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Oskar Lafontaine mit einem Buch seiner Partnerin Sahra Wagenknecht

© imago/Becker& Bredel

Update

Sammlungsbewegung #Aufstehen: Wie Wagenknecht & Co. Freundschaft mit Moskau schließen wollen

Die russischen Staatsmedien machen schon kräftig Werbung für #Aufstehen. Die linke Sammlungsbewegung fordert eine Entspannungspolitik mit Russland.

Von Matthias Meisner

Wenn das kein Zeichen ist: Der Theatermacher Bernd Stegemann, Dramaturg am Berliner Ensemble, hat erst vor ein paar Wochen so richtig zu twittern begonnen, seit er sich für die Sammlungsbewegung #Aufstehen von Oskar Lafontaine und Sahra Wagenknecht engagiert. Stegemann ist Chef des Trägervereins der Initiative. Als sein Profilbild in dem Kurznachrichtendienst wählte er ein Foto, das ihn an der Kremlmauer nahe des Roten Platzes in Moskau zeigt.

Allein mag das nicht viel bedeuten - zusammen mit vielen Aussagen von Initiatoren und Mitstreitern von #Aufstehen schon. Es wird klar, dass es der überparteilichen Sammlungsbewegung, die am 4. September starten soll, ein wichtiges Anliegen ist, für eine Entspannung im Verhältnis zu Moskau zu sorgen - trotz des Krieges in der Ostukraine und der Krim-Annexion. Neben dem weiteren Ziel, für Korrekturen in der Flüchtlingspolitik der Parteien zu streiten, nach dem Motto: weniger Migration, mehr in den Herkunftsländern tun. Die Linksfraktionsvorsitzende Wagenknecht und und ihr Ehemann, Ex-Parteichef Lafontaine kämpfen schon seit längerer Zeit in der Linken für eine entsprechende Kursänderung.

"Echte Friedenspolitik und Entspannungspolitik" wird in den bisher veröffentlichten Zielen von #Aufstehen verlangt. Lafontaine machte Mitte August in einem Interview mit der "Welt am Sonntag" klar, was er damit konkret meint. Eine friedliche Zusammenarbeit mit Russland sei "im deutschen und europäischen Interesse", sagte er. Den USA warf er vor, sie wollten "Russland einkreisen und gefährden damit die europäische Sicherheit".

Schon in einem ersten Thesenpapier der Sammlungsbewegung, das im Mai bekannt wurde, beklagten die Initiatoren der Initiative: "Im Verhältnis zu Russland herrscht Eiszeit." Moniert wurde damals, dass die Bundesregierung "einem unberechenbaren US-Präsidenten die Treue hält, statt sich auf das gute Erbe der Friedenspolitik Willy Brandts zu besinnen". Kritische Worte an die Adresse des Kremls fanden sich in der damaligen Analyse nicht.

Die Grünen-Politikerin Antje Vollmer nimmt 2014 an einer Redaktionskonferenz des Tagesspiegels teil.
Die Grünen-Politikerin Antje Vollmer nimmt 2014 an einer Redaktionskonferenz des Tagesspiegels teil.

© Kai-Uwe Heinrich

Die frühere Bundestagsvizepräsidentin Antje Vollmer, die sich zu Monatsanfang als Anhängerin der Sammlungsbewegung outete, hatte schon im April in einem Interview mit den Nachdenkseiten deutlich gemacht, dass ihr die verbreitete kritische Haltung gegenüber Moskau nicht geheuer ist. "Ich beobachte in der Berichterstattung zum Beispiel eine extreme Feindbildprojektion auf Putin und Russland, die irrationale Züge trägt und weit über die notwendige und berechtigte Kritik hinausgeht." Sie kritisierte "stereotype Denkmuster und Vorurteile". Die Alt-Grüne sagte: "In manchen Medien scheint das Bild vorzuherrschen, das heutige Russland sei die geradlinige Fortsetzung der Sowjetunion, ja geradezu die Fortsetzung des Stalinismus". Der Macher der Nachdenkseiten, der ehemalige SPD-Politiker Albrecht Müller, ist eng mit Lafontaine verbandelt.

Russische Staatsmedien trommeln für #Aufstehen

Russische Medien unternehmen derweil viel, um die Initiative von Lafontaine und Wagenknecht zu fördern. Der Propagandakanal RT Deutsch trommelt seit Monaten für das Projekt. "Politisch vielversprechend" sei die Initiative, hieß es dort vor zwei Wochen in einem Kommentar. Beklagt wurde in dem Meinungsartikel, dass die Linkspartei ihren "einzigen Superstar" - gemeint war Wagenknecht - "öffentlich demontiert". Und weiter hieß es: "Das Beharren der Kritiker auf einem ,versteckten rechten Kern' der Sammlungsbewegung ist unseriös und unbelegt."

