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Der Kanzler zwischen den Welten. Friedrich Merz muss sich um die Rente und die Ukraine kümmern.

© dpa/Michael Kappeler

Rentenstreit spitzt sich zu: Nun beginnt eine Schicksalswoche für den Kanzler

Haushaltswoche im Bundestag, doch in der Union gärt der Rentenstreit weiter. Eine Lösung ist nicht in Sicht, und nun melden sich auch noch Top-Ökonomen zu Wort und schießen gegen das Rentenpaket.

Über diese Terminkollision dürfte Friedrich Merz nicht traurig gewesen sein. Weil der Bundeskanzler am Montag noch planmäßig auf dem G20-Gipfel im südafrikanischen Johannesburg weilte und den Regierungsflieger in Richtung Heimat erst am Abend bestieg, konnte er nicht zeitgleich an der Fraktionssitzung von CDU und CSU im Bundestag teilnehmen.

Dort spitzt sich der Rentenstreit aber immer weiter zu, denn um das Reformpaket noch in diesem Jahr zu verabschieden – wie es sich der Kanzler ausdrücklich wünscht – wird die Zeit langsam knapp.

Nach dieser Haushaltswoche bleiben lediglich zwei Sitzungswochen des Bundestags, in denen Frühstart-, Mütter- und Aktivrente, aber eben auch die umstrittene Stabilisierung des Rentenniveaus durch eine Verlängerung der sogenannten Haltelinie, beschlossen werden können.

„Wir führen die Gespräche so, dass wir zu einem guten gemeinsamen Ergebnis kommen“, sagte Merz dem Sender „Welt TV“ noch in Südafrika. Doch der Aufstand der 18 jungen Abgeordneten von CDU und CSU hat längst das Zeug dazu, die Koalition zu gefährden. Scheitert die Rentenreform, droht auch Schwarz-Rot das Aus. Und so steuert Merz, der auch bei den Verhandlungen über die Zukunft der Ukraine gefordert ist, auf eine Schicksalswoche zu.

Und die beginnt denkbar schlecht, denn am Montag melden sich 22 Wissenschaftler, darunter Top-Ökonominnen und mehrere Wirtschaftsweise, im Rentenstreit zu Wort. In einem gemeinsamen Appell fordern sie, das Rentenpaket zu stoppen. Zu ihnen gehört auch Jörg Rocholl, Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats im Finanzministerium von SPD-Chef Lars Klingbeil.

Uns ging es immer darum, dass wir jetzt über Kompromisse sprechen.

Der Vorsitzende der Jungen Gruppe, Pascal Reddig, will Verhandlungen mit der SPD.

Bei den Rentenrebellen nimmt man den Ball der Ökonomen dankend auf. „Politik ist gut beraten, wenn wir ab und zu auch auf die Wirtschaft hören“, sagt der Vorsitzende der Jungen Gruppe, Pascal Reddig, dem Sender „Welt TV“. Trotz des Drucks, der auf die 18 Abgeordneten aufgebaut wird, erklärte Reddig, er sehe weiterhin Veränderungsbedarf an dem Paket.

„Wir müssen von der Machtfrage zurück zur Sachfrage“, sagte Reddig. Die jungen Konservativen argumentieren seit Tagen damit, dass durch ihren Vorschlag nur das Rentenniveau, nicht aber die tatsächliche Rente sinke. Ohne eine Reform drohe der Politik zudem, dass wegen gesetzlicher Verpflichtungen in den 2030er-Jahren nur noch drei Prozent des Haushalts verschiebbar seien. „Wenn wir an dem Punkt sind, dann sind wir fiskalisch handlungsunfähig“, warnte Reddig.

Großes Misstrauen gegenüber der SPD

Das alles in der Rentenkommission zu besprechen, reicht der Jungen Gruppe jedoch nicht aus. Und auch den Vorschlag des Kanzlers, die Rebellen könnten einen Sitz in dem Gremium erhalten, lehnt man dort als symbolische Geste ab. Zu groß ist das Misstrauen gegenüber der SPD, dass der Reformeifer dort nach einer Verabschiedung des Rentenpakets erlahmen könnte.

Und so kritisiert Reddig am Montag die „Basta-Politik“ von Arbeitsministerin Bärbel Bas als „total unangemessen“. Die SPD sei in der Verantwortung, nach Lösungen mitzusuchen. Er selbst und seine Rentenrebellen seien dazu bereit. „Uns ging es immer darum, dass wir jetzt über Kompromisse sprechen.“ Diese Haltung bekräftigte der CDU-Politiker nach Tagesspiegel-Informationen auch in der Fraktionssitzung am Montagnachmittag.

Doch nicht nur die Renten-Rebellen geben sich hartleibig. Auf Seiten der SPD ist nach wie vor die Haltung, dass es zwischen den Koalitionspartnern nichts zu besprechen gebe und das Problem allein auf Seiten der Union liege. Schließlich ist die 48-Prozent-Rentengarantie nur bis ins Jahr 2031 und nicht noch länger aus Sicht der Sozialdemokraten schon ein Kompromiss. Nun sei Durchhaltevermögen gefragt, soll die Ansage der Fraktionsspitze am Montagnachmittag gelautet haben, berichtet ein Teilnehmer der Fraktionssitzung im Anschluss. Entsprechend begrenzt ist das Mitleid mit Jens Spahn, der seine Truppen nicht hinter dem gemeinsamen Beschluss des Kabinetts versammelt bekommt.

SPD-Fraktionschef Matthias Miersch erwartet nach eigenen Worten, dass das Rentenpaket schon in der nächsten Sitzungswoche verabschiedet wird. Er bekräftigte am frühen Nachmittag, dass die Sozialdemokraten keinen Spielraum für Änderungen sehen. Unions-Fraktionschef Jens Spahn sprach lediglich davon, die Gespräche daran noch dieses Jahr abzuschließen. „Wann genau wir das Rentenpaket aufsetzen, ist noch zu entscheiden“, sagte der CDU-Politiker vor der Fraktionssitzung am Montagnachmittag. In dem gut eineinhalbstündigen Treffen soll Spahn Teilnehmerkreisen zufolge gesagt haben, es gäbe tägliche, intensive Gespräche. Der Koalitionsausschuss am Donnerstag sei die nächste Wegmarke.

Sein letztes Ass will Friedrich Merz im Rentenstreit derweil noch nicht spielen. Er sehe keinen Anlass dafür, das Rentenpaket mit der Vertrauensfrage zu verknüpfen, teilte der stellvertretende Regierungssprecher am Montag im Namen des Kanzlers mit. Doch je länger der Streit andauert, desto kleiner dürfte der Spielraum für den Kanzler werden.

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