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Darf man Hellas jetzt schon verloren geben? Kanzlerin Angela Merkel und Wirtschaftsminister Philipp Rösler haben Timing-Probleme.

© dapd

Mögliche Griechenland-Pleite: Rösler verärgert die CDU

FDP-Parteichef Philipp Rösler redet über eine "geordnete Insolvenz" Griechenlands und setzt sich damit von der Regierungslinie ab – zum Entsetzen des Koalitionspartners CDU.

Von Robert Birnbaum

Berlin - Wenn Hermann Gröhe den Generalsekretärston ablegt und auf Klartext schaltet, dann ist die Lage ernst. Am Montag redet Angela Merkels General Klartext. „Wir müssen die Griechen fordern, dürfen sie aber nicht pleite reden“, sagt Gröhe. Wem das gilt, ist klar. Philipp Rösler hat in einem Gastbeitrag in der Zeitung „Die Welt“ mal eben den Euro-Rettungskurs der Regierung infrage gestellt. „Um den Euro zu stabilisieren, darf es auch kurzfristig keine Denkverbote mehr geben“, heißt es in dem kurzen Aufsatz des FDP-Vorsitzenden und Wirtschaftsministers. „Dazu zählt notfalls auch eine geordnete Insolvenz Griechenlands, wenn die dafür notwendigen Instrumente zur Verfügung stehen.“

Die knappen Sätze ließen bei der CDU alle Alarmglocken schrillen. Dass Griechenland in ernsten Schwierigkeiten steckt, dass unsicher ist, ob die Griechen die Auflagen für Kreditbürgschaften erfüllen – all das schafft schon eine höchst fragile Lage. Seit Tagen drängen Kanzlerin und Finanzminister die Regierung in Athen, ihre Zusagen zu erfüllen, verbinden das aber stets mit der Zusicherung, dass dann Hilfen weiter fließen.

Rösler Beitrag erweckt einen anderen Eindruck: Den nämlich, dass in Berlin mit der Pleite Griechenlands gerechnet werde. „Wenn das die Griechen lesen“, schimpft ein CDU-Politiker, „dann hören sie doch sofort auf mit Sparen und Reformieren“.

Am Montag versuchen Merkels Vertraute, die Büchse der Pandora wieder zuzustopfen. „Kontraproduktiv und gefährlich“ nennt der Fraktionsgeschäftsführer der Union, Peter Altmaier, im „Morgenmagazin“ die „Spekulationen“ des Koalitionspartners. Gröhe lässt seinen Kommentar von der Agentur Reuters verbreiten - das stellt sicher, dass er auch an den Börsen gehört wird. Der Regierungssprecher nimmt Röslers Insolvenzgedanken sozusagen amtlich nicht zur Kenntnis: Die Bundesregierung sei „zuversichtlich“, dass Griechenland sich an das vereinbarte Verfahren halten und alles daran setzen werde, seine Zusagen zu erfüllen, sagt Steffen Seibert. Wenn allerdings die Griechen nicht lieferten, könne die nächste Tranche nicht gezahlt werden: „Das ist ein gewisser Automatismus.“

Lesen Sie auf Seite 2, was die CDU als besonders problematisch ansieht und von wem Rösler Zustimmung erhält.

Nun hätten es Gröhe, Altmaier und Seibert wahrscheinlich einfacher, wenn nicht bekannt geworden wäre, dass auch im Haus von Finanzminister Wolfgang Schäuble schon der Fall durchgerechnet wird, dass der bisherige Griechenland-Rettungskurs scheitert. Seibert dementiert das nicht, stuft es aber als rein vorsorgliches Gedankenspiel ein: Eine Regierung müsse stets „weiträumig denken“. Das ändere nichts an der klaren Linie, dass man den Griechen „gegen klare Auflagen helfen“ werde.

Das Problem mit Röslers Artikel ist, dass er diese Linie verunklart. Und das Problem mit Rösler sei, dass er Minister und Vizekanzler sei, sagt einer aus der Spitze der Union: „Das wird in aller Welt als Regierungsmeinung gelesen.“

Zwar hat der Freidemokrat ein Insolvenzverfahren erst in ein paar Monaten für denkbar erklärt – dann erst soll der ständige Euro-Rettungsschirm ESM beschlossen sein, erst dieser würde über Instrumente verfügen, die ein solches bisher nie erprobtes Verfahren ermöglichen könnte. Doch in der jetzigen Lage und angesichts hochnervöser Börsen droht das Reizwort „Insolvenz“ alle Feinheiten zu überdröhnen. Selbst Röslers Parteifreund Werner Hoyer warnt davor, mit dem Begriff „herumzuspielen“. „Die Gefahr, dass es Dominoeffekte gibt, ist einfach zu groß“, sagt der Staatsminister im Auswärtigen Amt und mahnt „Behutsamkeit in der Wortwahl“ an. Röslers General Christian Lindner hingegen verteidigt seinen Chef: Die FDP sei stets eine „proeuropäische, aber auch europarationale Partei“ gewesen, die Kritik der CDU sei „aus der Hüfte geschossen“.

Noch einer übrigens findet Rösler gut. „Ich bin froh, dass jetzt in den letzten Tagen diese Gedanken ausgesprochen wurden“, sagt Horst Seehofer. Der CSU-Chef will den Parteitag Mitte Oktober ein Papier beschließen lassen, in dem die CSU es für denkbar erklärt, dass ein Staat wie Griechenland aus dem Euro-Verbund ausscheidet. Der Regierungssprecher hält dagegen: Die Regierung wolle die gesamte Euro-Zone mit allen 17 Mitgliedern stabilisieren. Auch CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt und Innenminister Hans-Peter Friedrich stellen sich ein bisschen quer: Ein Austritt aus dem Euro sei nach den Verträgen so wenig möglich wie ein Hinauswurf. Seehofer mag das nicht hören. „Wir diskutieren jetzt politisch und nicht juristisch“, murrt der CSU-Chef. Am Ende bleibt der Satz im Leitantrag: Euro-Staaten, deren Verhalten die ganze Währung gefährde, müssten „damit rechnen, die Währungsunion verlassen zu müssen“.

Für die Euro-Skeptiker in der CSU ist das ein Sieg. Für die Euro-Skeptiker in der CDU ist es ein Ansporn. Selbst bei der SPD werden sie angesichts der Absetzbewegungen nervös. „Frau Merkel muss noch heute klarstellen, wohin ihre Regierung steuert“, drängt SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles. Die Sozialdemokraten wollen ja nicht die Letzten sein, die Merkels Kurs noch tragen.

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