kernkraftwerken hätten SMR Vor- und Nachteile. Sie sind potenziell weniger gefährlich. Außerdem wären ihre Bauzeiten wahrscheinlich kürzer, da sie in Serie gefertigte Komponenten enthielten und nach standardisierten Plänen errichtet würden. Weil SMR aber weniger Leistung liefern, bräuchte man mehr von ihnen. Kritiker weisen auch darauf hin, dass bei einer weltweiten Verbreitung von SMR die Gefahr der Proliferation zunehmen könnte, also der Verwendung radioaktiven Materials für Kernwaffen.

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