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Richterinnen und Richter rücken in den Fokus.

© picture alliance/Marius Becker

Rechte und rechtsextreme Richter: „Jeder einzelne Fall schadet dem Ansehen der Justiz“

Die Ex-AfD-Abgeordnete Malsack-Winkemann plante offenbar mit Reichsbürgern den Umsturz. Sie war Richterin. Wie groß ist das Problem? Ein Interview.

Herr Wagner, die Berliner Ex-AfD-Abgeordnete Birgit Malsack-Winkemann plante offenbar mit Reichsbürgern den Umsturz. Sie arbeitete als Richterin. Wie groß ist das Problem rechter und rechtsextremer Richter und Staatsanwälte?
Offen rechte, rechtspopulistische oder rechtsextreme Richter sind zwar weiter ein Randphänomen in der Dritten Gewalt. Aber das Problem ist, dass die Justiz in Deutschland auf solche Fälle bisher nicht vorbereitet ist – beim Umgang mit ihnen und der Frage, wie die Einstellung rechtsradikaler Juristen zu verhindern ist. Sie ist häufig überfordert, auch aus rechtlichen Gründen. Jeder einzelne dieser Fälle schadet dem Ansehen der Justiz immens und dem Vertrauen in sie in der Bevölkerung.

War es ein Fehler der Justiz, dass Malsack-Winkemann nach ihrer Zeit als AfD-Abgeordnete in den Richterdienst zurückkehren durfte?
Das ist ein unheimlich komplizierter Fall und juristisches Neuland. Man muss dazu wissen: In der Zeit als Abgeordnete ruhten ihre richterlichen Rechte und Pflichten. Durch die sogenannte Indemnität war sie auch gegen disziplinarrechtliche Maßnahmen geschützt. Deswegen durften vor Gericht beim Streit um die Frage, ob sie in den Richterdienst zurückkehren kann, ihre Bundestagsreden nicht berücksichtigt werden.

Und es waren eben genau diese hetzerischen Reden im Bundestag, die Zweifel an ihrer Verfassungstreue aufkommen ließen. Dem Berliner Richterdienstgericht haben ihre ausländer- und islamfeindlichen Äußerungen außerhalb des Parlaments nicht gereicht, um ihr den Weg zurück auf den Richterstuhl zu versperren.

Der rechte Richter Jens Maier aus Sachsen, der sich selbst als „kleiner Höcke“ bezeichnete, wurde nach seiner Zeit als Abgeordneter aber in den Ruhestand versetzt...
Dieser Fall war anders gelagert. Bei Maier haben seine rechtsextremen Äußerungen außerhalb des Parlaments genügt, um seine Wiedereinstellung zu verhindern. Hier konnte man ohne Probleme die Prognose treffen, dass seine Wiedereinstellung in den Richterdienst das Ansehen der Justiz beschädigt hätte.

Bei ihm war auch klar, dass seine Hetze und Diskriminierung nicht nur eine hässliche Ausgrenzung von Ausländern und Muslimen war, sondern sich wegen eines Verstoßes gegen die Menschenwürde gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung gerichtet hat. Bei Malsack-Winkemann vermochte das Berliner Richterdienstgericht von ihrer „xenophoben Haltung“ nicht auf eine „verfassungsfeindliche Einstellung“ schließen.

Muss nach dem Fall Malsack-Winkemann eine Gesetzesänderung für Ex-Abgeordnete her?
Ich würde dafür plädieren, den Rückkehranspruch von Abgeordneten in die Justiz zu begrenzen, indem man sagt: Bei ernsthaften und belegbaren Zweifeln an der Verfassungstreue erlischt der Rückkehranspruch.

Viele Verantwortliche in den Justizministerien und in der Justiz haben die Tragweite des Problems noch immer nicht erkannt.

Joachim Wagner

Sie recherchieren seit Jahren zu rechten Richtern, haben jetzt Ihr Buch zu dem Thema in einer Neuauflage herausgebracht. Hat sich in diesem Bereich etwas verändert?
Einerseits gibt es in der Politik eine höhere Sensibilität. Andererseits haben viele Verantwortliche in den Justizministerien und in der Justiz die Tragweite des Problems noch immer nicht erkannt. Und es gibt beunruhigende Entwicklungen: So hat die AfD in sogenannten Richterwahlausschüssen in einigen Bundesländern bedenkliche Machtgewinne erzielt. In fünf Bundesländern können AfD-Abgeordnete in Richterwahlausschüssen über die personelle Zusammensetzung der Justiz mitbestimmen.

In Thüringen wollte Björn Höcke in so einen Ausschuss, wurde aber nicht gewählt. In der Folgezeit gab es ein Hin und Her, der Ausschuss war 14 Monate nicht beschlussfähig, wodurch die Ernennung von 24 Richtern und Staatsanwälten blockiert wurde. Danach wurde ein Jurist zum Staatsanwalt ernannt, der eine Bürgerinitiative gegen den Bau einer Moschee organisiert hatte.

Sie berichten in Ihrem Buch auch von Richtern, die in ihren Urteilsbegründungen rechtspopulistische Propaganda verbreiten, an rechten Demos teilnehmen oder für die AfD kandidieren ...
Im vergangenen Jahr wurde ich immer wieder auf neue Vorfälle aufmerksam gemacht. Erschreckend fand ich den Fall eines Erfurter Staatsanwalts, der muslimische Angeklagte – gegen jede Regel – vor Gericht hat auf den Koran schwören lassen. Dann ist da der Fall eines Richters, der für die AfD kandidiert hat und auf einer flüchtlingsfeindlichen Demo mit Trillerpfeife gegen Bundeskanzlerin Merkel demonstrierte. Und womöglich erinnern Sie sich an den Fall einer Berliner Staatsanwältin, die auf Querdenker-Demonstrationen gesichtet wurde – auch das ist ein Problem für die Justiz.

Muss das Disziplinarrecht verschärft werden, um bei solchen Fällen schneller reagieren zu können?
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) ist dafür. Die sächsische Justizministerin Katja Meier (Grüne) hat sinnvolle Vorschläge unterbreitet. Aber es wird schwer sein, neue Gesetze in der Praxis umzusetzen – wegen der Unabhängigkeit der Richter, der Meinungsfreiheit und der Freiheit der politischen Parteien.

Wichtig ist aus meiner Sicht, dass die Justiz generell besser wird bei ihrer Selbstkontrolle durch die Dienstaufsicht. Diese hat in der Vergangenheit bei rechtspopulistischen und rechtsextremen Richtern und Staatsanwälten zu oft versagt. Gerichtspräsidenten haben dem Treiben rechter Richter in Einzelfällen zu lange zugeschaut. Disziplinarverfahren waren langwierig und dauerten oft Jahre. Und sie sind häufig intransparent. Justizministerien und Justiz weigern sich regelmäßig, Auskunft zu geben, ob gegen einen bestimmten Richter ein Disziplinarverfahren läuft oder nicht. Die Öffentlichkeit hat aber ein Recht darauf zu wissen, ob die Selbstkontrolle in der Justiz funktioniert.

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