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Die Zahl der rechtsextremen und antisemitischen Straftaten nimmt auch 2020 zu.

© Patrick Pleul/dpa

Update Exklusiv

Rechte Kriminalität nimmt weiter zu: Bereits mehr als 15.000 Straftaten von Neonazis und anderen Rassisten

2019 war schlimm, 2020 könnte noch härter werden. Die Polizei meldet für die ersten drei Quartale steigende Zahlen bei rechten und antisemitischen Delikten.

Von Frank Jansen

Deutschland droht offenbar ein weiterer Anstieg rechter Kriminalität. Nach Informationen des Tagesspiegels hat die Polizei in den ersten drei Quartalen 2020 bereits 15.007 Straftaten festgestellt, die Neonazis und andere Rechte verübt haben.

Das sind 874 Delikte mehr, als die Polizei im vergangenen Jahr von Januar bis September registriert hatte. Bei den härtesten Delikten, den Gewalttaten, ergibt sich ein ähnliches Bild. Die Polizei zählte in diesem Jahr bis September 671 körperliche Angriffe und weitere Gewaltdelikte, dabei wurden mindestens 226 Menschen verletzt. Im Februar starben bei dem rassistischen Anschlag in Hanau neun Menschen aus Einwandererfamilien.

In den ersten drei Quartalen 2019 gab es 625 Gewaltattacken, bei denen 271 Opfer verletzt und beim Anschlag in Halle zwei Menschen getötet wurden. Die aktuelle Bilanz und der Vergleich zum Vorjahr ergeben sich aus den Antworten der Bundesregierung zu regelmäßigen Anfragen von Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau (Linke) und ihrer Fraktion. Die Schriftsätze liegen dem Tagesspiegel vor.

Die Zahlen zu den drei Quartalen 2020 werden noch steigen, da die Polizei erfahrungsgemäß viele Delikte nachmeldet. So ist zu vermuten, dass die Gesamtzahl rechter Straftaten 2020 die aus dem Vorjahr übertrifft.

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Für 2019 hatte das Innenministerium nach dem Eingang aller Meldungen der Polizei von 22.342 Straftaten im Bereich „Politisch motivierte Kriminalität - rechts“ berichtet. Das waren 9,4 Prozent mehr als 2018. Der Trend scheint sich 2020 fortzusetzen.

Das gilt offenbar auch für die antisemitische Kriminalität. Von Januar bis September 2020 stellte die Polizei 1393 Delikte von Judenhassern fest, darunter 35 Gewalttaten. In den ersten drei Quartalen 2019 waren es 1140 Delikte, allerdings mit 50 Gewalttaten.

Harte Bilanz auch bei antisemitischer Kriminalität

Die Zahlen sind ebenfalls den Antworten der Regierung auf Anfragen von Petra Pau zu entnehmen. Die Erkenntnisse sind vorläufiger Natur, da die Polizei auch bei antisemitischer Kriminalität immer wieder Fälle nachmeldet. In der Gesamtbilanz 2019 hatte sich schließlich ein trauriger Rekord ergeben. Die Polizei meldete 2032 antisemitische Straftaten. Das war der höchste Stand seit 2001. Womöglich wird die Summe judenfeindlicher Delikte in diesem Jahr noch größer sein.

Wie in den vergangenen Jahren gehen die Sicherheitsbehörden auch 2020 davon aus, dass mehr als 90 Prozent der antisemitischen Delikte rechts motivierten Tätern zuzuordnen sind. Bei den weiteren Angriffen gelten islamistische, linke und anderweitig fanatisierte Judenhasser als verantwortlich.

Judenfeindlicher Vorfall in Halle - und Kritik an der Polizei

Unterdessen gibt es in Sachsen-Anhalt Kritik am Umgang der Polizei mit einer 25-jährigen Jüdin und einem 22 Jahre alten Juden, die ein Antisemit im September in Halle beleidigt hatte. Der Angreifer beschimpfte die Frau und den Mann unter anderem als „Drecksjude“. Die Opfer waren anhand einer Kippa und einer Kette mit Davidstern als Juden zu erkennen. Als der 22-Jährige den Täter fotografierte, drohte dieser, „das wird ein Nachspiel haben, Jude“, und verschwand. Die Frau und der Mann meldeten die Tat beim Polizeirevier Halle, fühlten sich dort allerdings unsensibel behandelt.

Polizist soll verlangt haben, die Maske abzulegen

In einem Gedächtnisprotokoll, das dem Tagesspiegel vorliegt, berichten die beiden unter anderem von einem Beamten, der ohne Mund- und Nasenbedeckung mit ihnen sprach. Der Polizist habe zudem verlangt, dass sie ihre FFP-2-Masken ablegen. Ein weiterer Beamter habe gesagt, der Satz „das wird ein Nachspiel haben, Jude“, sei keine Drohung. Auch dieser Polizist habe keine Gesichtsmaske getragen. Die Opfer haben sich bei der Zentralen Beschwerdestelle des Innenministeriums beklagt. Die unabhängige Hilfsorganisation „Mobile Opferberatung“ wirft den Beamten „gravierende Mängel im polizeilichen Opferschutz“ vor. Die Polizeiinspektion Halle sagte auf Anfrage des Tagesspiegels, „der mitgeteilte Sachstand wird noch geprüft“.

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