Eingebettet in den Beitrag ist ein 24 Minuten langes Youtube-Video. Dort erläutert die stellvertretende Linken-Fraktionsvorsitzende Sevim Dagdelen, eine der wichtigsten Vertrauten von Wagenknecht in der Linkspartei, im Interview mit dem russischen Staatssender, dass mit der Sammlungsbewegung AfD-Wähler erreicht und zurückgewonnen werden sollen. Dagdelen warb für eine klare Beschränkung der Migration nach Deutschland. Sie sagte, viele Menschen würden unter der ohnehin vorhandenen sozialen Schieflage in Deutschland "noch mehr leiden, weil wir noch mehr Menschen aufnehmen in Deutschland".

RT (früher: Russia Today) kümmert sich auch um die internationale Verbreitung der Anliegen des Paares Lafontaine/Wagenknecht. Auf der rechtspopulistischen internationalen Internetplattform geopolitica.ru - sonst werden dort regelmäßig auch Thesen des neurechten russischen Vordenkers Alexander Dugin veröffentlicht - fand sich jüngst ein ins Französische übersetzter RT-Beitrag zur Sammlungsbewegung. Auch zu diesem Text gibt es ein Video mit Dagdelen, in dem sie vor Konfrontation mit Russland warnt und sagt, die Zuwanderung von Flüchtlingen habe die Löhne in Deutschland nach unten gedrückt.

Im Frühjahr war Dagdelen an einer außergewöhnlichen parlamentarischen Anfrage zum Fall des mit Nowitschok vergifteten russischen Ex-Spions Sergej Skripal beteiligt: Die Fragen hatten die Abgeordneten der Linksfraktion von der russischen Regierung übernommen.

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Wagenknecht selbst hat sich wiederholt nicht an die Empfehlung von Parteifreunden gehalten, auf Interviews in russischen Staatsmedien zu verzichten. Immer wieder stand sie RT oder auch Sputnik für Gespräche zur Verfügung, beispielsweise am Rande des Linken-Bundesparteitages im Juni 2017 in Hannover. Oder zuvor im Dezember 2016, passend zu ihrer Nominierung als Spitzenkandidatin für den Bundestagswahlkampf. Der Termin der Veröffentlichung sei nur Zufall gewesen, erklärte damals Wagenknechts Sprecher.

Ein Buch der Witwe von Egon Bahr

Sicher ist: Es werden nicht die letzten Signale nach Moskau aus der Sammlungsbewegung und ihrem Umfeld gewesen sein. Anfang Dezember erscheint im Frankfurter Westend-Verlag das Buch "Warum wir Frieden und Freundschaft mit Russland brauchen". Herausgeberin ist Adelheid Bahr, die Witwe des SPD-Ost-Politikers Egon Bahr, die auch mehrere Texte ihres verstorbenen Mannes beisteuert. Verpflichten konnte sie für den Sammelband auch mehrere Schlüsselfiguren von #Aufstehen, etwa Lafontaine, Antje Vollmer, den Willy-Brandt-Sohn und Historiker Peter Brandt. Außerdem schreiben der CSU-Politiker Peter Gauweiler, der immer wieder mit Lafontaine auf Podien saß. Und Ex-SPD-Chef Matthias Platzeck sowie Ex-Bundesarbeitsminister Norbert Blüm, CDU. Die beiden Ex-Politiker waren vom Wagenknecht-Vertrauten Diether Dehm für einen Auftritt beim Jahresauftakt der Linkspartei im Januar verpflichtet worden, hatten aber nach Streit um die Veranstaltung kurzfristig wieder abgesagt.

Aus dem Westend-Verlag heißt es, die Idee für das Buch sei im Frühjahr entstanden, als eine Umfrage ergab, dass eine Mehrheit der Deutschen sich eine Annäherung an Russland wünsche. Die Veröffentlichung des Aufrufs erfolge "komplett losgelöst" von dem Projekt #Aufstehen, versichert ein Verlagssprecher. Mit anderen Worten: Nicht jede der 20 Persönlichkeiten, die im Bahr-Buch für Frieden und Freundschaft mit Russland plädieren, hat sich auch für die Sammlungsbewegung gewinnen lassen. Einer der Autoren des Sammelbandes ist der ehemalige Bundesaußenminister Sigmar Gabriel.

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